Digitale Zahlungsmittel sind im öffentlichen Diskurs präsenter denn je; nicht zuletzt aufgrund des neuen Phänomens der „Crypto-Payments“, d.h. bargeldlose Zahlungen mithilfe der sog. Distributed Ledger Technology („DLT“). Bislang ungeklärte Streitfragen rund um das Thema bargeldlose Zahlungen (Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Giralgeld und E-Geld?) nehmen dadurch wieder an Fahrt auf: denn neuerdings stellt sich die Abgrenzungsfrage zwischen Giralgeldtoken und E-Geld-Token! Einen ersten Ein- und Überblick gibt unser Beitrag vom 08.10.2024 Zahlungstoken im aufsichtsrechtlichen Spannungsverhältnis zwischen MiCAR & PSD2/EMD2 bzw. künftig PSD3/PSR.
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Mit dem vorliegenden Beitrag wollen wir die derzeit vermehrt auftretende These überprüfen, ob E-Geld nur von E-Geld-Instituten oder auch von z.B. Kreditinstituten ausgegeben werden darf und wie die Praxis hierzu aussieht.
Emission von E-Geld (nur) von E-Geld-Instituten – stimmt das?
In Veröffentlichungen – insbesondere der „Kryptoszene“ – begegnet man immer öfters folgende These oder einem Diagramm, das Folgendes suggeriert:
Giralgeld wird (nur) von Kreditinstituten und E-Geld (nur) von E-Geld-Instituten herausgegeben.
Siehe z. B.
- die unten dargestellte Abbildung 1 in der Veröffentlichung des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. („BDI“) und der Deutschen Kreditwirtschaft („DK“) „Commercial Bank Money Token“ (vom 17. Juli 2024) [1] sowie
- die fast identische Abbildung im Beitrag der Deutschen Bank „CBDCs in Europe: retail and whosale project to follow“ (16. November 2023)[2]
- oder auch im Jahresgutachten 2024/2025 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (13. November 2024). Dort übernimmt der Sachverständigenrat diese irreführende Darstellung (Seite 168, Abb. 58).[3]
(Quelle: https://english.bdi.eu/publication/news/commercial-bank-money-token)
Und was stimmt jetzt?
- Die erste Aussage stimmt. Das Giralgeld ist nur Kreditinstituten vorenthalten.
- Die zweite These stimmt dagegen nicht. E-Geld kann sowohl von Kredit- als auch E-Geldinstituten herausgegeben werden (sog. E-Geld-Emittenten). Dies geht eindeutig aus der Zweiten E-Geld-Richtlinie 2009/110/EG (E-Money Directive 2 – „EMD2“) hervor, wonach Kreditinstitute im Sinne des Art. 1 Abs. 1 lit. a) EMD2 ebenso E-Geld-Emittenten sind wie E-Geld-Institute im Sinne des Art. 1 Abs. 1 lit. b) EMD2.
Wie sieht es in der Praxis aus?
In der Praxis wird – zumindest in der EU – das meiste E-Geld von Kreditinstituten (ca. 80 bis 90% in Bezug auf das E-Geld-Zahlungsvolumen) in Umlauf gebracht. Man denke an PayPal (Herausgeber des E-Gelds: PayPal (Europe) S.à r.l. et Cie, S.C.A., ein Kreditinstitut mit Sitz in Luxemburg) und an den in Europa dominierenden Prepaidkartenmarktin Italien, in dem diese Karten vorwiegend von Kreditinstituten herausgegeben werden.
Falsche These führt zu (Folge-)Problemen
Die falsche These, E-Geld wird nur von E-Geld-Instituten herausgegeben, führt demnach oft zur ebenfalls falschen Schlussfolgerung gerade in Bezug auf die sog. „Crypto-Payments“:
E-Geld-Token können nur von E-Geld-Instituten herausgegeben werden und nicht (auch) von Kreditinstituten. Letztere können hingegen (nur?) Giralgeldtoken (auch „tokenised deposits“ genannt) herausgeben.
Leider ist dem nicht so. Ein Kreditinstitut kann beide tokenisierten Geldformen zur Verfügung stellen. Das zeigt bereits Art. 48 Abs. 1 lit. a) der Markets in Crypto-Assets-Regulation („MiCAR“), der als E-Geld-Token-Emittenten sowohl das Kreditinstitut als auch das E-Geld-Institut vorsieht.
In der Folge stellt sich die schwierige und in der Literatur bislang nicht zufriedenstellend gelöste Frage, was tokenisiertes Giralgeld von einem E-Geld-Token unterscheidet.
Verkürzt geht es um die aufsichtsrechtliche Einordnung von Zahlungstoken:
- während E-Geld-Token, d.h. auf der Basis der sog. Distributed Ledger Technology (v.a. Blockchain) ausgegebenes E-Geld, unstreitig nach der MiCAR geregelt werden,
- ist die aufsichtsrechtliche Einordnung der sog. Giralgeldtoken, d.h. Giralgeld auf DLT-Basis, umstritten, da diese – wohl – aus dem Anwendungsbereich der MiCAR fallen sollen (und in den Anwendungsbereich der Einlagensicherungsrichtlinie, vgl. Art. 2 Abs. 4 lit. b) MiCAR).
Ausblick
Vermutlich muss man zuerst die ebenfalls offene Frage nach der eindeutigen Unterscheidung zwischen herkömmlichen Einlagen und E-Geld beantworten.
Im Europäischen Rat wird im Zusammenhang mit der geplanten Zusammenlegung PSD2 und EMD2 durch die PSD3 bzw. PSR diese längst hinfällige Klarstellung auf Initiative der litauischen Regierung erfreulicherweise diskutiert.
Der Ausgang bleibt abzuwarten, stimmt aber – passend zur Adventszeit – hoffnungsvoll.
[1] https://english.bdi.eu/publication/news/commercial-bank-money-token
[2] https://flow.db.com/cash-management/cbdcs-in-europe-retail-and-wholesale-projects-to-follow#!
[3] https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/publikationen/jahresgutachten.html