„Gerechtere“ Händlerentgelte für die Akzeptanz des Digitalen Euros?

„Gerechtere“ Händlerentgelte für die Akzeptanz des Digitalen Euros? 1

In ihrer Charmeoffensive für den Digitalen Euro (D€) nimmt die EZB insbesondere den Händler ins Visier. Da hat sie es argumentativ leichter als bei den Konsumenten, deren Vorteile auf Anhieb und auch nach langem Nachdenken nicht offensichtlich sind. Laut EZB wäre der D€ für den Handel eine „kostengünstigere Alternative zur derzeitigen fragmentierten Zahlungslandschaft[1]. Gleichzeitig soll (nur) der Händler über die Akzeptanzentgelte sämtliche Kosten zuzüglich angemessener Gewinnspanne der involvierten Zahlungsdienstleister („intermediäre“) auf Zahler- und Zahlungsempfängerseite finanzieren. So ist es im derzeitigen Konzept des sog. Kompensationsmodells geregelt, das der EZB und der Europäischen Kommission vorschwebt. Die Rechnung könnte mathematisch nur aufgehen, wenn das neue Zahlungssystem wesentlich kostengünstiger wäre als die bestehenden. Kostenschätzungen liegen aber noch nicht vor. Noch herrscht das Prinzip Hoffnung.

Einen weiteren Vorteil für den Handel nannte vor einigen Monaten das EZB-Vorstandsmitglied Pierro Cipollone. Er moniert (ohne Nennung konkreter Zahlen) die hohen Card Scheme Fees, die die kartenakzeptierenden Händler in Europa an die Schemes Mastercard und Visa zahlen müssen:

This costs European merchants a lot of money. They collectively pay a significant amount each year to international card schemes like Visa or Mastercard. And the cost is mostly borne by smaller merchants, who incur charges three to four times higher than those of their larger competitors. A digital euro would include safeguards for merchants by capping the fees they pay to banks for processing payments. A digital euro would thus narrow the gap between what smaller and larger merchants are charged for digital payments.”[2]

Stimmen die Aussagen? Würden die D€-Händlerentgelte bedingt durch eine Preisobergrenze zu einer Nivellierung führen?

Hintergrundfakten

Das Händlerentgelt für die Akzeptanz einer Kartenzahlung besteht (außer Terminalkosten) in der Regel aus drei Komponenten:

  • Interchange Fee (Einnahme für den Issuer in % des Transaktionsbetrages),
  • Scheme Fee (Entgelte des jeweiligen Card Scheme inkl. Processing Fees erhoben als Entgelt pro Transaktion und Entgelt in % des Umsatzes),
  • Acquirer Entgelt (Vergütung für die Dienstleistungen des Acquirers).

Gemäß Art. 9 der EU Interchange Fee Regulation (EU Regulation 2015/751) kann jeder Händler von seinem Acquirer eine Aufschlüsselung dieser Gebühren verlangen („unblended fees“). Viele – insbesondere kleinere Händler – verzichten allerdings freiwillig auf die Transparenz oder die Aufschlüsselung ist so komplex, dass sie keinen Mehrwert bringt.

Verwechslung von MSC und Scheme Fees

In seiner Aussage „And the cost is mostly borne by smaller merchants, who incur charges three to four times higher than those of their larger competitors“ vermischt Cipollone zwei Ebenen. Die „cost“ bezieht sich auf die Scheme Fees, die Spanne zwischen kleinen und großen Händlern bezieht sich gemäß Quelle auf das gesamte Händlerentgelt (MSC: Merchant Services Charges). Die Scheme Fees sind im Fall der „unblended fees“ für kleine Händler pro Transaktion nicht höher als für große Händler, da sie als Entgelt pro Transaktion und als Prozent vom Transaktionsumsatz erhoben werden.[3] Es ist zu vermuten, dass im Acquiring-Geschäft die 70/30- (oder sogar 80/20-) Regel gilt: 30% der Kartentransaktionen werden bei 70% der (kleineren) Händler bzw. 70% der Transaktionen bei 30% der (großen) Händler generiert. Demnach würden 70% der Scheme Fees von großen Händlern entrichtet. Die These, dass die Scheme Fees – mit Verweis auf die MSC-Spanne – vorwiegend von kleinen Händlern getragen werden („mostly borne by smaller merchants“) ist nicht haltbar.

Auch wenn sich die Kosten auf das gesamte Händlerentgelt (MSC) beziehen, bedeutet die Preisspanne nicht, dass vorwiegend die kleinen Händler die Kosten des Acquirers tragen. Wenn ein Acquirer zwei Händler hätte (Kiosk an der Ecke und ein bundesweiter Discounter), finanziert der Discounter nahezu 100% seiner Kosten. Wegen der Fixkosten sind die Kosten per Transaktion bei einem kleinen Händler höher als bei einem großen Händler. Außerdem betreiben Acquirer oft eine Mischkalkulation.

Führt ein Preislimit zu geringerer Preisspanne?

Nun zu Cipollone´s These: Die regulierte Händlergebühr für die Akzeptanz des D€ mittels eines Preislimits würde die Spanne zwischen der niedrigsten und höchsten Gebühr verringern. Erstens führt ein Limit nicht automatisch zu niedrigeren Preisspannen. Und: Wie wird das Limit festgelegt? Es ist davon auszugehen, dass es ein einheitliches Limit geben wird (also keine unterschiedlichen Limits nach Größe des Händlers, Präsenzgeschäft oder E-Commerce).

Die geplante EU D€-Regulation sieht gemäß Art. 17 (2) zwei Methoden vor.

Im Kostenansatz (Methode 1) wird der Regulator in der Gruppe der „most cost-efficient“ Händler-PSP voraussichtlich die durchschnittlichen Kosten (+ angemessenen Gewinn) als Basis für das Limit auswählen. Wenn ein kosteneffizienter Händler-PSP ein vergleichbares Händler-Portfolio hat, wird er bis zum Limit einheitlich anbieten (keine Mengenrabatte für Big-Merchants; das würde seinen Gewinn schmälern bzw. zu Verlusten führen). Ein Acquirer, der sich nur auf das Segment „small merchants“ fokussiert, macht bei Preisen in Höhe des Limits Verlust (Annahme: Preisdifferenzierung ist kostenbasiert). Um Marktverwerfungen zum Nachteil kleiner Händler zu vermeiden, müsste ein vernünftiger Regulator demnach die durchschnittlichen Kosten des Händlersegments mit den höchsten Kosten (+ Gewinnspanne) pro Transaktion festlegen (z. B. kleine Händler im E-Commerce).

Wie wird das Limit gemäß Methode 2 (“comparable means of payment”) ermittelt? Die geplante Regulation schweigt dazu. Durchschnitt, höchster oder niedrigster Preis? Da es sich um ein Limit handelt, wird man hier logischer- und vernünftigerweise (wie bei Methode 1) wohl den höchsten Preis (kleine Händler) als Limit festlegen müssen.

In beiden Fällen gäbe es bei einem einheitlichen Limit weiterhin eine Preisdifferenzierung.

Zwei Randbemerkungen

Die geplante Verordnung sieht vor, dass von den beiden Methoden diejenige angewendet werden soll, die zum niedrigsten Limit führt. Methode 2 führt demnach logischerweise in der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung immer zu einem Defizit (nicht kompensierte Kosten) für die Distributoren.

Methode 1 basiert auf der Gruppe der „most-cost efficient” Händler-PSP. Sie setzt ein einheitliches Produkt bzw. Dienstleistung voraus, dass es in der Realität auch beim D€ nicht geben wird. Möchte ich mich als Händler im Kundenservice mit einem Chatbot herumschlagen oder mit einem Acquirer, bei dem eine Person im Callcenter erreichbar ist und mir abends noch jemand das defekte Terminal austauscht? Die Realität zeigt, dass (kleine) Händler für einen besseren Service gerne mehr bezahlen wollen.

Das kommt mir spanisch vor

Seit Mitte Februar steht im Europäischen Rat anlässlich eines Diskussionspapiers der spanischen Regierung das Kompensationsmodell zur Diskussion. Da die Kosten der Distributoren zum Start des D€ noch nicht bekannt sind, schlägt die spanische Regierung für eine Übergangsperiode von 5 Jahren einen Verzicht auf Methode 1 vor. Stattdessen soll sich die Inter-PSP-Fee nach der in der IFR (2015) regulierten Interchange Fee für Debitkarten (Limit 0,2%) richten. Für das MSC-Limit gilt weiterhin Methode 2, aber mit einer weiteren Obergrenze in Höhe des durchschnittlichen MSC-Levels für Debitkarten in der Eurozone.

Die oben genannte (übertriebene) Aussage von Cipollone einer drei- bis vierfachen Spanne (die sich laut Quelle nur auf den Faktor 1:3 in Deutschland bezieht) wird nun als Fakt für die gesamte Euro-Zone postuliert. Das zusätzliche MSC-Limit in Höhe der durchschnittlichen MSC für Debitkarten soll nun kleinere Händler vor „überhöhten“ MSC schützen, da die Acquirer auch bei den vergleichbaren Zahlungsmitteln (Methode 2) in der Regel Preisdifferenzierung betreiben. Wenn nun die Inter-PSP-Fee 0,2% und die Acquirer-Kosten für den D€ mit denen der Debitkarte vergleichbar sind, führt das Limit in Höhe des durchschnittlichen Debitkarten MSC-Levels zu Verlusten im Segment der kleinen Händler. Nun könnten die Acquirer sich aus diesem defizitären Geschäft zurückziehen. Der Vorschlag, der jetzt auf dem Tisch liegt, sieht allerdings für den Acquirer einen Kontrahierungszwang vor. Die Regulatoren übersehen, dass die für kleine Händler höheren Preise pro Transaktion vorwiegend kostengetrieben sind.

Die erzwungene Preisnivellierung zum Schutz der kleinen Händler vor den „bösen“ Acquirern ist zwar gut gemeint, aber das Gegenteil von gut ist bekanntlich gut gemeint. Falls der spanische Vorschlag auf fruchtbare Erde fällt, sollen sich die Acquirer übrigens warm anziehen. Neben dem erzwungenen Defizitgeschäft droht eine Flut von weiteren Vorschriften und umfassenden Vorgaben für das Reporting von Kosten und Preisen an die Kommission und die EZB.

 

Quellen:

[1] https://www.ecb.europa.eu/euro/digital_euro/faqs/html/ecb.faq_digital_euro.de.html

[2] https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2024/html/ecb.sp240923~cccba29006.en.html. Für die Aussage, dass die Händlerentgelte kleinerer Händler um das drei- bis vierfache höher liegen als für große Händler bezieht sich Cipollone auf die jährliche EHI-Erhebung in Deutschland (Stand 2023). Die Differenz zwischen den Händlerentgelten für kleine Händlern und Key Accounts ist 2023 laut dieser Quelle „nur“ Faktor 3 (bei Mastercard und Visa): Die Disagio-Spanne beträgt 0,5 bis 1,5%.

[3] Einen Überblick der derzeitigen Scheme Fees für deutsche Händler finden Sie z. B. auf der Website des Acquirers Worldline: https://worldline.com/content/dam/worldline/global/documents/brochures/scheme-fees-germany.pdf



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