Die Besteuerung des Carried Interest – wo stehen wir?

Die Besteuerung des Carried Interest – wo stehen wir?

Was ist Carried Interest überhaupt?

Carried Interest (oder auch Carry) ist eine erfolgsabhängige Vergütung, die den Fondsinitiatoren von Venture Capital/Private Equity-Fonds zusteht, nachdem zunächst die Investoren ihr eingezahltes Kapital und ggfs. auch eine Vorzugsverzinsung (sog. preferred return) erhalten haben. In der Regel erhalten die Fondsinitiatoren dann um die 20% der Gewinne; ggfs. gibt es auch zuerst ein „Aufholen“ zugunsten der Fondsinitiatoren, bis diese einen bestimmten Anteil der Vorzugsverzinsung der Investoren erhalten haben. In einigen Fällen gibt es mehrere Carried Interest-Stufen je nach Ertragslage bzw. bei Erreichen bestimmter Schwellen.

Besteuerung des Carried Interest nach früherer Rechtslage

Vor dem Veranlagungszeitraum 2004 war strittig, ob Carried Interest überhaupt steuerbar war. In der juristischen Literatur war die herrschende Meinung, dass der Carried Interest einen kapitaldisproportionalen Gewinnanteil darstellt. Da es damals die Abgeltungsteuer nicht gab, war Carried Interest entweder nur nach § 17 EStG steuerbar – wofür aber eine Beteiligung iHv. min. 1% an der Portfoliogesellschaft erforderlich war, die idR. nicht vorliegt – oder nach § 23 EStG – wofür eine Veräußerung innerhalb eines Jahres erforderlich ist, was ebenfalls idR. nicht der Fall ist. Somit war der Carried Interest regelmäßig nicht steuerbar.

Einführung des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG für Carried Interest bei vermögensverwaltenden Fonds

Durch die Einführung des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG wurde sodann sichergestellt, dass der Carried Interest bei vermögensverwaltenden Fonds zumindest teilweise steuerbar ist (damals Halbeinkünfteverfahren, heute Teileinkünfteverfahren).

Noch nicht geklärt war damit jedoch, wie der Carried Interest aus Sicht der Investoren zu behandeln ist (siehe hierzu weiter unten unter „Rechtslage bei vermögensverwaltenden Fonds“).

Die Besteuerung des Carried Interest – wo stehen wir? 1

Rechtslage bei gewerblichen Fonds

Bei gewerblichen Fonds stufte die Finanzverwaltung – da § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG insoweit nicht anwendbar ist – den Carried Interest als voll steuerpflichtige Tätigkeitsvergütung nach 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 Alt. 2 EStG ein.

Mit Urteil vom 11.12.2018 (VIII R 11/16) entschied der BFH, dass Carried Interest als originärer Gewinnanteil nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 Alt. 1 EStG einzustufen und entsprechend das Teileinkünfteverfahren anzuwenden ist. Um eine Tätigkeitsvergütung handelte es sich nicht, da der Carried Interest nur bei entsprechendem Gewinn entstand und nicht als (handelsrechtliche) Ausgabe erfasst wurde. Des Weiteren entschied der BFH, dass auch „nur“ gewerblich geprägte oder gewerblich infizierte Fonds keine vermögensverwaltenden Fonds i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG sind. Das Urteil wurde bislang (leider) nicht im BStBl. veröffentlicht.

Rechtslage bei vermögensverwaltenden Fonds

Die Finanzverwaltung vertrat die Auffassung, dass es sich um eine Tätigkeitsvergütung der Fondsinitiatoren handle, der ein Gewinnverzicht der Investoren gegenüberstehe und die die im abgekürzten Zahlungsweg vom Fonds an die Fondsinitiatoren gezahlt werde (statt dass zunächst der entsprechende Gewinn an die Investoren ausgeschüttet wird und diese dann die Vergütung an die Fondsinitiatoren leisten). Bei den Investoren stelle dies daher Werbungskosten dar, die bei Privatinvestoren gem. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG grds. nicht abzugsfähig sind. Insoweit hatte dies im Ergebnis eine Doppelbesteuerung des Carried Interest sowohl bei den Fondsinitiatoren als auch bei den (Privat-)Investoren zur Folge.

In einem Urteil v. 17.11.2020 entschied das FG München (12 K 2334/18), dass der Carried Interest keine Tätigkeitsvergütung, sondern originärer Gewinnanteil aufgrund einer kapitaldisproportionalen Gewinnabrede ist und keine entsprechenden Werbungskosten oder Betriebsausgaben der Investoren gegenüberstehen. Folglich erzielen die Investoren um den Carried Interest verminderte Einkünfte und es findet keine Doppelbesteuerung statt. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG bewirkt (erst) auf Ebene der Fondsinitiatoren bzw. des Carry-Empfängers eine Umqualifizierung in selbstständige Einkünfte. Gegen das Urteil des FG legte das Finanzamt (Beklagte) Revision ein.

Vor kurzem hat der BFH über die Revision entschieden (Urt. v. 16.4.2024 – VIII R 3/21), die verfahrensrechtlich begründet war. In materiell-rechtlicher Hinsicht hingegen folgte der BFH seinen Ausführungen im Urteil aus 2018 und der Auffassung des FG München in der ersten Instanz.

Status Quo und Ausblick

Somit ist nun die steuerliche Behandlung des Carried Interest sowohl bei vermögensverwaltenden als auch gewerblichen Fonds grundsätzlich höchstrichterlich geklärt. Es ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung sich in der Praxis generell der finanzgerichtlichen Auffassung anschließt.

Verbleibende Rechtsunsicherheiten bei vermögensverwaltenden Fonds

Carry-Holder-Kapitalgesellschaften

Nicht abschließend geklärt ist weiterhin, wie der von einem vermögensverwaltenden Fonds an eine Kapitalgesellschaft als Carry-Empfänger geleisteter Carried Interest steuerlich zu behandeln ist.

Die Gesetzesbegründung zum § 3 Nr. 40a EStG, der die Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG teilweise steuerfrei stellt, erklärt die Vorschrift genauso wie die Körperschaftsteuer-Richtlinien auch auf Kapitalgesellschaften anwendbar.

Fraglich ist jedoch, ob daneben auch § 8b KStG anwendbar ist, der bei Veräußerungsgewinnen eine (fast) vollständige Steuerbefreiung ermöglichen würde. M.E. ist dies der Fall, da es (nur) darauf ankommt, ob es sich der Sache nach um Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft handelt. Die etwaige Umqualifizierung in selbstständige Einkünfte kann nicht schädlich sein, da sonst auch die Umqualifizierung nach § 8 Abs. 2 KStG bei allen unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen dazu führen würde, dass § 8b KStG nicht anwendbar ist – das kann nicht gewollt sein (so auch Lauer/Dürr, Ubg, 435, 442). Es ist ohnehin bereits fraglich, ob bei einer Kapitalgesellschaft tatsächlich eine Umqualifizierung gem. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG stattfindet oder ob nicht insoweit § 8 Abs. 2 KStG jedenfalls letztlich vorgeht, sodass (umfassend) gewerbliche Einkünfte der Kapitalgesellschaft vorliegen. Lauer/Dürr bringen insoweit überzeugend vor (aaO. S. 441), dass es der Anordnung der Nichtanwendung von § 15 Abs. 3 EStG nicht bedurft hätte, wenn § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG ohnehin den anderen gesetzlichen Regelungen vorginge.

Ansonsten würde eine Struktur mit Carry-Holder-Kapitalgesellschaft auch ohne triftigen Grund benachteiligt werden, da dann nicht nur der Carry selbst besteuert würde, sondern auch die Ausschüttung an die Gesellschafter der Gesellschaft, d.h. die eigentlichen Fondsinitiatoren als natürliche Personen. Ggfs. müsste man, wenn man eine Carry-Holder-Kapitalgesellschaft einsetzen möchte, nur aufgrund dieser Unsicherheit durch Strukturierungsmaßnahmen dafür sorgen, dass der Fonds gewerblich wird, was wiederum insgesamt steuerlich nachteilig sein könnte (z.B. mangels vollständiger Anrechenbarkeit der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer bei Privatinvestoren).

  • 8b KStG dürfte dabei die speziellere Vorschrift sein (so auch Lauer/Dürr), womit es auch nicht zu einer Überbegünstigung kommt (was – geringfügig – der Fall wäre, wenn zunächst § 3 Nr. 40a EStG auf sämtliche Erträge Anwendung fände und dann auf Veräußerungsgewinne noch § 8b KStG).

Es wäre wünschenswert, wenn diese Unsicherheit alsbald ausgeräumt werden könnte. Die Thematik ist auch sehr praxisrelevant, da bei Venture Capital-/Private Equity-Fonds die Veräußerungsgewinne i.d.R. wirtschaftlich im Vordergrund stehen und nicht etwa Dividenden oder Zinsen.

Deal-by-Deal-Carry und Carry Clawback

Nicht abschließend geklärt ist des Weiteren, inwieweit ein Deal-by-Deal-Carry, der bereits pro Exit Carry generieren kann (wenn die Investoren ihr bezüglich des jeweiligen einzelnen Investments ihr eingezahltes Kapital zurückerhalten haben), mit § 18 Abs. 1 Nr. 4 bzw. § 3 Nr. 40a EStG in Einklang zu bringen ist. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG hinsichtlich des Carry-Anspruchs die Voraussetzung verlangt, dass die Gesellschafter bzw. Investoren „ihr eingezahltes Kapital vollständig zurückerhalten haben“. M.E. ist diese Voraussetzung auch bei einem Deal-by-Deal-Carry erfüllt, wenn ein sog. Carry Clawback vereinbart wird, der den Anspruch auf den Carry entfallen lässt (auflösende Bedingung), soweit der Investor nicht (oder weniger als) sein eingezahltes Kapital erhält.

Auch hierzu wäre jedenfalls eine Klarstellung wünschenswert. Auf Nummer sicher geht man, wenn der Carry auf Portfoliobasis anfällt (was auch häufig der Fall ist).



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