ESAs Final Report: SFDR RTS 2.0

ESAs Final Report: SFDR RTS 2.0 | von Annerton Rechtsanwälten Maximilian Agthe und Tran Anh-Vu

Einführung

Die Europäische Union will bis 2050 Netto-Null CO2-Emissionen erreichen – unter anderem mit der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR). Seit 2021 verpflichtet die Verordnung Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zur Offenlegung von Angaben über Investitionen in nachhaltige Aktivitäten. Ziel ist die Neuausrichtung der Kapitalströme auf nachhaltige Investitionen mittels der Einbeziehung von Nachhaltigkeit in das Risikomanagement und der Förderung von Transparenz.

Am 04. Dezember 2023 veröffentlichten die Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) einen Abschlussbericht mit Vorschlägen zur Änderung der technischen Regulierungsstandards zur SFDR.

Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen insbesondere die Principal Adverse Impact (PAI) Indikatoren, die Produktangaben zur angestrebten Reduzierung von Treibhausgasemissionen und die Anforderungen an die Offenlegung bei Multioptionsprodukten (MOP). Außerdem sollen angepasste Offenlegungsvorlagen die Übersichtlichkeit optimieren, insbesondere soll ein zusammenfassendes Dashboard eingeführt werden.

Die wesentlichen Änderungen im Einzelnen:

1. Neue soziale PAI-Indikatoren

Die vorgeschlagenen Änderungen der PAI-Indikatoren umfassen drei neue obligatorische soziale Indikatoren für Investitionen in Unternehmen, nämlich:

a) der akkumulierten Gewinne in nicht kooperativen Steuergebieten,

b) Engagement in Unternehmen, die im Tabakanbau und in der Tabakproduktion tätig sind,

c) Anteil der Beschäftigten, die weniger als den angemessenen Lohn erhalten.

Der viel diskutierte vierte neue obligatorische Sozialindikator „Einmischung in die Gründung von Gewerkschaften oder in die Wahl von Arbeitnehmervertretern“ wurde in einen optionalen PAI-Indikator umgewandelt und in „geringe Tarifbindung“ geändert.

2. Änderung des PAI-Rahmenwerks

Auch die Berechnungsmetriken der PAI-Indikatoren für negative Umweltauswirkungen „CO2-Fußabdruck“ sowie „Treibhausgasintensität der Beteiligungsunternehmen“ sollen angepasst werden: Bislang war keine einheitliche Berechnungsgrundlage vorgesehen, so dass es den Finanzmarktteilnehmern faktisch freigestellt war, wie sie diese Indikatoren berechnen. Zukünftig soll jeweils das Verhältnis der gesamten entsprechenden Emissionen je investierte Million Euro zugrunde gelegt werden.

Finanzmarktteilnehmer sollen künftig offenlegen, welcher Anteil der negativen Auswirkungen auf Daten des investierten Unternehmens und welcher auf Schätzungen oder vernünftigen Annahmen beruht.

Zwecks Gleichlaufs mit den angepassten Indikatoren sollen bereits bestehende Formeln entsprechend angepasst werden. Beispielsweise soll die Treibhausgasintensität eines Staates – in Übereinstimmung mit dem Standard der Partnership for Carbon Accounting Financials (PCAF) – unter Verwendung des bereinigten Bruttoinlandsprodukts mit Kaufkraftparitätsfaktor berechnet werden.

Um vormals bestehende Unsicherheiten darüber, wie bestimmte Anlagen für die Zwecke der PAI-Offenlegung zu behandeln sind, auszuräumen, sollen Derivate in wirtschaftliches Exposure umgewandelt werden.

Wertschöpfungsketten von Beteiligungsunternehmen sollen nur dann in die PAI-Berechnungen einbezogen werden, wenn das Beteiligungsunternehmen selbst über diese Wertschöpfungskette berichtet.

3. Gestaltungsmöglichkeiten der Do No Significant Harm (DNSH)-Offenlegung

Es ist vorgesehen, dass die zwecks Bestimmung der Einhaltung des DNSH-Prinzips verwendeten Schwellenwerte oder Kriterien auf der Website offengelegt werden.

4. Offenlegung der Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen

Außerdem sollen neue Offenlegungspflichten zu den Zielen für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen eingeführt werden: Diese sollen auf Grundlage aller relevanten Investitionen festgelegt werden, wobei die Messung der Ausgangssituation und die Überwachung der Fortschritte auf derselben Grundlage zu erfolgen haben.

Aus Gründen der Vergleichbarkeit sollen die Investitionen die folgenden Anlageklassen umfassen: Börsennotierte Aktien und Unternehmensanleihen, Staatsanleihen, Unternehmenskredite und nicht börsennotiertes Eigenkapital, Projektfinanzierung, gewerbliche Immobilien, Hypotheken und Kfz-Kredite. Die Aufnahme anderer Anlageklassen ist möglich, wenn die Investitionen als relevant erachtet werden – der Finanzmarktteilnehmer soll dann den verwendeten Standard oder die Methodik offenlegen.

Anlagen in Staatsanleihen sind künftig gesondert anzugeben, um die Vergleichbarkeit zwischen Produkten mit unterschiedlicher Vermögensbasis zu verbessern.

Damit Privatanleger nicht mit technischen Informationen überfrachtet werden, sind für die Offenlegung in den vorvertraglichen Unterlagen und den regelmäßigen Berichten aggregierte Daten für alle Anlageklassen mit Ausnahme von Staatsanleihen erforderlich.

Finanzmarktteilnehmer sollen durch Offenlegung auf der Website denjenigen Anteil der Investitionen transparent darstellen, für den die Brutto-Treibhausgasemissionen von den Unternehmen, in die investiert wurde, gemeldet, von diesen Unternehmen abgerufen wurden oder geschätzt werden konnten.

Im Zusammenhang mit Assets under Management (AuM)- und Enterprise Value Including Cash (EVIC)-basierten Berechnungsmetriken wird vorgeschlagen, dass Finanzmarktteilnehmer unangepasste Kennzahlen als Teil ihrer vorvertraglichen Dokumente und regelmäßigen Berichten offenlegen müssen. Um die marktbedingte Volatilität der Ergebnisse zu reduzieren, ist auch die Offenlegung der angepassten Kennzahlen zusammen mit dem verwendeten Anpassungsfaktor und einer Erläuterung, wie dieser konstruiert und angewendet wurde, im Rahmen der Offenlegung auf der Website erlaubt.

Finanzierte Treibhausgasemissionen auf Produktebene sollten nur die Brutto-Treibhausgasemissionen widerspiegeln; auf dieser Basis sollten auch die Treibhausgasemissionsreduktionsziele für Finanzprodukte festgelegt werden. Der Abbau und die Speicherung von Treibhausgasen, Emissionsgutschriften (Carbon Credits) oder vermiedene Emissionen, die von den investierten Unternehmen oder den finanzierten Projekten erzielt werden, können nicht als Mittel zur Erreichung der Treibhausgasemissionsreduktionsziele herangezogen werden. Darüber hinaus können Finanzmarktteilnehmer keine Emissionsgutschriften erwerben oder sich auf die Berechnung vermiedener Emissionen verlassen, um die Treibhausgasreduktionsziele auf Produktebene zu erreichen.

Da jedoch der potenzielle Beitrag von Emissionsgutschriften gesehen wird, sollen die Finanzmarktteilnehmer in ihren regelmäßigen Berichten die Menge der Emissionsgutschriften angeben können, die sie während des Berichtszeitraums erworben oder gelöscht haben – dies sollte jedoch getrennt von der Überwachung des Fortschritts bei den finanzierten Treibhausgasemissionsreduktionszielen erfolgen. In diesem Fall sind detaillierte Angaben auf der Website erforderlich, wobei die gelöschten Emissionsgutschriften nur in Bezug auf ein einziges Finanzprodukt anzugeben sind und der Anleger über die Qualität dieser Emissionsgutschriften zu informieren ist. In diesem Zusammenhang ist offenzulegen, welcher Anteil der Emissionsgutschreiten nach anerkannten Qualitätsstandards zertifiziert ist (wie in Anhang 2 der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) definiert).

5. Offenlegung bei Finanzprodukten mit Anlageoptionen

Bei Multioptionsprodukten (MOP) soll eine erweiterte Offenlegung in den vorvertraglichen Dokumenten in der Form erfolgen, dass ein „Dashboard“ mit den wichtigsten Informationen zu den Anlageoptionen beigefügt wird. Grundsätzlich soll die Offenlegung für jede Anlageoption einzeln – unabhängig von ihrem Status als Finanzprodukt gemäß SFDR – erfolgen; in Fällen, in denen die Anzahl der zugrunde liegenden Optionen einer klaren und eindeutigen Offenlegung entgegensteht, können die regelmäßigen Offenlegungen durch einen Hyperlink auf die entsprechenden sektoralen SFDR-Offenlegungen erfolgen.

Die Informationen auf der Website für die in Art. 8 Abs. 1 oder Art. 9 Abs. 1 bis 3 SFDR genannten MOP sollten Folgendes enthalten:

a) Ein Dashboard, das die wichtigsten nachhaltigkeitsbezogenen Informationen zu den Anlageprodukten zusammenfasst, die das Finanzprodukt als solches gemäß Art. 8 oder 9 SFDR qualifizieren, und

b) die Offenlegung zusätzlicher Einzelheiten auf der Ebene der einzelnen Anlageoptionen; gegebenenfalls können die Informationen durch einen Hyperlink zu dem spezifischen Abschnitt auf der Website der jeweiligen Anlageoption zur Verfügung gestellt werden, wobei der Hyperlink ein direkter Link zu den einschlägigen SFDR-Offenlegungen für die spezifische Anlageoption sein kann.

6. Vereinfachung der Vorlagen, Einführung eines Dashboards

Die Vorlagen sollen vereinfacht werden, indem die bereitgestellten Informationen neu geordnet werden und die grüne Einfärbung aller Eingabefelder mit Ausnahme der Taxonomie-Diagramme entfernt wird. Um die Offenlegung verständlicher und weniger komplex zu gestalten, wird ein spezielles Dashboard vorgeschlagen, das auf der ersten Seite der Dokumente die wichtigsten Informationen enthält, während die Detailinformationen auf den folgenden Seiten dargestellt werden. Das Dashboard zeigt an, ob ein Finanzprodukt ein nachhaltiges Anlageziel verfolgt oder ökologische/soziale Ziele fördert, und enthält vier wesentliche Hauptelemente: i) Nachhaltige Investitionen, ii) an der Taxonomie ausgerichtete Investitionen, iii) Berücksichtigung der wichtigsten PAI und iv) Ziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Es wurden Icons hinzugefügt, die anzeigen, ob das Produkt eines dieser Elemente enthält.

Die Zusammenfassung der Offenlegung auf der Website muss das Dashboard enthalten, das die erste Seite der vorvertraglichen Offenlegungen darstellt.

7. Sonstige Änderungen

a) Berechnung des Anteils nachhaltiger Investitionen

Die vorgeschlagenen Änderungen enthalten einen neuen Art. 17a, der zwei Möglichkeiten zur Berechnung des Anteils nachhaltiger Investitionen von Finanzprodukten vorsieht: Der Zähler kann einerseits auf Basis der einzelnen Wirtschaftstätigkeiten der Zielunterunternehmen, andererseits auf Basis der Investitionen in ganze Unternehmen bestimmt werden. Der Nenner ist in jedem Fall der Marktwert aller Investitionen.

Finanzprodukte müssen in den vorvertraglichen Informationen auf der Website und in der regelmäßigen Offenlegung angeben, welche der beiden Methoden sie für die Berechnung ihrer nachhaltigen Investitionen gewählt haben.

b) Lesbarkeit

Da die Offenlegungen über den European Single Access Point (ESAP) in einem Format zur Verfügung gestellt werden sollen, das sowohl für Menschen als auch für Maschinen lesbar ist, sollen sämtliche Offenlegungen unter der SFDR entsprechend lesbar sein. Die ESAs empfehlen das XBRL-Format.

Wie geht es weiter?

Die Europäische Kommission wird innerhalb von drei Monaten über die Genehmigung der vorgeschlagenen Änderungen der RTS entscheiden. Die angepassten RTS treten dann am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Ab wann sie anwendbar sind, ist noch nicht bekannt. Die ursprüngliche Fassung der RTS sah eine Übergangsfrist von ca. 8 Monaten nach Inkrafttreten vor, während die aufgrund der Ergänzungen zu fossilen Brennstoffen und Kernenergie ergangene Änderungsverordnung (Delegierte Verordnung (EU) 2023/363) keine Übergangsfrist vorsah und die Verordnung – anders als üblich – bereits drei Tage nach Veröffentlichung in Kraft trat. Da durch die neuen RTS im Zweifel eine nicht unerhebliche Anzahl von Änderungen eingeführt wird, die nicht nur Wahlrechte einräumen, sondern auch neue Pflichten einführen, dürfte nach unserer Einschätzung eine Übergangsfrist von mindestens mehreren Monaten erforderlich sein.

 

 



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