Mit der Markets in Crypto-Assets Regulation („MiCAR“) schafft der EU-Gesetzgeber erstmals einen Rechtsrahmen für Crypto-Assets. Die Vorschriften der MiCAR gelten teilweise bereits seit dem 30.06.2024 (Titel III und Titel IV in Bezug auf sog. Stablecoins). Ab dem 30.12.2024 werden die restlichen Vorschriften der MiCAR unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der EU gelten. Ein im Zusammenhang mit der MiCAR bislang weniger beachtetes Thema sind Crypto-Assets und deren umweltbezogenen Auswirkungen (Environmental, Social and Governance – „ESG“).
In dem heutigen Beitrag beleuchten wir das Thema Crypto & Sustainability. Dazu geben wir einen kurzen Überblick über die regulatorischen Anforderungen an die Offenlegung von ESG-Auswirkungen durch Crypto-Assets und zeigen auf, welche Herausforderungen in der Praxis bei der Umsetzung dieser Anforderungen bestehen.
Ein Beitrag von RA Awet Yohannes, Annerton & CEO Tim Zölitz, Crypto Risk Metrics
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MiCAR-Anforderungen an die Offenlegung von ESG-Auswirkungen durch Crypto-Assets
Wer Crypto-Assets in der EU ausgeben, öffentlich anbieten, handeln oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit Crypto-Assets erbringen möchte, hat die Vorgaben der MiCAR zu beachten. Eine Vorgabe, die der EU-Gesetzgeber mit der MiCAR einführt, ist die Offenlegung von bestimmten Informationen im Zusammenhang mit Crypto-Assets.
Zu veröffentlichen sind u.a. Informationen, die sich auf die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf das Klima und andere umweltbezogene Auswirkungen des Konsensmechanismus beziehen (vgl. Art. 66 Abs. 5 Satz 1 MiCAR für Crypto-Assets Service Provider (“CASP”)).
Diese Informationen sind dabei entweder an gut erkennbarer Stelle auf der Webseite der CASPs oder in einem sog. Kryptowerte-Whitepaper („Whitepaper“) zu veröffentlichen.
Die Pflicht zur Veröffentlichung von Informationen über die umweltbezogenen Auswirkungen des verwendeten Konsensmechanismus werden in der MiCAR an unterschiedlichen Stellen geregelt:
- Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 j) MiCAR (geregelt in Titel II in Bezug auf andere Kryptowerte),
- Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 h) MiCAR (geregelt in Titel III in Bezug auf vermögenswertreferenzierte Token),
- Art. 51 Abs. 1 UAbs. 1 g) MiCAR (geregelt in Titel IV in Bezug auf E-Geld-Token),
- Art. 66 Abs. 5 Satz 1 MiCAR (geregelt in Titel V in Bezug auf die Tätigkeit von Crypto-Asset Service Providers).
Wie genau die umweltbezogenen Auswirkungen innerhalb der EU-Gesetzgebung berücksichtigt werden, war innerhalb des Entstehungsprozesses der MiCAR lange Zeit unklar. Diskutiert wurden neben der vollständigen Ausblendung der Auswirkungen auch weitgehende Verbote, z.B. für den Betrieb von sog. Proof-of-Work-Blockchains. Der EU-Gesetzgeber hat sich letzten Endes für eine Offenlegungspflicht von Informationen entschieden, die die wichtigsten nachteiligen umweltbezogenen Auswirkungen des verwendeten Konsensmechanismus sowie der Validierung der Transaktionen innerhalb des Netzwerks beinhalten.
Konsensmechanismen werden für die Validierung von Transaktionen mit Crypto-Assets benötigt. Konsensmechanismen stellen Regeln und Verfahren dar, durch die eine Übereinstimmung mit DLT-Netzwerkknoten dahingehend erzielt wird, dass eine Transaktion validiert ist (Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 MiCAR).Es gibt unterschiedliche Konsensmechanismen (z.B. Proof-of-Work oder Proof-of-Stake), die unterschiedliche Auswirkungen auf das Klima haben können. So wurde medial allen voran der Konsensmechanismus des Proof-of-Work im Zusammenhang mit dem Mining von Bitcoins und dem damit aufgewendeten Energieverbrauch kritisiert, da dieser Vorgang erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt nach sich ziehe.
In der MiCAR selbst werden keine konkreten Anforderungen an den Inhalt, die Methoden und die Darstellung von Informationen zu den nachteiligen umweltbezogenen Auswirkungen festgelegt.
Vielmehr beauftragt der EU-Gesetzgeber die beiden Aufsichtsbehörden ESMA und EBA sog. Regulatory Technical Standards („RTS“) auszuarbeiten, mit denen u.a. Inhalt, Methoden und Darstellung von Informationen über die Nachhaltigkeitsindikatoren in Bezug auf nachteilige Auswirkungen auf das Klima und sonstige umweltbezogene nachteilige Auswirkungen geregelt werden.
ESMA konkretisiert MiCAR-Anforderungen durch RTS-Entwurf
Die ESMA hat am 03.07.2024 einen finalen Entwurf zu Nachhaltigkeitsindikatoren in Bezug auf nachteilige Auswirkungen auf Klima und Umwelt veröffentlicht. Die Europäische Kommission hat bislang noch nicht über die Annahme des finalen Entwurfs und den Erlass eines sog. Delegierten Rechtsakts (auch Level 2 Rechtsakt genannt) entschieden.
Nachfolgend die wichtigsten Takeaways aus dem finalen ESMA-Entwurf:
Für wen ist der ESMA RTS-Entwurf relevant?
- Ersteller von Kryptowerte-Whitepaper (“Person drafting crypto-asset white paper”)
- CASPs, die eine oder mehrere der folgenden Dienstleistungen anbieten:
- Betrieb einer Handelsplattform (“Operating a trading platform”),
- Umtausch von Crypto-Assets in Bar-, Giral- oder E-Geld (“Exchanging crypto-assets for funds”) oder
- Umtausch von Crypto-Assets in andere Crypto-Assets (“Exchanging crypto-assets for other crypto-assets“)
- alle anderen CAPS, die nur andere als die zuvor benannten Dienstleistungen erbringen (“CASPs only providing services other than those listed above”).
Welche Anforderungen stellt die ESMA an Datenverfügbarkeit und -zuverlässigkeit
- Die Daten müssen dauerhaft und einfach zugänglich auf der Webseite von CASPs abrufbar sein.
- Die Daten müssen einmal jährlich aktualisiert werden (sog. Regular-Update).
- Bei signifikanten Änderungen (“material changes”) muss allerdings ad-hoc aktualisiert werden (sog. Event-Driven-Update).
Welche Inhalte, Methoden und Darstellungen sind relevant?
- Veröffentlicht muss stets ein Schlüsselindikator. Dieser Schlüsselindikator ist der Energieverbrauch des Crypto-Assets pro Jahr
- Sofern dieser Schlüsselindikator einen Grenzwert von 500.000 kWh überschreitet, müssen fünf weitere Indikatoren veröffentlicht werden (sog. “one-plus-five-approach”)
- Ausgenommen sind CASPs, die weder eine Handelsplattform betreiben noch Crypto-Assets in Bar-, Giral- oder E-Geld oder in andere Crypto-Assets umtauschen; diese CASPs müssen nur den Schlüsselindikator veröffentlichen
- Neben den quantitativen Indikatoren müssen auch qualitative Informationen offengelegt werden. Dazu zählen z.B. Stammdaten zum Crypto-Asset, Beschreibungstexte bzgl. des Konsensmechanismus, Datenquellen, angewendete Methodik in der Berechnung der Indikatoren etc.
Die wichtigsten Nachhaltigkeitsindikatoren, die als Informationen u.U. veröffentlicht werden müssen, sind insbesondere
- Gesamtenergieverbrauch (kWh) pro Jahr
- Verbrauch erneuerbarer Energien (%)
- Energieintensität pro Transaktion (kWh)
- Scope-1- und Scope-2-Treibhausgasemissionen (TCO2e)
(vgl. hierzu auch die tabellarische Übersicht weiter unten)
Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung
Die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen einer „ESG-Compliance“ im Zusammenhang mit Crypto-Assets stellt die Praxis vor Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Datenerfassung. So stellt insbesondere die Berechnung der Indikatoren eine praktische Herausforderung dar, da hierfür zunächst die im Distributed-Ledger-Netzwerk beteiligten Entitäten und deren Energieverbrauch bestimmt werden müssen. Auch die entsprechenden Datenquellen können zur praktischen Herausforderung werden, da durch die Individualität der Netzwerke die notwendigen Datenquellen variieren können und so der Erhalt von verlässlichen Informationen zu den Nodes innerhalb der Netzwerke erschwert werden kann. Hierfür können u.U. die Nutzung bestimmter Suchalgorithmen (sog. „Crawler“) behilflich sein. Bei den Datenquellen sind auch Angaben zu den Stromverbräuchen der Hardware notwendig, auf denen die notwendige Software zum Betreiben eines Nodes ausgeführt wird. Diese Daten können zwar in Messverfahren empirisch erhoben werden, jedoch gestalten sich die Messungen als komplex, da pro Netzwerk unterschiedlichste Hardwarekomponenten und i.d.R. mehrere Software-Clients zur Verfügung stehen und damit schnell eine hohe Anzahl an möglichen Kombinationen notwendig wird. Hinzu kommt, dass diese Daten mit Daten bzgl. der Energiemixe von den Standaorten der Nodes im Hinblick auf den Anteil der erneuerbaren Energien und dem CO2 Ausstoß pro Menge Energie zu kombinieren sind.
Fazit
Die regulatorischen Anforderungen an die Offenlegung von Informationen, die die umweltbezogenen Auswirkungen durch Crypto-Assets beinhalten, stellt die Praxis vor Herausforderungen. Insbesondere Inhalt, Methoden und Darstellungen der Informationen sind neue Anforderungen, die es in der Praxis noch zu bewältigen gilt. Die neuen Anforderungen ziehen einen erheblichen Mehraufwand nach sich (so z.B. beim Monitoring der Daten auf material changes). Zur Erfüllung der Offenlegungspflichten kann auch auf spezialisierte Drittanbieter zurückgegriffen werden, die für eine MiCAR-Compliance rund um die umwelt- und klimabezogenen Auswirkungen im Zusammenhang mit Crypto-Assets sorgen.
Anhang 1: Tabellarische Übersicht
(Quelle: Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH)
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