BaFin-Konsultation 13/2021: Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen

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Am 2. August 2021 ist – pünktlich zum Inkrafttreten der meisten Änderungen am KAGB durch das Fondsstandortgesetz – von der BaFin ein Entwurf einer Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen zur Konsultation gestellt worden; die BaFin hatte hierzu bereits im April einen ersten Entwurf veröffentlicht. Die Richtlinie enthält Vorgaben an Publikumsfonds, die im Namen einen Nachhaltigkeitsbezug aufweisen bzw. als nachhaltig vertrieben werden. Ziel ist hierbei insbesondere die Verhinderung von sog. Greenwashing.

 

1. Was und wen reguliert die Richtlinie?

Die Richtlinie ist produktbezogen und regelt als nachhaltig bezeichnete oder als nachhaltig vertriebene Investmentvermögen bzw. Fonds (nachhaltige Fonds). Im Ergebnis werden damit Anforderungen an die jeweilige Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) aufgestellt.

Bei einem Fonds, der einen die Nachhaltigkeit suggerierenden Namensbestandteil hat, erfolgt keine tiefergehende Prüfung; ein solcher Fonds zählt ohne weiteres als nachhaltig i.S.d. Richtlinie. Bei einem als nachhaltig vertriebenen Fonds dagegen ist zu prüfen, ob die Nachhaltigkeit im Vordergrund steht.

 

2. Wesentliche Regelungen

Liegt ein nachhaltiger Fonds vor, müssen sowohl die Verkaufsunterlagen (die BaFin nennt in dem Zusammenhang den Verkaufsprospekt) als auch die Anlagebedingungen gewisse Anforderungen erfüllen, damit die Nachhaltigkeit auch tatsächlich sichergestellt werden kann.

Hierbei gibt es drei Lösungswege: durch entsprechende Ausgestaltung der (i) Anlagegrenzen, (ii) der Anlagestrategie oder (iii) durch Nachbildung eines nachhaltigen Index.

a) Variante 1: Nachhaltige Vermögensgegenstände – produktbezogen

Der Fonds muss mindestens 75% (im Entwurf aus dem April waren es noch 90%) in nachhaltige Vermögensgegenstände (i.S.d. europäischen Offenlegungsverordnung (SFDR) und Taxonomieverordnung) investieren, wobei Angaben darüber aufzunehmen sind, welche Assets als nachhaltig angesehen werden. Grundsätzlich sollen Ausschlusskriterien (z.B. kein Erwerb von Unternehmen, die eine Stromerzeugung mit fossilen Brennstoffen betreiben, Streumunition herstellen oder Kinderarbeit einsetzen) mit positiven Vorgaben (z.B. Erwerb von Unternehmen, die mindestens XX Prozent des Umsatzes aus der Energiegewinnung mit erneuerbaren Rohstoffen generieren) verbunden werden.

Bei Investitionen in Zielunternehmen (inkl. über Finanzinstrumente in Emittenten) müssen diese a) einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung mindestens eines Umweltziels (z.B. Klimaschutz, Vermeidung und Verhinderung der Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosysteme) oder Sozialziels (z.B. Bekämpfung von Ungleichheiten, Förderung des sozialen Zusammenhalts oder eine Investition zugunsten wirtschaftlich oder sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen) i.S.d. SFDR bzw. Taxonomie-VO leisten, b) kein Umwelt- oder Sozialziel erheblich beeinträchtigen (do no significant harm-Prinzip) und c) eine gute Governance bzw. Unternehmensführung anwenden.
Entsprechendes gilt bei der Investition in Sachwerte (z.B. Immobilien).

b) Variante 2: Nachhaltige Anlagestrategie – nicht produktbezogen(?)

Es müssen bei mindestens 75% des Fonds Nachhaltigkeitsgesichtspunkte/-faktoren bei der Auswahl der Vermögensgegenstände eine entscheidende Rolle spielen oder es muss bei der Verwaltung des gesamten Investmentvermögens eine nachhaltige Anlagestrategie verfolgt werden (z.B. über eine Best-in-Class-Strategie). Die besondere Rolle von Nachhaltigkeitsgesichtspunkten bzw. die nachhaltige Anlagestrategie ist in den Anlagebedingungen näher darzustellen. Auch in dieser Variante ist das  do no signifcant harm-Prinzip und ggf. das Governance-Erfordernis einzuhalten.

Fraglich ist, inwiefern sich diese Variante von der Variante 1 (Nachhaltige Vermögensgegenstände) unterscheidet. Unseres Erachtens kann die Anlagestrategie nur eine eigenständige Bedeutung haben, soweit nicht schon das Zielinvestment selbst einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines Umwelt- oder Sozialziels leistet. Umgekehrt muss dies aber bedeuten, dass auch Faktoren außerhalb des Zielinvestments bzw. Produkts selbst berücksichtigungsfähig sind. Denkbar ist etwa bei einer Investition in eine Immobilie, dass diese zwar selbst nicht einen Beitrag zu einem Umwelt- oder Sozialziel leistet, aber der Mieter (z.B. wird die Immobilie an Greenpeace oder Amnesty International vermietet).

c) Variante 3: Nachbildung nachhaltiger Index

Es ist ein nachhaltiger Index nachzubilden. Hierbei ist ebenfalls das do no significant harm-Prinzip zu beachten und Emittenten bzw. Zielunternehmen müssen eine gute Governance haben. Dies kann durch entsprechende Ausschlusskriterien sichergestellt werden.

Hiermit kommt zum Ausdruck, dass der Index selbst insgesamt nicht nachhaltig i.S.d. SFDR/ Taxonomie-VO sein muss, da sonst von vornherein das do no significant harm-Prinzip eingehalten und eine gute Governance bei etwaigen Emittenten bzw. Zielunternehmen gegeben wäre.

Aus systematischen Gesichtspunkten bzw. im Vergleich zu den anderen Varianten, bei denen jeweils eine 75%-ige Mindestnachhaltigkeitsquote vorgeschrieben ist, dürften mindestens 75% der nachgebildeten Indexkonstituenten einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines Umwelt- oder Sozialziels leisten müssen. Dies ist denklogisch der Fall, wenn ein Index vollständig nachgebildet wird und 75% des Index nachhaltig i.S.d. Richtlinie ist.

Es erscheint letztlich unklar, inwiefern diese Variante eine eigenständige Bedeutung haben kann, wenn der Fonds doch wieder die einzelnen Titel prüfen muss.

In den Anlagebedingungen sind nähere Ausführungen zum Nachhaltigkeitscharakter dieses Index erforderlich. Der bloße Verweis auf die durch den Index-Anbieter festgestellte Nachhaltigkeit ist nicht ausreichend.

d) Negativbeispiele

Die Richtlinie enthält Negativbeispiele dazu, wann Ausführungen zur Nachhaltigkeit nicht ausreichend, da nicht hinreichend aussagekräftig sind. Dies erscheint auch sachgerecht, da der (potenzielle) Anleger erfahren sollte, welche Umwelt- und/ oder Sozialziele konkret verfolgt werden.

Die genannten Negativbeispiele lassen sich in vier Kategorien einteilen:

    • Die Ausführungen zur Nachhaltigkeit sind zu allgemein. Beispiele:
      • „Mehr als 75 Prozent des Wertes des Sondervermögens müssen in […] angelegt werden. Die Auswahl […] erfolgt nach ökologischen, ethischen und Governance-Nachhaltigkeitskriterien.“
      • „Das Sondervermögen setzt sich zu mehr als 75 Prozent aus unter Nachhaltigkeitskriterien ausgewählten […] von Ausstellern aus […] zusammen. Unter Nachhaltigkeit wird das Streben nach langfristigem wirtschaftlichem Erfolg unter gleichzeitiger Berücksichtigung ökologischer, sozialer und ethischer Grundsätze oder den Grundsätzen international und national anerkannter Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung verstanden.“
    • Nachhaltigkeitsaspekte werden lediglich berücksichtigt, statt dass sie (überwiegend) ausschlaggebend sind. Beispiele:
      • „Der Fonds berücksichtigt bei der Auswahl der Emittenten ethische, soziale und ökologische Kriterien.“
      • „Das Sondervermögen soll zu mehr als 75 Prozent seines Wertes in […] investieren, die unter Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte ausgewählt werden.“
    • Nachhaltigkeitsaspekte werden lediglich in der Zukunft strategisch berücksichtigt. Beispiel:
      • „Das Sondervermögen investiert überwiegend in Vermögensgegenstände, deren Aussteller nachhaltig wirtschaften. Unter Nachhaltigkeit versteht man eine zukunftsfähige Unternehmenspolitik unter strategischem Einbezug von ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten.“
    • Es werden lediglich Ausschlusskriterien ohne positive Vorgaben festgelegt. Beispiele für Ausschlusskriterien:
      • keine Streubomben;
      • kein Einsatz von Kinderarbeit;
      • keine Stromerzeugung mit fossilen Brennstoffen.

e) Bezugsgröße für die 75%-igen Mindestnachhaltigkeitsquoten, Auswirkungen von De-Investitionen

Der Entwurf äußert sich nicht unmittelbar zur Bezugsgröße für die 75%-igen Mindestnachhaltigkeitsquoten, sondern erwähnt lediglich in einigen (nicht allen!) aufgeführten Negativbeispielen den Wert des Fonds (s.o.). Die Fondskategorien-Richtlinie der BaFin, die einen ähnlichen Zweck bezüglich Assetklassen-Fonds (z.B. Aktienfonds, Rentenfonds) verfolgt, stellt auf den Wert ab, verlangt allerdings nur eine über 50%-ige Investition in die jeweilige Assetklasse.

Bei Abstellen auf den Wert wird die Handhabung der – ausdrücklich eingeräumten – Beimischungsmöglichkeit aufgrund der dauerhaften Pflicht, den Wert des Fonds zu überwachen, erheblich erschwert, und die Reduktion der Mindestnachhaltigkeitsquote auf 75% von 90% in gewisser Weise konterkariert. Auch ist unklar, wie mit Grenzverletzungen umzugehen ist – hierzu enthält der Entwurf keine Aussagen.

Unseres Erachtens sollte die BaFin daher erwägen, (auch) das (kostenbereinigte) Zeichnungskapital des Fonds als maßgebliche Bezugsquote für die Mindestnachhaltigkeitsquote zuzulassen.

In jedem Falle sollte geregelt werden, dass bloße passive Grenzverletzungen und De-Investitionen hinsichtlich nachhaltigen Zielinvestments keinen Verstoß begründen, der eine für die Anleger potenziell nachteilige Pflicht zur Beseitigung der Grenzverletzung (durch Veräußerung von nicht-nachhaltigen bzw. Neuinvestitionen in nachhaltige Anlagen) auslöst. Nur wenn und soweit Re-Investitionen durchgeführt werden, sollte eine neue Quotenberechnung erforderlich sein.
Auch nicht-allokierte bzw. -investierte Gelder sollten für Zwecke der Quotenberechnung außer Acht bleiben, zumindest vorübergehend nach dem vorangehenden Kapitalabruf.

 

3. Inkrafttreten, Bestandsschutz und Ausblick

Einen ausdrücklichen Zeitpunkt für das Inkrafttreten oder eine Übergangsfrist sieht der Entwurf nicht vor, womit die Richtlinie mit Veröffentlichung der finalen Fassung sofort anwendbar sein dürfte. Es könnte durchaus mit einem zeitnahen Inkrafttreten nach Ende der Konsultationsfrist zu rechnen sein.

Die Richtlinie wird nicht für Fonds gelten, deren Anlagebedingungen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Konsultationsfassung (nicht der finalen Fassung!) bereits genehmigt waren. Somit wird es Bestandsschutz geben, für den der maßgebliche Zeitpunkt (Genehmigung) jedoch bereits in der Vergangenheit liegt; kein Bestandsschutz wird gewährt für die bloße Einreichung zur Genehmigung vor Veröffentlichung des Entwurfs (erst recht nicht für die Einreichung bis zur Veröffentlichung der finalen Fassung).

Für die Fonds bzw. KVGen wird es jedenfalls im Dschungel der Nachhaltigkeitsregulatorik nicht einfacher, da nun nicht nur die europäische Regulierung, sondern auch noch eine nationale zu beachten sein werden.

 

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