Neues Fit and Proper-Rundschreiben der BaFin
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) konsultiert noch bis Mitte Juni 2025 ein neues Rundschreiben zu den Mitgliedern der Geschäftsleitung sowie von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG. Das Rundschreiben basiert auf den beiden Merkblättern zu Geschäftsleitern und Mitgliedern von Verwaltungs- oder Aufsichtsorganen vom Dezember 2020 und fasst diese zusammen. Mit dem Rundschreiben übernimmt die BaFin zugleich zwei gemeinsame Leitlinien der Europäischen Bankaufsichtsbehörde (EBA) und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) in ihre Verwaltungspraxis.
Inhaltsverzeichnis
Die Konsultation ist Anlass genug, sich der Anforderung an die fachliche Eignung von Organmitgliedern von KWG-Instituten etwas genauer anzunehmen. Wie auch bislang stellt die BaFin an Mitglieder der Geschäftsleitung andere Anforderungen als an Mitglieder des Verwaltungs- / Aufsichtsorgans.
Anforderungen an die Geschäftsleiter
Die Anforderungen an Geschäftsleiter („GLM“) gelten gleichermaßen für GL-Vertreter im Verhinderungsfall.
Königsweg Regelvermutung
Nach wie vor geht die BaFin regelmäßig vom Vorliegen der fachlichen Eignung aus, wenn ein zu bestellender Geschäftsleiter eine leitende Tätigkeit von mindestens drei Jahren bei einem Institut von vergleichbarer Art und Größe innehatte.
Nunmehr definiert die BaFin auch, was sie unter „leitender Tätigkeit“ versteht, nämlich eine Tätigkeit als Geschäftsleiter oder unmittelbar unterhalb der Ebene der Geschäftsleitung mit nicht unwesentlichen Entscheidungskompetenzen und Vertretungsmacht nach innen und außen. Der Aspirant muss in die Gesamtbanksteuerung eingebunden gewesen sein. Maßgeblich sind insbesondere herausgehobene Kreditkompetenzen. Zu guter Letzt muss die Tätigkeit auch erfolgreich gewesen sein, wobei die BaFin keine näheren Anhaltspunkte dafür gibt, was sie hierunter versteht.
Die individuelle Einzelfallprüfung als Kärrnerarbeit
Greift die Regelvermutung nicht ein, ist die fachliche Eignung des Kandidaten im Detail nachzuweisen. Je nach Einzelfall kann damit erheblicher Aufwand verbunden sein.
Theoretische Kenntnisse
Die erforderlichen theoretischen Kenntnisse können durch abgeschlossene Berufsausbildungen, Studiengänge und Lehrgänge nachgewiesen werden. Die BaFin verweist in ihrem Merkblatt insbesondere auf wirtschafts- oder rechtswissenschaftliche Studiengänge. Auch eine hinreichend breit angelegte Berufspraxis erkennt die BaFin an.
Selbst bei Spezialisten, wie beispielsweise IT-Fachleuten, verzichtet die BaFin nicht auf banktechnisches Basiswissen und gegebenenfalls sogar Kreditkenntnisse.
Leitungserfahrung
Der zu bestellende Geschäftsleiter muss über ausreichende Leitungserfahrung verfügen. Diese kann durchaus auch bei Unternehmen, die keine Institute sind, erworben werden. Die dem Kandidaten hierbei übertragene Führungsverantwortung muss er in Eigenverantwortung mit Entscheidungskompetenz ausgeübt haben. Die konkreten Anforderungen an seine Leitungserfahrung bestimmt die BaFin einzelfallspezifisch anhand der Größe und Bedeutung des Instituts und der Ausgestaltung der zu besetzenden Position. Erfahrungsgemäß sind die von der BaFin hier angesetzten Maßstäbe nicht übermäßig hoch.
Praktische Erfahrungen
Eine erheblich höhere Hürde stellten in der bisherigen Aufsichtspraxis die Anforderungen an die praktischen Erfahrungen dar. Hieran dürfte sich auch nach Veröffentlichung des Rundschreibens nichts ändern. Die BaFin zieht nur Erfahrungen heran, die bei lizensierten Instituten in der Ausübung hierarchisch hoch angesiedelter und mit entsprechenden Kompetenzen versehener Tätigkeiten erworben wurden. Die Leitung lediglich eines Fachbereichs, wie beispielsweise der Rechtsabteilung oder einer Risiko Controlling Einheit, reicht hier allermeist nicht aus.
Großen Wert legt die BaFin auf Erfahrungen mit spezifisch aufsichtsrechtlichen Themen. Explizit spricht sie vom Kreditgeschäft und dem Risikomanagement.
Assoziierte Mitgliedschaft in der Geschäftsleitung als goldene Brücke
Eine direkte Beförderung von einer operativen Leitungsfunktion in die Geschäftsleitung eines Instituts ist auf Basis dieser Verwaltungspraxis oftmals ausgeschlossen. Als zielführend hat sich in der Praxis der Weg über eine zunächst interimsweise Berufung zum nicht stimm- aber uneingeschränkt redeberechtigen assoziierten Mitglied der Geschäftsleitung ohne Organstellung und entsprechend hinausgeschobener „Vollbestellung“ erwiesen.
Tätigkeits- und Projektbeschreibungen zur Ergänzung des Lebenslaufs
Den Anzeigen der Bestellungsabsicht sind formalisierte Lebensläufe der Kandidaten beizufügen. Platz für ergänzende Erläuterung, welche Erfahrungen mit einzelnen Aufgaben und Projekten gewonnen werden konnten, besteht meist nicht.
Gerade bei Kandidaten, die nicht die Regelvermutung für sich in Anspruch nehmen können, ist die bloße Auflistung der bisherigen beruflichen Stationen oftmals nicht hinreichend aussagekräftig. Insbesondere praktische Erfahrungen kommen nicht hinreichend zum Ausdruck. Abhilfe kann hier eine die bisherigen Funktionen, Aufgaben und Projekte des Kandidaten beschreibende Ergänzung des Lebenslaufs schaffen. Gerade Personen aus der Beraterbranche oder (ehemalige) Mitglieder von Aufsichtsräten bei Instituten können damit bei den Aufsichtsbehörden etliche Pluspunkte sammeln.
Anforderungen an Aufsichts- und Verwaltungsräte
Weit geringere Anforderungen stellt die BaFin an die Sachkunde von Aufsichts- und Verwaltungsorganen („VAOM“). Diese müssen fachlich in der Lage sein, die Geschäftsleitung angemessen zu kontrollieren und zu überwachen und die Entwicklung des Instituts aktiv zu begleiten. Maßgeblich sind der Umfang und die Komplexität der vom Institut betriebenen Geschäfte.
Die Sachkunde kann aus Tätigkeiten sowohl in der Bankenbranche als auch im akademischen Bereich aber auch in der öffentlichen Verwaltung oder gar der Politik herrühren. Für Arbeitnehmervertreter in mitbestimmten Aufsichtsräten oder VAOMs kraft öffentlichen Amtes arbeitet die BaFin mit praxisgerechten Regelvermutungen.
Ambitionierter Katalog notwendiger Kenntnisse aller Organmitglieder
Ambitioniert erscheint der Verweis in dem Rundschreiben auf den sehr umfangreichen Katalog in den EBA / ESMA Leitlinien an Kenntnissen, über die alle Organmitglieder – wenn wohl auch je nach Organzugehörigkeit in unterschiedlichem Maße – verfügen sollten. Demnach sollten die Organmitglieder firm sein unter anderem in den Bereichen, Bankwesen und Finanzmärkte, rechtliche Anforderungen und Regulierungsrahmen, Risikomanagement einschließlich Ermittlung, Bewertung, Überwachung, Beherrschung und Minderung der Hauptrisikoarten eines Instituts und Risikofaktoren in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance, Buchhaltung und Rechnungsprüfung und Sicherstellung effektiver Unternehmensführung, Aufsicht und Kontrollen.
Eignungs- und Diversitätsrichtlinien
Zur Sicherstellung der Berufung hinreichend geeigneter Kandidaten in Schlüsselfunktionen sollen Institute Richtlinien und Prozesse zur Bewertung der individuellen Eignung einschließlich Diversitätskriterien aufstellen.
Notwendiger Bestandteil der Eignungsrichtlinien dürfte dann – zumindest auszugsweise – wohl auch die von EBA und ESMA ausgegebene Liste von Fähigkeiten sein, über die Geschäftsleiter verfügen sollten. Darin finden sich unter anderem Attribute wie Authentizität, Sprachkompetenz, Kunden- und Qualitätsorientierung, Teamfähigkeit, Strategischer Scharfsinn und zu guter Letzt die Fähigkeit, den Vorsitz in Besprechungen führen zu können.