In der jüngeren Vergangenheit beobachten wir verstärkt, dass das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) Geschäftsmodelle, die keinen direkten Bezug zum klassischen Versicherungsgeschäft aufweisen, der Versicherungsteuerpflicht unterwerfen möchte. Von dieser neuen Prüfungspraxis sind auch Unternehmen der Finanzbranche betroffen, die u.a. das echte Factoring mit Übernahme des Bonitätsrisikos (Delkredererisiko) betreiben. Diese Entwicklung sorgt bei vielen Unternehmen für (Rechts-)Unsicherheit aufgrund des Zugangs von Prüfungsanordnungen des BZSt.
Was sind die steuerlichen Auswirkungen einer Versicherungsteuer?
Sofern die Leistungen eines Unternehmens im Rahmen des Factorings der Versicherungsteuer unterliegen, hätte dies weitreichende Konsequenzen. Eine Versicherungsteuerpflicht des echten Factorings führt für den Käufer und Verkäufer der Forderung zu erheblichen steuerlichen Belastungen. Der Käufer der Forderung hat in der Regel keinen oder nicht mehr den vollen Vorsteuerabzug auf seine Eingangsleistungen, da er eine umsatzsteuerfreie sonstige Leistung erbringt (§ 4 Nr. 10 Buchst. a UStG; § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG; Vorsteuerschaden). Mit der Umsatzsteuerbefreiung der Versicherungsleistung wird eine Doppelbelastung mit Versicherungs- und Umsatzsteuer vermieden.
Der Verkäufer der Forderung muss 19% Versicherungsteuer auf das Entgelt für das Factoring zahlen und kann die Versicherungsteuer nicht als Vorsteuer abziehen.
Möglicher Hintergrund der aktuellen Betriebsprüfungspraxis
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im Jahr 2018 entschieden, dass eine entgeltliche Garantiezusage eines Kfz-Händlers eine eigenständige Leistung darstellt und nicht lediglich eine unselbständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung ist. Mit einer entgeltlichen Garantiezusage liegt eine Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungsteuergesetz (VersStG) vor, die nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei ist. Nach § 1 Abs. 1 VersStG unterliegt der Versicherungsteuer die Zahlung eines Versicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat daraufhin am 11. Mai 2021 (III C 3 – S 7163/19/10001 :001; BStBl I 2021 S. 781) ein Schreiben veröffentlicht, das sich mit den versicherungsteuerrechtlichen und umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen auseinandersetzt. Das BMF hat im Nachgang noch zwei weitere Schreiben (vom 18. Juni 2021, BStBl 2021, S. 871 sowie vom 18. Oktober 2021, BStBl I 2021, S. 2142) veröffentlicht, mit denen u.a. der klarstellende Hinweis erteilt wurde, dass die steuerlichen Grundsätze zu Garantiezusagen branchenunabhängig Geltung beanspruchen und daher über die Anwendung im Kfz-Bereich und für Kfz-Händler hinausgehen. Die BMF-Schreiben haben einige Fragen aufgeworfen und zu vielen Diskussionen geführt. Gemeinsam mit dem BZSt hat das BMF daraufhin eine Interpretationshilfe in Form von Fragen und Antworten (FAQ) zu den BMF-Schreiben veröffentlicht. Ein zentraler Punkt des BMF-Schreibens ist die Definition von Garantiezusagen als eigenständige versicherungsteuerpflichtige Leistungen, wenn diese entgeltlich erfolgen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Leistung in Form einer Geldzahlung oder einer Sachleistung (wie einer Reparatur) erbracht wird. In dem FAQ-Schreiben wird erneut klargestellt, dass die steuerlichen Grundsätze zu Garantiezusagen über die Kfz-Branche hinaus und damit branchenunabhängig Geltung beanspruchen.
Versicherung- oder Umsatzsteuer bei Forderungskauf mit Risikoübernahme (echtes Factoring)?
Beim echten Factoring übernimmt der Factor neben dem Forderungsankauf stets das Risiko des Forderungsausfalls. Diese Risikoübernahme wird von dem BZSt zunehmend dahingehend überprüft, ob eine eigenständige Versicherungsleistung im Sinne des VersStG vorliegt, die der Versicherungsteuer unterliegt.
Die aktuelle Betriebsprüfungspraxis ist insbesondere im Hinblick auf zwei Umstände überraschend:
- Zum einen können die Geschäftsmodelle je nach Vertragsgestaltung zivilrechtlich unterschiedlich eingeordnet werden (z.B. echtes Factoring, (Zahlungs-)Garantie oder Forderungsausfallversicherung), die steuerlich nicht miteinander vermischt oder umgedeutet werden dürfen.
- Zum anderen wurde, soweit ersichtlich, in keinem Urteil eines Finanzgerichts, des BFH oder des Europäischen Gerichtshof zur Umsatzsteuerpflicht von Factoringleistungen die Frage aufgeworfen, ob die Factoringleistung als Versicherungsleistung umsatzsteuerfrei ist.
Und jetzt?
Die aktuelle Betriebsprüfungspraxis zeigt, dass das BZfSt verstärkt solche Unternehmen der Finanzbranche ins Visier nimmt, deren Geschäftsmodelle eine Risikoübernahme – wie beim echten Factoring – beinhalten; insbesondere wenn das Factoring im Zusammenhang mit anderen Leistungen erbracht wird (z.B. Zahlungsabwicklung).
Falls Ihr Unternehmen Forderungen mit Risikoübernahme (echtes Factoring) ankauft, sollten Sie nicht überrascht sein, wenn Ihnen eine Prüfungsanordnung des BZSt zugestellt wird.
Angesichts der potenziellen steuerlichen Belastungen ist eine proaktive Auseinandersetzung mit dem Thema unerlässlich, um ggf. künftig unliebsame Überraschungen bei einer Betriebsprüfung zu vermeiden. Sie sollten Ihre Factoring-Verträge prüfen, ob die Steuerklauseln ein mögliches Betriebsprüfungsrisiko abdecken.
Sofern die Prüfung des BZSt eine Versicherung annimmt, sollten Sie überlegen, gegen diese Prüfungsfeststellung auf dem Rechtsweg vorzugehen.