Die fachliche Eignung – ein Hindernislauf auf dem Weg zum Geschäftsleiter

Die fachliche Eignung – ein Hindernislauf auf dem Weg zum Geschäftsleiter | von Annerton Anwalt Joerg streissle

Wer zum Geschäftsleiter eines Kredit-, Zahlungs- oder Wertpapierinstituts (im Folgenden auch nur: Institut) bestellt werden will, muss dafür hinreichend qualifiziert sein. Von seiner Eignung überzeugen muss der Geschäftsleiter-Aspirant nicht nur den Aufsichtsrat beziehungsweise die Gesellschafter des betreffenden Instituts, sondern vielmehr auch die strengen Aufseher von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), der Bundesbank und gegebenenfalls gar der Europäischen Zentralbank (EZB).

Die Anzeige der Bestellungsabsicht

Ein Institut hat die Absicht, einen Geschäftsleiter zu bestellen, im Vorfeld gegenüber den zuständigen Aufsichtsbehörden anzuzeigen. Inhalt und Umfang der Anzeigen sind für Kredit- und Zahlungsinstitute in den jeweiligen Anzeigeverordnungen, für Wertpapierinstitute in Anhang III der Durchführungsverordnung (EU) 2017/1945 detailliert vorgegeben. Die Anzeigen sind auf Basis der Musterformulare zu erstatten.

In der Praxis sind die Institute gut beraten, ihre Bestellungsabsicht nicht nur anzuzeigen, sondern vielmehr auch die „Freigabe“ in Gestalt eines Schreibens der Aufsichtsbehörden, dass gegen die beabsichtigte Bestellung keine Bedenken bestehen, abzuwarten. De facto gleicht das Procedere somit eher einem Zulassungs- denn einem bloßen Anzeigeverfahren.

Anforderungen an die Geschäftsleiter

Geschäftsleiter müssen fachlich geeignet und zuverlässig sein.

Liegen keine konkreten Anhaltspunkte für die mangelnde Zuverlässigkeit des zu bestellenden Geschäftsleiters vor, wird diese vermutet. Anhaltspunkte, die gegen die Zuverlässigkeit sprechen, sind insbesondere einschlägige Einträge im Führungszeugnis mit Bezug zu Vermögens-, Steuer- oder Geldwäschedelikten und aufsichtliche Maßnahmen gegen den zu bestellenden Geschäftsleiter oder ein Unternehmen, in dem dieser tätig war oder ist. In Betracht kommen aber auch Verstöße gegen Ordnungsvorschriften, wie z.B. eine auffällige Anzahl an Trunkenheitsfahrten, oder Interessenkonflikte in der Person des Kandidaten.

Fachliche Eignung im Zentrum der Fit & Proper – Prüfung

Das Herzstück der aufsichtlichen Eignungsprüfung angehender Geschäftsleiter- im Fachjargon: Fit & Proper – Prüfung – ist deren fachliche Eignung. Der erfolgreiche Aspirant muss über sowohl theoretische Kenntnisse als auch praktische und Leitungserfahrung verfügen. Den anzulegenden Maßstab hat die BaFin in ihrem Merkblatt zu Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB aus dem Jahr 2020 definiert; für Wertpapierinstitute dürfte er nicht minder gelten.

Königsweg Regelvermutung

War ein zu bestellender Geschäftsleiter mindestens drei Jahre bei einem Institut leitend tätig, gehen die Aufsichtsbehörden regelmäßig davon aus, dass diese Person zur Leitung eines Instituts vergleichbarer Größe und Geschäftsart fachlich geeignet ist. Im Fall eines „horizontalen“ Wechsels von der Geschäftsleitung eines Instituts zur Geschäftsleitung des nächsten Instituts verzichten die Aufsichtsbehörden auf eine vertiefte Beurteilung der fachlichen Eignung; sie wird vermutet.

Die Vermutung kommt jedoch nur bei einem Wechsel innerhalb derselben „Institutsklasse“, also von Kredit- zu Kredit-, von Wertpapier- zu Wertpapier- und von Zahlungs- zu Zahlungsinstitut zum Tragen. Selbst bei einem Wechsel von einer „Vollbank“ zu einem Zahlungsinstitut – so unsere Erfahrung – unterziehen die Aufsichtsbehörden die fachliche Eignung einer genaueren Prüfung bzw. erteilen Auflagen.

Die individuelle Einzelfallprüfung als Kärrnerarbeit

Greift die Regelvermutung nicht ein, ist die fachliche Eignung des Kandidaten im Detail darzulegen. Je nach Einzelfall kann damit erheblicher Aufwand verbunden sein.

Theoretische Kenntnisse

Die erforderlichen theoretischen Kenntnisse können durch abgeschlossene Berufsausbildungen, Studiengänge und Lehrgänge nachgewiesen werden. Die BaFin verweist in ihrem Merkblatt insbesondere auf Studiengänge mit volkswirtschaftlichen, betriebswirtschaftlichen, steuerrechtlichen, allgemeinrechtlichen und bankwirtschaftlichen Inhalten. Auch eine hinreichend breit angelegte Berufspraxis erkennt die BaFin an. Die konkreten Anforderungen bestimmen sich letztendlich anhand der zu besetzenden Position und den damit verbunden Aufgaben.

Leitungserfahrung

Der zu bestellende Geschäftsleiter muss über ausreichende Leitungserfahrung verfügen. Diese kann durchaus auch bei Unternehmen, die keine Institute sind, erworben werden. Die dem Kandidaten hierbei übertragene Führungsverantwortung muss er in Eigenverantwortung mit Entscheidungskompetenz ausgeübt haben. Die konkreten Anforderungen an seine Leitungserfahrung bestimmt die BaFin einzelfallspezifisch anhand der Größe und Bedeutung des anzeigenden Instituts und der Ausgestaltung der zu besetzenden Position. Erfahrungsgemäß sind die von der BaFin hier angesetzten Maßstäbe nicht übermäßig hoch.

Praktische Erfahrungen

Eine erheblich höhere Hürde stellen in der gängigen Aufsichtspraxis die Anforderungen an die praktischen Erfahrungen dar. Die BaFin zieht nur Erfahrungen heran, die bei lizensierten Instituten in der Ausübung hierarchisch hoch angesiedelter und mit entsprechenden Kompetenzen versehener Tätigkeiten erworben wurden. Die „bloße“ Leitung eines Fachbereichs, wie beispielsweise der Rechtsabteilung oder einer Risiko Controlling Einheit reichen hier allermeist nicht aus.

Großen Wert legt die BaFin auf Erfahrungen mit spezifisch aufsichtsrechtlichen Themen. Explizit spricht sie von ZAG- bzw. KWG- oder WpIG-spezifischen Themen einschließlich des Risikomanagements auf Basis der Mindestanforderungen für das Risikomanagement (MaRisk) bzw. der korrespondieren ZAG-MaRisk, die bislang noch im Entwurf vorliegt.

Eine direkte Beförderung von einer operativen Leitungsfunktion in die Geschäftsleitung eines Instituts ist auf Basis dieser Verwaltungspraxis somit oftmals ausgeschlossen.

Assoziiertes Mitglied der Geschäftsleitung als goldene Brücke

Als ein aus Sicht der Aufsicht gangbarer Weg hat sich eine schrittweise Heranführung an die Position als Geschäftsleiter erwiesen: anstelle der sofortigen Bestellung zum vollwertigen Mitglied der Geschäftsleitung wird der Kandidat zunächst zum nicht stimm- aber uneingeschränkt redeberechtigen, assoziierten Mitglied der Geschäftsleitung ohne Organstellung berufen. Nach einer Einarbeitung von erfahrungsgemäß 12 – 24 Monaten ist die Bafin dann oftmals bereit, von nunmehr hinreichenden praktischen Erfahrungen auszugehen.

Tätigkeits- und Projektbeschreibungen zur Ergänzung des Lebenslaufs

Den Anzeigen der Bestellungsabsicht sind stets Lebensläufe der Kandidaten beizufügen. Inhalt und weitgehend auch die Formate sind in den Anzeigeverordnungen bzw. der Durchführungsverordnung (EU) 017/1945 detailliert vorgegeben. Platz für ergänzende Erläuterung, welche Erfahrungen mit einzelnen Aufgaben und Projekten gewonnen werden konnten, besteht meist nicht.

Gerade bei Kandidaten, die nicht die Regelvermutung für sich in Anspruch nehmen können, ist die bloße Auflistung der bisherigen beruflichen Stationen oftmals nicht hinreichend aussagekräftig. Die Aufsichtsbehörde kann dem Lebenslauf nicht entnehmen, welche Erfahrungen der Kandidat im Einzelnen bereits hat gewinnen können. In der Aufsichtspraxis hat es sich daher als sehr hilfreich erwiesen, neben dem vorstrukturierten Lebenslauf eine detaillierte Beschreibung der einschlägigen bislang wahrgenommenen Funktionen und Aufgaben einschließlich einzelner Projekte einzureichen. Eine solche Anlage bietet die Möglichkeit, frei von formalen Zwängen detailliert und individuell herauszuarbeiten, welche konkreten praktischen Erfahrungen in den aufsichtsrechtlich relevanten Bereichen der Kandidat in seinen bisherigen Tätigkeiten sammeln konnte – auch wenn er bislang noch keine Geschäftsleiterposition in einem regulierten Unternehmen inne hatte.

Gerade Personen aus der Beraterbranche oder (ehemalige) Mitglieder von Aufsichtsräten bei Instituten können damit bei den Aufsichtsbehörden etliche Pluspunkte sammeln.

Essentiell ist hierbei eine tiefgehende Analyse der einzelnen Tätigkeiten mit klarem Fokus auf die aufsichtsrechtlich relevanten Aspekte.

Schulungen zu aufsichtlichen Themen

In der jüngeren Vergangenheit macht die BaFin nach unseren Erfahrungen auch mehr und mehr davon Gebrauch, Kandidaten, die nicht zu 100 % die Regelvermutung für sich in Anspruch nehmen können, eine Schulung zur Auflage zu machen. Gegenstand sollen in der Regel allgemeine aufsichtlichen Themen und die Bereiche Compliance, Geldwäscheprävention, Risikomanagement und Datenschutz sein, was sich in zwei Schulungstagen abdecken lässt.

Gerne nutzen auch bereits bestellte Geschäftsleiter und Funktionsträger wie Compliance oder Geldwäschebeauftragte die Gelegenheit, ihre theoretischen Kenntnisse über das regulatorische Umfeld ihrer Tätigkeit etwas aufzufrischen und nehmen an den Schulungen teil. Erfahrungsgemäß ergibt sich dann schnell ein konkreter Praxisbezug zu den behandelten Themen, was nicht nur die Schulung zu den – zugegebener Maßen – teilweise doch eher trockenen Themen erheblich auflockert, sondern dem „Neuen“ auch gleich eine wertvolle Einführung in die anstehenden Themen des anzeigenden Instituts vermittelt und angesichts des einen oder anderen Tipps des Referenten auch dem anzeigenden Institut einen Mehrwert bietet.



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