„Über Geld spricht man nicht“ – oder doch? Zumindest in letzter Zeit wird vermehrt über Geld gesprochen, vor allem über digitale Formen des Geldes wie beispielsweise der digitale Euro oder Crypto-Assets wie E-Geld-Token (aka „Stablecoins“) und in diesem Zusammenhang auch der sog. Giralgeldtoken und dessen aufsichtsrechtliche Einordnung.
Hintergrund
Die Deutsche Kreditwirtschaft („DK“) hat zu Giralgeld in Form von Token (auch tokenisiertes Giralgeld oder Commercial Bank Money Token – „CBMT“ genannt) ein umfangreiches Arbeitspapier zur Weiterentwicklung des Giralgelds veröffentlicht.[1] In der Literatur wird die aufsichtsrechtliche Einordnung von Giralgeldtoken teils kontrovers diskutiert, denn je nach Ausgestaltung des Giralgeldtokens kann dieser entweder
- als Kryptowert unter die Vorschriften zu E-Geld-Token in Titel IV der Markets in Crypto-Assets Regulation (“MiCAR”) fallen oder
- als Kryptowert außerhalb der MiCAR (vgl. Art. 2 Abs. 4 MiCAR) fallen, wenn eine Einstufung als Einlage im Sinne der Einlagensicherungsrichtlinie (Richtlinie 2014/49/EU) erfolgt oder
- als E-Geld im Sinne der E-Money-Directive 2 (“EMD2”) einzustufen sein.
Rechtliche Einordnung von Giralgeldtoken
Im Arbeitspapier der DK wünscht man sich, dass das geplante CBMT als neue technische Variante des Geschäftsbankengiralgeldes und nicht als E-Geld eingestuft wird (S. 12): „We believe that the CBMT needs to be seen as commercial bank money in an alternative technical form, i.e., not provided as electronic money on current accounts but as digital money provided on token accounts (“addresses”).” Auch erkannt man das Risiko der Einstufung als E-Geld-Token: „At the same time, it (gemeint ist die MiCAR) regulates E-Money Token which might capture tokenized commercial bank money.“. Allerdings findet sich keine rechtliche Begründung in dem Arbeitspapier.
Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde („EBA“) hat im Dezember 2024 ihren Report on tokenised deposits veröffentlicht, der sich u.a. mit dem Vergleich zwischen Giralgeldtoken und E-Geld-Token beschäftigt (ausführlich hierzu unser Beitrag: EBA’s Report on Tokenised Deposits)
In der Zwischenzeit wurde ein Rechtsgutachten veröffentlicht[2], dass u.a. die aufsichtsrechtliche Einordnung des von der DK in ihrem Arbeitspapier vorgestellten Giralgeldtokens („DK-Giralgeldtoken“) thematisierte.
Wesentliches Ergebnis der rechtlichen Begutachtung war, dass der DK-Giralgeldtoken eher als Einlage und nicht als E-Geld-Token anzusehen ist, sodass die MiCAR keine Anwendung findet (vgl. Art. 2 Abs. 4 b) MiCAR). Die Einordung als E-Geld scheide wohl im Ergebnis aufgrund der Bereichsausnahme für begrenzte Netze nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes („ZAG“) aus.
Wesentliche Punkte aus dem Gutachten
Gemäß der aufsichtsrechtlichen Begutachtung wäre das DK-Giralgeldtoken als Einlage zu qualifizieren. Eine Einordnung als E-Geld im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 3 ZAG würde (entgegen teilweise vertretener Ansicht in der Literatur) zwar tatbestandlich vorliegen; scheitere letzten Endes jedoch an der Bereichsausnahme für begrenzte Netze. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 a) Var. 2 ZAG gelten Dienste nicht als Zahlungsdienste, die auf Zahlungsinstrumenten beruhen, „die … innerhalb eines begrenzten Netzes von Dienstleistern im Rahmen einer Geschäftsvereinbarung mit einem professionellen Emittenten eingesetzt werden können“. Das begrenzte Netz von Dienstleistern wird hier auf „sämtliche Beteiligte des Giralgeldtoken-Ökosystems“ (S. 30 im Gutachten) bezogen. In dem „multi-issuer“-Konzept der DK wird die Anzahl der beteiligten Banken – wie beim herkömmlichen Giralgeld – dem Grunde nach aber nicht begrenzt. Nicht die Anzahl, sondern das enge „geschäftsbesorgungsrechtliche Kooperationsverhältnis der Systembeteiligten“ (S. 31 im Gutachten) dürfte – so die vertretene Ansicht im Gutachten – die Anforderungen eines begrenzten Netzes erfüllen.
Der Interpretation der Bereichsausnahme „limited network“ gemäß der PSD2/EMD2, wonach unter „Dienstleister“ („service provider“) offensichtlich auch oder nur die beteiligten Payment Service Provider“ („PSP“) subsumiert werden, kann nicht zugestimmt werden. Die Bereichsausnahme des begrenzten Netzes bezieht sich auf die Begrenzung der Akzeptanz des Zahlungsinstruments. Zugegebenermaßen ist der Begriff „service provider“ an dieser Stelle (vgl. Art. 3 k) PSD2) nicht glücklich gewählt, wonach Anbieter von Waren und/oder Dienstleistungen bezeichnet werden sollen. Es besteht aber kein Zweifel, dass mit „service provider“ genau diese gemeint sind, die das Zahlungsinstrument als Zahlungsmittel akzeptieren. Auch die maßgeblichen EBA-Guidelines zur Limited Network Exclusion („LNE“) lassen daran keinen Zweifel zu. Danach handelt es sich um „providers of goods and services“[3]. Zur Inanspruchnahme der Bereichsausnahme muss diese Gruppe der Akzeptanzstellen begrenzt sein, zum Beispiel begrenzt auf eine bestimmte Handelskette oder Region (z.B. via Postleitzahl). Die BaFin nennt dazu eine Reihe von Kriterien, die ihrem Merkblatt – Hinweise zum Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (Stand: 05.07.2024) entnommen werden können (dort unter C.X.).
Auch der Verweis im Gutachten (dort S. 31) auf ein französisches Urteil durch den Conseil d´État aus 2013 in Bezug auf die Anwendung der Ausnahme „begrenzter Netze“ führt nicht zu einer anderen Betrachtungsweise. Gemäß diesem Urteil könnte die Existenz von Kapitalbeziehungen und die Enge der Geschäftsbeziehungen zwischen den Beteiligten[4] eine LNE begründen. Es ging hier aber um das Verhältnis zwischen dem Herausgeber des Zahlungsinstruments (hier: das Modekaufhaus Printemps als Herausgeber eines Geschenkgutscheininstruments) und den akzeptierenden Händlern (hier: die zur Printemps-Gruppe gehörenden Ladenketten Citadium und FNAC). Es handelte sich nicht um das Verhältnis zwischen mehreren PSPs, die gemeinsam ein Zahlungssystem betreiben und Zahlungsinstrumente herausgeben, die dann von den jeweiligen Kunden als Zahler bzw. als Zahlungsempfänger genutzt, d.h. akzeptiert werden (wie im geplanten Giralgeldtokensystem der DK) . Für die Auslegung und Anwendung der LNE sollte jedoch nicht das französische Urteil durch den Conseil d´État aus 2013 maßgeblich sein, sondern primär die von der EBA 2022 veröffentlichten Guidelines zur LNE (im Gutachten jedoch nicht erwähnt).[5]
Nun könnte das von der DK geplante Giralgeldtoken-System die LNE in Anspruch nehmen, wenn die Akzeptanz der Token als Zahlungsinstrument entsprechend begrenzt wird, z. B. nur innerhalb einer Ladenkette oder einem Franchise-System. Eine derartige Begrenzung ist aber derzeit nicht geplant. Das CBMT soll insbesondere im Bereich B2B für verschiedene „use-cases“ auf Basis der Distributed Ledger Technology („DLT“) angewendet werden, wie z. B. Delivery-versus-Payment, Pay-per-Use und smart contract-initiated payments.[6] Die Nutzung des Tokens als Zahlungsmittel soll aber nicht begrenzt werden: „There should be no programmability of the token (in the form of inherent properties) and a possibly associated purpose of limitation since the universality as a monetary property is then possibly no longer fulfilled and differing economic values due to different risk profiles between the deposit tokens are excluded.”[7]
Die Begrenzung der Systembeteiligten an einem Zahlungsverfahren und deren Kooperationsverhältnis sind keine Kriterien für die Anwendung der LNE, auch wenn man – entgegen der vorherrschenden Interpretation der Gesetzesmaterialien, Schrifttum und Finanzaufsicht – die Ansicht vertritt, dass die Bereichsausnahme des begrenzten Netzes als ein „bewegliches System von abstrakt-generellen, sich gegenseitig ergänzenden oder substituierenden Kriterien“ betrachtet werden sollte (S. 31 im Gutachten). Unterstellt, es käme auf die Begrenzung und das Kooperationsverhältnis der Systembeteiligten an, würde das dazu führen, dass ein E-Geld-System, das nur von einer Institution betrieben wird (wie z.B. PayPal), letzten Endes erlaubnisfrei wäre, da in diesem Fall erst recht die Ausnahme für begrenzte Netze greifen müsste. Ob Multi-Issuer oder Single-Issuer, entscheidend für eine etwaige Anwendung der LNE ist eine Begrenzung der Akzeptanz des CBMT als Zahlungsmittel zum Erwerb von Waren und Dienstleistungen.
Fazit
Damit ist die Diskussion zur aufsichtsrechtlichen Einstufung der von Banken emittierten CBMT oder vergleichbarer Produkte weiterhin offen und steht vermutlich noch am Anfang: Fraglich ist daher, wie CBMT aufsichtsrechtlich einzuordnen sind – als technische Variante der Einlagen, E-Geld oder E-Geld-Token? Wenn die LNE ausscheidet, die E-Geld-Kriterien tatbestandlich aber erfüllt sind, wäre der CBMT als E-Geld einzuordnen. Das Gutachten geht allerdings auch davon aus, dass der CBMT der DK als Einlage einzuordnen ist. Das wirft die (Folge-)Frage auf, wie sich E-Geld von Giralgeld bzw. E-Geld-Token von CBMT unterscheidet. Mit dieser Frage hat man sich bislang nicht ausreichend auseinandergesetzt. Erste Gedanken dazu finden sich in diesem Beitrag.
[1] Version 1.51, Stand: Juli 2023, abrufbar unter https://die-dk.de/themen/pressemitteilungen/digitalisierung-von-bankeinlagen-deutsche-kreditwirtschaft-veroffentlicht-neue-version-des-working-paper-zum-commercial-bank-money-token/ (zuletzt abgerufen am 17.07.2025).
[2] Das Rechtsgutachten wurde über LinkedIn veröffentlicht; war jedoch nicht über Suchmaschinen auffindbar. Die für diesen Beitrag wesentlichen Aussagen des Gutachtens wurden in dem Beitrag von Omlor/Heine „Aufsichtsrechtliche Einordnung von Giralgeldtoken“, WM 2025, Heft 17, 729-738 wiedergegeben.
[3] Siehe EBA, Final Report on the Guidelines on the Limited Network Exclusion under PSD2, 24 February 2022 (EBA/GL/2022/02), S. 19-20.
[4] “l’importance des liens capitalistiques entre ses membres, ou l’étroitesse de leurs relations commerciales”, siehe: Conseil d’État, 9ème et 10ème sous-sections réunies, 24/04/2013, 354957 (https://www.legifrance.gouv.fr/ceta/id/CETATEXT000027353547; zuletzt abgerufen am 17.07.2025).
[5] In dem Gutachten wird die Ansicht vertreten, dass die Rechtsprechung des Conseil d‘État – ohne Berücksichtigung der neueren EBA Guidelines zur LNE – „zumindest als persuasive authority fruchtbar gemacht werden“ kann (vgl. S. 31 des Gutachtens).
[6] Siehe DK, Working Paper on Commercial Bank Money Token, Version 1.51 (2023), S. 10.
[7] DK (2023), S. 17