Ein gewichtiger Spieler im Kampf gegen den Klimawandel ist der Kapitalmarkt. Die Transformation in eine C02-arme, nachhaltigere und ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft braucht Kapital, viel Kapital. Erklärtes Ziel des europäischen Gesetzgebers ist es deshalb, Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen umzulenken. Hierbei bedient er sich zweierlei Ansätze: der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden und der Offenlegung der Handhabung von Nachhaltigkeitsrisiken. Während die Nachhaltigkeitspräferenzen heute in aller Munde sind, führen die -risiken derzeit eher ein Schattendasein. Anlass genug, sich diesem Thema etwas genauer zu widmen.
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Berücksichtigung von Nachhaltigkeitspräferenzen
Ab August 2022 fragen Finanzdienstleister Anleger nicht mehr nur nach deren Anlageziele, Risikopräferenz und -tragfähigkeit und dem angedachten Anlagezeitraum. Sie ermitteln auch, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Anteil des Anlagebetrages in insbesondere ökologisch nachhaltige Finanzinstrumente angelegt werden soll. Was unter ökologisch nachhaltig zu verstehen ist, gibt die sogenannte Taxonomieverordnung vor, die jüngst infolge der Aufnahme von Atom- und Gaskraftwerken Gegenstand heftiger Diskussionen war.
Schnittstelle zwischen SFDR und MiFID II
Grund hierfür ist die Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253. Sie soll dem Thema Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft einen weiteren Schub verleihen und bildet eine Art Schnittstelle zwischen der Finanzmarktrichtlinie MiFID II und der Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation – SFDR) aus dem Jahre 2019.
Entsprechend schickt sich derzeit die gesamte Branche an, ihre Kundenbefragungs- oder kurz: WpHG-Bögen zu ergänzen und die entsprechenden Kundenangaben einzuholen. Entscheidet sich der Anleger für die Vorgabe von Nachhaltigkeitspräferenzen, so sind diese bei der Vermögensverwaltung strikt einzuhalten. Im Rahmen der Anlageberatung darf ein Finanzinstrument zwar auch dann empfohlen werden, wenn es den individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen nicht entspricht. Auf den fehlenden Match bei den Nachhaltigkeitskriterien muss der Finanzdienstleister jedoch deutlich hinweisen.
Mit dem Instrument der Nachhaltigkeitspräferenz setzt der Gesetzgeber auf das Verantwortungsbewusstsein der Anleger. Er geht davon aus, dass ein hinreichend bedeutender Anteil von Anlegern entweder Nachhaltigkeitskriterien als eine unerlässliche Voraussetzung für die dauerhafte Rentabilität einer Anlage ansieht oder nicht nur nach reinen Renditekriterien investieren, sondern darüber hinaus auch sozio-politische Aspekte in Gestalt von Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt wissen will.
Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken nach der SFDR
Unter Nachhaltigkeitsrisiken versteht der europäische Gesetzgeber Ereignisse oder Bedingungen im Bereich Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung (kurz: ESG), deren Eintritt erhebliche negative Auswirkungen auf den Wert der Investition haben kann (Art. 2 Nr. 22 SFDR). Er verknüpft mit dieser Definition das Thema Nachhaltigkeit mit der finanziellen Performance eines konkreten Investments.
Offenlegungspflichten und Einbeziehung ins Risikomanagement
Finanzdienstleister müssen nach der Offenlegungsverordnung relevante Nachhaltigkeitsrisiken – wie alle (anderen) einschlägigen finanziellen Risken auch – „in ihre Verfahren, einschließlich ihrer Sorgfaltsprüfungsverfahren, einbeziehen und fortlaufend bewerten (EG 12)“. In Vorvertraglichen Informationen müssen sie die Art und Weise, wie Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen im Rahmen der Vermögensverwaltung oder bei der Anlageberatung einbezogen werden, und die Ergebnisse der Bewertung der zu erwartenden Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf die Rendite der angebotenen Finanzprodukte erläutern (Art. 6). Erachtet ein Finanzdienstleister Nachhaltigkeitsrisiken als nicht relevant, erläutert er dies „klar und knapp“.
Spätestens ab dem 02. August werden Nachhaltigkeitsrisiken auch im Rahmen des wertpapierrechtlichen Risikomanagements berücksichtigt (Art. 23 n.F. MiFID II – Delegierte Verordnung).
Halbherzige Umsetzung
In der Praxis werden diese Pflichten derzeit eher halbherzig angegangen. Mehr als lustlose Pauschalsätze zur Erfüllung der Offenlegungspflichten finden sich selten. Das gesetzgeberische Ziel, nämlich Anleger in die Lage zu versetzen, fundierte Investmententscheidungen treffen zu können, in diesem Rahmen der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren Vorschub zu leisten und letztendlich die Widerstandsfähigkeit der Realwirtschaft und die Stabilität des Finanzsystems zu erhöhen (EG 19 SFDR), dürfte damit kaum erreicht werden.
Beratungspflichten zu Nachhaltigkeitsrisiken
Der eigentliche Hebel setzt woanders an. Geradezu versteckt und als Selbstverständlichkeit getarnt weist der Gesetzgeber der Offenlegungsverordnung in den Erwägungsgründen nämlich darauf hin, dass Finanzdienstleister in ihren Beratungsprozessen die Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen und einbeziehen müssen (EG 6).
Spätestens hier ist Schluss mit Plattitüden; nun gilt es Tacheles zu reden!
Eine anlagegerechte Beratung verlangt nach anlagespezifischen Erläuterungen, insbesondere in Hinblick auf die Risikoaufklärung. Dem Anleger muss konkret vor Augen geführt werden, welche Risiken er im Begriff ist, mit dem ihm vorgestellten Finanzprodukt einzugehen.
Alter Wein in neuen Schläuchen?
Streng genommen handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit, dass Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement aufgenommen werden, bei der Vermögensverwaltung Berücksichtigung finden und Gegenstand einer ordnungsgemäßen Beratung sein müssen. Für sie gilt nichts anderes wie für alle anderen finanziellen Risiken auch.
Nichtsdestotrotz hebt der europäische Gesetzgeber die Nachhaltigkeitsrisiken mit den hier besprochenen Regelungswerken auf eine höhere Stufe. Mit der ausdrücklichen Definition als anlagespezifische Risken und der Verpflichtung zur Berücksichtigung im Rahmen des anlegerschützenden Regimes der MiFID II bringt der Gesetzgeber deren besondere Bedeutung auch als finanzielle Risiken zum Ausdruck.
Nachhaltigkeitsrisiken im WpHG-Bogen
Konsequent erscheint es daher, bei der Kundenexploration nicht nur die gegebenenfalls als rein uneigennützig wahrgenommenen Nachhaltigkeitspräferenzen, sondern vielmehr auch die Bereitschaft des Anlegers, Nachhaltigkeitsrisiken zu tragen, zu erfragen. Gerade letzteres ist geeignet, ihm vor Augen zu führen, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren nicht (nur) rein altruistisch motiviert ist, sondern vielmehr (auch) in seinem ureigensten finanziellen Interesse liegt.
Haftungsprävention
Eine Abfrage der Bereitschaft, Nachhaltigkeitsrisiken zu tragen, dient aus Sicht des Finanzdienstleisters nicht nur der Compliance mit aufsichtsrechtlichen Anforderungen. Sie ist auch geeignet, im Rahmen eines proaktiven Legal Risk Managements Haftungsrisiken vorzubeugen. Ein hiernach befragter Anleger wird später schwerlich argumentieren können, zwar keine (altruistischen) Nachhaltigkeitspräferenzen gehabt zu haben, entsprechende Risiken aber auf keinen Fall in Kauf genommen haben zu wollen.
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