Einige Highlights aus den Bundestagswahlprogrammen
Zahlungsverkehr ist nicht nur ein Thema für Juristen. Es hat schon längst die politische Arena erreicht. Denken wir z. B. an die politische Debatte zur Bezahlkarte für Flüchtlinge. Die politische Bedeutung spiegelt sich demnach auch in den Parteiprogrammen zur kommenden Bundestagswahl am 23. Februar wider. Gesichtet habe ich „nur“ die Programme der 7 bundestagspotenten Parteien AfD, BSW, CDU/CSU, Die Grünen, Die Linke, FDP und SPD. Die kursiv gedruckten Zitate finden Sie in den jeweiligen Wahlprogrammen unter Verzicht einer Seitenangabe (wegen Leserlichkeit).
Inhaltsverzeichnis
Bezahlkarte
Bleiben wir beim Thema Bezahlkarte. Die CDU/CSU fasst sich kurz: „keine Abstriche“. Die FDP fordert einen flächendeckenden Einsatz „ohne unnötige Ausnahmen“. Die Kombination Sachleistungen plus Bezahlkarte wird neben der FDP auch von der AfD befürwortet. Die Grünen betrachten die Notwendigkeit einer Bezahlkarte („ganz ohne unangemessene Bargeldobergrenze“) nur aus Gründen des Bürokratieabbaus und der Inklusion. Die Linken wollen keine Sachleistungen oder Bezahlkarte, sondern nur „reguläre“ Geldleistungen. Die Programme von BSW und SPD schweigen zu diesem Thema.
Das Wahlprogramm der SPD können wir an dieser Stelle gleich schon abhaken. Zu unserem Thema „Payment“ herrscht gähnende Leere. Man findet dort nur das Ziel der Bekämpfung des Steuerbetrugs in „bargeldintensiven“ Branchen. Es bleibt unklar, an welche Maßnahmen die SPD hier denkt.
Bargeld vs „Bargeld los“
Das Thema Bargeld vs „Bargeld los“ ist traditionell ein Dauerbrenner. Die Existenz und die Nutzung des Bargeldes sollen als Freiheitsrecht im Grundgesetz verankert werden, so die AfD. Staatliche Stellen sollen zur Akzeptanz verpflichtet werden. Die Forderungen des BSW sind dazu nahezu deckungsgleich. Bargeld schützt die Privatsphäre und ermöglicht das Recht auf ein nichtdigitales Dasein. Auch die CDU/CSU bezeichnet Bargeld als „gelebte Freiheit“, betont aber ihre grundsätzliche Offenheit für „alle neuen Zahlungsmethoden“. Die FDP geht einen Schritt weiter und befürwortet neben dem Erhalt des Bargeldes eine „breite Akzeptanz von Kartenzahlungen“.
Kreditkartenzahlung
Bei der Kartenzahlung haben Die Grünen aber partielle Bedenken, und zwar gegen die Kreditkarte. Begründung: Hohe Kosten dieses Zahlungsmittels im Zahlungsverkehr für deutsche Unternehmen und Verbraucher. Gegen die hohen Zahlungsverkehrskosten wollen Die Grünen folgende Waffen einsetzen: Innovative Wettbewerber, Wettbewerbsrecht, Maßnahmen gegen Wucher und Deckelung des effektiven Jahreszinses. Ich vermute, dass hier einiges durcheinandergeraten ist. Die gegebenenfalls hohen Kosten für den Verbraucher resultieren nicht aus der Verwendung der Kreditkarte im Zahlungsverkehr, sondern aus der Nutzung der Karte zur Kreditaufnahme. Die beanstandeten hohen Zahlungsverkehrskosten für deutsche Unternehmen haben wiederum mit der jeweiligen Kreditaufnahme nichts zu tun. Bei einem Anteil von ca. 2% aller Kartenzahlungen stellt sich außerdem die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz dieser Kreditkarten mit Kreditfunktion.
Digitaler Euro
Die Diskussionen zum Digitalen Euro (D€) sind in letzter Zeit in der Öffentlichkeit etwas abgeebbt. Das findet seinen Widerhall in den Parteiprogrammen. Kein Thema (mehr) für SPD, Grünen und BSW. CDU/CSU befürworten den D€ nur, wenn er einen „echten Mehrwert“ bietet. Außerdem soll er Bargeld (nur) ergänzen, die Finanzstabilität nicht gefährden, die Privatsphäre der Verbraucher schützen und kostenfrei nutzbar sein. Der Forderungskatalog ist weitgehend deckungsgleich mit dem der FDP. Ergänzende Forderungen der FDP lauten: Online und offline Nutzung und kein Nutzungszwang. Offen bleibt, ob kein Nutzungszwang auch keinen Akzeptanzzwang impliziert. Akzeptanzzwang (laut dem Kommissionsentwurf derzeit für juristische Personen weitgehend vorgesehen) bedeutet Nutzungszwang für den Zahlungsempfänger, wenn der Zahler den D€ nutzen will.
Die AfD begründet ihre Ablehnung des D€ mit einem dystopischen Szenario: Nutzungspflicht, dominantes gesetzliches Zahlungsmittel, programmierbare Zahlungen, Abschaffung des Bargeldes und Vollüberwachung. Die Linken begrüßen dagegen den D€. In diesem Kontext befürwortet diese Partei die gesetzliche Verankerung der anonymen digitalen Zahlung bei kleinen Beträgen. (Anmerkung des Verfassers: Diese Forderung ist allerdings – auch auf EU-Ebene – zumindest für E-Geld bereits erfüllt.)
Umgang mit Kryptowährungen
Ein weiteres Reizthema sind Kryptowährungen. Hier scheiden sich allerdings keine Geister, sondern wir sehen zwei Befürworter; der Rest schweigt. Es wundert nicht, dass die FDP Kryptowährungen ausdrücklich begrüßt, nachdem der FDP-Chef Lindner öffentlich für die Verwendung von Bitcoin als Bestandteil der Währungsreserven wirbt. Im Wahlprogramm wird zusätzlich die Zulassung von Krypto-ETFs gefordert. Kryptoinnovationen sollen durch eine Erweiterung der Finanzplatzförderung besser unterstützt werden. Auch soll die existierende Regulierung bezüglich Verhältnismäßigkeit überprüft werden. Wenn damit auf die MiCAR gezielt wird, ist das sicherlich kein leichtes Vorhaben, da es sich hier um europäisches Recht handelt.
Auch die AfD übt Kritik an die MiCAR und fordert eine „Deregulierung des Bitcoins sowie der Bitcoin-Wallets und der Handelsplätze“ und das „Recht auf Eigenverwahrung der Coins in selbstverwalteten Wallets“. Meines Erachtens wird aber dieses Recht durch die MiCAR nicht beeinträchtigt. Der Ansatz der AfD ist währungstheoretisch bemerkenswert. Einerseits befürwortet sie die Rückkehr einer nationalen Monopolwährung (statt Euro); gleichzeitig begrüßt sie den Bitcoin als „staatsfreies Geld“ im „Wettbewerb der Währungen“.
Kritik an der EZB
Bei den Linken findet man noch einige interessante, aber wenig realistische Forderungen, die ich zum Schluss hier nicht vorenthalten möchte. Sie übt scharfe Kritik an der EZB: Zinspolitik „auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung“, ein Versagen in der Bekämpfung der Inflation und Beeinflussung durch Finanzlobbyisten. Aus diesen Gründen soll die EZB „demokratisiert“ werden, was letztendlich auf die politische Abhängigkeit der Zentralbank hinausläuft. Das Führungspersonal (Rat, Direktorium) soll vom Europäischen Parlament (EP) gewählt werden. Auch die EZB-Geldpolitik soll vom EP festgelegt werden. Sie spricht damit eine berechtigte ordnungspolitische Frage an, warum eine Zentralbank als „politischer Schlüsselakteur“ nicht der demokratischen Mitbestimmung unterliegt. Auf diese bislang kaum geführte Diskussion kann man sich freuen.
Rolle der Banken
Auch die Rolle der Banken möchte Die Linke ändern. Sie sollen kleiner werden und auf das Investment Banking verzichten, wobei unklar bleibt, wer dieses Geschäft übernehmen soll. Banken sollen „nur“ als Vermittler zwischen Ersparnissen und Investitionen und weiterhin im Zahlungsverkehr tätig sein. Den Banken traut diese Partei allerdings im Zahlungsverkehr nicht übermäßig viel zu, denn gleichzeitig sollen „öffentliche Alternativen zu den Bezahlsystemen der großen Internetkonzerne“ bereitgestellt werden.
Wahlprogramme sind durchaus eine interessante Lektüre; wichtiger ist aber, was nachher im Regierungsprogramm der neuen Koalition formuliert wird.
Quellen
Hier finden Sie die konkreten Text-Auszüge aus den Wahlprogrammen:
SPD
- Wir benötigen überdies eine Stärkung der Staatseinnahmen durch ein gerechtes Steuersystem. Dazu gehört auch, Steuerhinterziehung und Finanzkriminalität weiter zu bekämpfen. So gilt es, Umsatzsteuerbetrug vor allem in bargeldintensiven Branchen weiter zurückzudrängen und die bisher ergriffenen Maßnahmen weiterzuentwickeln und zu ergänzen. (S. 18)
CDU/CSU
- Vielfalt der Zahlungsmethoden erhalten. Wir möchten, dass jeder selbst entscheiden kann, wie er bei Geschäften des Alltags bezahlt. Wir setzen uns für den Erhalt des Bar-gelds ein. Denn Bargeld ist gelebte Freiheit. Darüber hinaus sind wir grundsätzlich offen für alle neuen Zahlungsmethoden. (S. 77)
- Digitaler Euro nur bei echtem Mehrwert. Der Einführung eines digitalen Euro stehen wir dann offen gegenüber, wenn er einen echten Mehrwert bietet, das Bargeld ergänzt, die Finanzstabilität nicht beeinträchtigt, die Privatsphäre der Verbraucher schützt und kos-tenfrei nutzbar ist.
(S. 77) - Bei der Bezahlkarte machen wir keine Abstriche. (S. 4)
Grünen
- Die hohen Kosten des Zahlungsverkehrs für deutsche Unternehmen und Verbraucher* innen, etwa bei der Nutzung von Kreditkarten, wollen wir senken – mithilfe innovativer Wettbewerber, des Wettbewerbsrechts und gesetzlicher Maßnahmen gegen Wucher wie einer Deckelung des effektiven Jahreszinses für Verbraucher*innen. Auf neue Gebühren für Verbraucher*innen wollen wir dabei verzichten. Dort, wo bargeldloses Zahlen noch kompliziert ist, wollen wir den Zugang vereinfachen. (S. 32)
- Wir stehen für soziale Teilhabe. Politische Maßnahmen wie zum Beispiel die Bezahlkarte müssen so ausgestaltet sein, dass sie Bürokratie verringern und Integration ermöglichen. Das haben wir in Hannover erfolgreich vorgemacht – ganz ohne unangemessene Bargeldobergrenze. Es muss immer sichergestellt werden, dass keine Kürzung unter das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum erfolgt. (S. 128)
- Das EU-Geldwäschepaket wollen wir zügig und ambitioniert umsetzen und dabei auch die Forderungen des Europäischen Parlaments berücksichtigen. Mit einer bundesweiten Servicestelle wollen wir die Expertise über den Missbrauch von Kryptowährungen bündeln und für die Länder nutzbar machen. (S. 136)
FDP
- Wir begrüßen die Entwicklung von Kryptowährungen und Digital Ledger Technologie und setzen uns für die Zulassung von Krypto-ETFs ein. Wir sind offen dafür, dass die Europäische Zentralbank und die Deutsche Bundesbank Kryptowährungen wie Bitcoin als Währungsreserven verwenden. Das kann die Resilienz des europäischen Währungssystems stärken. Wir Freie Demokraten stehen für den Erhalt des Bargelds. Wir befürworten, wenn es neben dem Bargeld eine breite Akzeptanz von Kartenzahlungen gibt. Ein das Bargeld ergänzender digitaler Euro muss die Privatsphäre der Nutzer respektieren und sowohl online als auch offline nutzbar sein. Es darf keinen Zwang zur Nutzung des digitalen Euro geben und es dürfen keine zusätzlichen Risiken für das Finanzsystem entstehen. (S. 16)
- Wir setzen zudem auf mehr Sach- statt Geldleistungen und fordern, dass die längst beschlossene Bezahlkarte flächendeckend und ohne unnötige Ausnahmen überall zum Einsatz kommt. (S. 27)
- Wir wollen das Aufgabenspektrum der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) um die Finanzplatzförderung erweitern, um FinTech- und Kryptoinnovationen besser zu unterstützen. Wir wollen prüfen, ob die bestehende Regulierung verhältnismäßig ist. Auch hier wollen wir vermeiden, dass die Regelungen in Deutschland über die europäischen Mindestanforderungen hinausgehen. (S. 15)
AfD
- Unser Bargeld ist in Gefahr. Mit der Unterstützung von Bundesregierung, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank wird seine schleichende Abschaffung betrieben. Mit der Abschaffung des Bargelds würde die Rolle des Geldes als unantastbarer und gebührenfreier Wertspeicher eingeschränkt. Eine faktische Abschaffung des Bargelds ermöglicht auch die Enteignung von Kontoinhabern. Bargeld ist ein natürliches Bollwerk gegen eine weitere Absenkung der Zinsen bis in den negativen Bereich. Eine Bargeldabschaffung würde zudem bedeuten, dass Zahlungsvorgänge nur noch elektronisch stattfinden können. Dies eröffnet Staat und Banken die totale Kontrolle und sogar Steuerung aller Geldströme und Wirtschaftsaktivitäten über jede finanzielle Handlung der Bürger, sogar über deren Aufenthaltsorte. Aus dem gläsernen Bankkunden würde der gläserne Mensch werden: Mit einem freiheitlichen Rechtsstaat sind solche Überwachungs- und Steuerungsmöglichkeiten nicht vereinbar. Darüber hinaus sind elektronische Systeme nicht ausfall- und manipulationssicher. Die AfD fordert, den dauerhaften Erhalt des Bargeldes als uneingeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel und dessen Nutzung als wichtiges bürgerliches Freiheitsrecht im Grundgesetz zu verankern. Staatliche Stellen dürfen die Annahmepflicht von Bargeld nicht abbedingen. (S. 66/67)
- Auch wenn der Digitale Euro noch in der Versuchsphase steckt: Er soll absehbar und entgegen den Beteuerungen der EZB das dominante gesetzliche Zahlungsmittel werden. Der Digitale Euro könnte mittelfristig sogar programmierbar ausgestaltet werden. Vollüberwachung und Steuerung bis hinein in private, ja intime Lebensbereiche wären buchstäblich vorprogrammiert, ähnlich dem chinesischen „Social Credit-System“. In Kombination mit dem ebenfalls geplanten Vermögensregister werden hier Voraussetzungen für umfassende Enteignungsmöglichkeiten von bereits versteuertem Vermögen geschaffen. All dies kann aus staatlicher und suprastaatlicher EU-Sicht nur durch eine faktisch verpflichtend gemachte, sogenannte digitale Identität durchgesetzt werden, mittels der praktisch jede menschliche Aktivität dauerhaft nachvollziehbar und zentral gespeichert, reguliert und sanktioniert werden kann. Dies ist eine dystopische Vorstellung spätestens ab dem Moment, an dem die Nutzung des Digitalen Euros faktisch verpflichtend wird. Die AfD spricht sich gegen eine von der EZB herausgegebene digitale Währung aus, die ein Einfallstor für die schleichende Abschaffung des Bargeldes wäre. Die AfD widerspricht einer Totalüberwachung und -steuerung aller finanziellen Handlungen durch faktisch verpflichtende elektronische Zahlungsvorgänge über einen monopolistischen Digitalen Euro und über ein zentrales Vermögensregister. Wir fordern ein Recht auf analoges, unüberwachtes und freies Leben. (S. 67/68)
- Der Bitcoin ist als staatsfreies Geld ein begrüßenswerter Kandidat im Wettbewerb der Währungen. Bei einer Marktkapitalisierung im Billionen-Bereich und einem signifikanten Umlauf erfüllt der Bitcoin inzwischen die meisten Geldfunktionen. Durch zunehmende nationale und internationale Regulierungstendenzen (EU-MiCAR) ist er jedoch gefährdet. Die AfD hat sich seit Jahren gegen diesen politisch-regulatorischen Druck gestellt. Die AfD fordert die weitgehende Deregulierung des Bitcoins sowie der Bitcoin-Wallets und der Handelsplätze. Wir setzen uns ein für die Beibehaltung der Umsatzsteuer-Freiheit von Bitcoin-Transaktionen, der einjährigen Frist zur Besteuerung von Wertzuwächsen sowie des Rechts auf Eigenverwahrung der Coins in selbstverwalteten Wallets. Wir fordern den Erhalt von Freiheit und Staatsferne durch Besteuerungs- und Regulierungszurückhaltung der Politik. (S. 68)
- Sozialleistungen für Asylbewerber sind nach Möglichkeit als Sachleistungen zu erbringen, ansonsten durch eine Bezahlkarte, sofern die Erbringung von Sachleistungen mit vertretbarem Aufwand nicht möglich ist. (S. 105)
- Auch eine programmierbare Währung ist geeignet, die Bürgerrechte zu untergraben; daher lehnen wir den „Digitalen Euro“ ab. (S. 140)
Die Linke
- Statt diskriminierender Sachleistungen und Bezahlkarten wollen wir reguläre Geldleistungen auf Höhe der solidarischen Mindestsicherung für alle Menschen. (S. 52)
- Die Europäische Zentralbank demokratisieren (S. 13)
- Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in den vergangenen Krisen versagt. Die Erhöhung der Leitzinsen war ein wirkungsloser Versuch, die profitgetriebene Inflation zu bekämpfen – auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung: Dringend benötigte Investitionen wurden gebremst, die Preise sind weiter gestiegen. Die EZB hat bewiesen, dass sie aufkommende Krisen nicht verhindern kann. Wir wollen daher ihre Rolle neu definieren, damit sie in Zukunft die Menschen in der EU schützt.
- Wir fordern, dass die EZB vom Europäischen Parlament kontrolliert wird und nicht weiter dem Einfluss von Finanzlobbyist*innen unterliegt. Führungspersonal und -gremien der EZB – wie EZB-Rat, EZB-Direktorium und EZB-Präsident*in – sollen vom Europäischen Parlament gewählt werden. Die grundlegenden und langfristigen Zielsetzungen der Geldpolitik sollen im Parlament diskutiert und von ihm festgelegt werden. Gerade in Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrisen sind Zentralbanken politische Schlüsselakteure – demokratische Mitbestimmung ist hier dringend nötig.
- Das Mandat der EZB soll erweitert werden: Neben Preisstabilität soll sie auch die Ziele Vollbeschäftigung und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, die mit ökologischer Verantwortung einhergeht, verfolgen. Wir wollen der EZB ermöglichen, Staaten direkt zu finanzieren, um diese Ziele zu erreichen. Ein inflationäres Risiko besteht nicht, weil die EZB weiterhin ihrem Inflationsziel von 2 Prozent verpflichtet ist.
- Geld und Währung müssen Teil staatlicher Souveränität bleiben, eine schleichende Privatisierung lehnen wir ab. Internetgiganten und Finanztechnologieunternehmen (Amazon, Paypal und Co.) müssen den gleichen Regeln und Gesetzen unterworfen werden wie konventionelle Finanzdienstleister, das heißt Banken und Versicherungen. Mit einer öffentlichen Alternative zu den Bezahlsystemen der großen Internetkonzerne können wir ihre enorme Macht beschränken.
- Die Linke befürwortet die Einführung des digitalen Euro durch die EZB. Er soll ein von der EZB garantiertes gesetzliches Zahlungsmittel sein, das Privatpersonen in begrenztem Maße und unverzinst auf Konten bei der EZB halten können. Er soll Bargeld nicht ersetzen, sondern als weitere bequeme Form des Zentralbankgelds ergänzen. (S. 14)
- Digitale Zahlungen ermöglichen die Erstellung von persönlichen Profilen und Rückschlüsse auf sensible persönliche Daten. Bei kleinen Beträgen muss das Recht auf anonymes Bezahlen gesetzlich verankert werden. (S. 14)
- Banken müssen verkleinert und das Investmentbanking muss abgewickelt werden. Wir werden Banken auf ein Geschäftsmodell verpflichten, das den Bedürfnissen der Gesellschaft und der Realwirtschaft entspricht (S. 14):
- Angebote im Bereich Zahlungsverkehr,
- einfachere und sichere Sparinstrumente und
- Finanzierung öffentlicher und privater Investitionen.
- Wir fordern außerdem einen Deckel für Dispozinsen: Der Zinssatz für Dispositions- und Überziehungskredite darf maximal 5 Prozentpunkte über dem Leitzinssatz der EZB liegen. So schützen wir Menschen, die sich am Rande des Existenzminimums bewegen und den Dispokredit oft nutzen müssen. (S. 14)
BSW
- Wir treten für ein gesetzlich geschütztes Recht auf nichtdigitale Teilhabe am öffentlichen Leben ein.
- Die Möglichkeit, Bargeld zu nutzen, ist wichtig für den Erhalt unserer finanziellen und allgemeinen Privatsphäre und ein selbstbestimmtes Leben. Nur Bargeld erlaubt es, Waren und Dienstleistungen zu kaufen, ohne eine Datenspur zu erzeugen, die jahrzehntelang digital gespeichert wird. Nur mit Bargeld können wir ohne Mitwirkung Dritter etwas kaufen. Wenn wir alles digital bezahlen (müssen), wird unser Bankkonto zum detaillierten Logbuch unseres gesamten Lebens. (S. 44)
- Wir wollen das Bargeld erhalten und Einschränkungen seiner Nutzung zurücknehmen. Als einen ersten Schritt zur Bewahrung des Bargelds drängen wir auf ein Gesetz, das alle deutschen Ämter und Behörden verpflichtet, diskriminierungsfrei Bargeld anzunehmen. Dasselbe soll für alle Unternehmen gelten, die in öffentlichem Auftrag Dienstleistungen erbringen. Im europäischen Rahmen sollte die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass Restriktionen für den Gebrauch von Bargeld wieder gelockert werden und Bargeldnutzer nicht mehr schon bei bescheidenen Summen unter Generalverdacht gestellt werden. (S. 44)