Sonderregelungen für die Umsatzbesteuerung von Gutscheinen seit 1.1.2019
Mit Wirkung ab dem 01.01.2019 gelten neue Regelungen für die Umsatzbesteuerung des Vertriebs von Gutscheinen (§ 3 Abs. 13 bis Abs. 15 UStG). Dazu habe ich in meinem Blogbeitrag „Einzweck-Gutschein? Oder Mehrzweck? Änderung bei der Umsatzbesteuerung von Gutscheinen“ berichtet.
Nach den Neuregelungen ist umsatzsteuerlich zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen zu unterscheiden. Ein Einzweck-Gutschein (EZG oder SPV für single-purpose voucher) liegt vor, wenn der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf den sich der Gutschein bezieht und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen (§ 3 Abs. 14 S. 1 UStG). Vereinfacht ausgedrückt wird bei dem Vertrieb eines EZG eine Liefer- oder Leistungskette fingiert. Die Umsatzsteuer entsteht dabei bereits bei der Übertragung des Gutscheins.
Ganz anders erfolgt die Umsatzbesteuerung, wenn ein Gutschein nicht die Voraussetzungen eines EZG erfüllt und damit ein Mehrzweck-Gutschein (MZG oder MPV für multi-purpose voucher) anzunehmen ist (§ 3 Abs. 15 S. 1 UStG). Bei dem Vertrieb eines MZG entsteht die Umsatzsteuer erst mit der Ausführung der bezogenen Lieferung oder sonstigen Leistung.
Führt die Änderung des Umsatzsteuersatzes ab dem 01.07. bis zum 31.12.2020 ausschließlich zur Annahme von Mehrzweck-Gutscheinen?
Ein EZG liegt vor, wenn neben dem Ort der Lieferung oder sonstigen Leistung auch die geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststeht. Insofern drängt sich die Frage auf, ob allein aufgrund der ab dem 01.07. bis 31.12.2020 geltenden verringerten und im Anschluss wieder erhöhten Umsatzsteuersätzen die Voraussetzungen eines EZG nicht mehr erfüllt sind?
Nach dem Wortlaut der Vorschrift (§ 3 Abs. 14 S. 1 UStG) muss die „für diese Umsätze geschuldete Steuer“ zum Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins feststehen. Mit „diese Umsätze“ wird Bezug genommen auf die Lieferungen und Leistungen, die mit dem Gutschein bezogen werden können. Wenn aber der Gutschein vor dem 01.07., nach dem 30.06. und nach dem 31.12.2020 eingelöst werden kann, steht die geschuldete Umsatzsteuer noch nicht fest, so dass aufgrund der Umsatzsteuersatzänderungen kein EZG vorliegen kann, der bis zum 31.12.2020 ausgestellt ist.
Für die Gutscheinaussteller und deren Vertriebsunternehmen wäre die Konsequenz, dass sie den Vertrieb der EZG innerhalb kürzester Zeit auf MZG hätten umstellen müssen, was technisch, wenn überhaupt, nur sehr schwer und nicht in der Kürze der Zeit zu bewerkstelligen gewesen wäre.
Denkbar wäre, den Zeitraum, in dem der Gutschein eingelöst werden kann, auf den 01.07. bis 31.12.2020 zu beschränken, damit ein EZG angenommen werden kann. Eine solche Beschränkung ist aber rechtlich nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässig und daher auch keine Lösung zur Sicherstellung des EZG.
BMF schafft Klarheit und Rechtssicherheit
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat in seinem Schreiben vom 30.06.2020 (Tz. 30; PDF hier downloadbar) eine Lösung gefunden, die sicherstellt, dass auch trotz der Umstellung der Umsatzsteuersätze die EZG nicht in MZG vorübergehend umqualifiziert werden. Das BMF geht davon aus, dass für die Frage der Einordnung als EZG oder MZG der Zeitpunkt der Gutscheinausgabe maßgeblich ist. Zu diesem Zeitpunkt muss, so das BMF, feststehen, mit welchem Steuersatz die fiktive Lieferung oder fiktive sonstige Leistung der Ausgabe und Übertragung des Gutscheins besteuert werden muss. Das BMF nimmt also (entgegen dem Gesetzeswortlaut) nicht Bezug auf die tatsächlich mit dem Gutschein zu beziehenden Lieferungen und sonstigen Leistungen.
Das Ergebnis des BMF ist aus Sicht der Rechtsanwender zu begrüßen, da es Klarheit und Rechtssicherheit für die Gutscheinaussteller und deren Vertriebsunternehmen in der ohnehin wirtschaftlich schwierigen Situation schafft. Allerdings hätte es genügt, wenn aufgrund der Steuersatzänderungen den Steuerpflichtigen ein Wahlrecht für den Zeitraum des 01.07. bis 31.12.2020 eingeräumt worden wäre, die EZG weiterhin als EZG zu versteuern oder auf MZG umzustellen.
Die Inkonsequenz der vom Gesetzeswortlaut abweichenden Begründung des BMF zeigt auch der in dem BMF-Schreiben aufgeführte Fall der Zuzahlung bei Einlösung des Gutscheins. Nach dem BMF soll der Differenzbetrag des im Zeitpunkt der Einlösung geltenden Steuersatzes unterliegen. Ein vor dem 01.07.2020 ausgestellter EZG wird mit 19% besteuert, die mit dem Gutschein bezogene Ware aber zum Teil mit 16%.
Für den Endverbraucher hat die Bezahlung mit einem EZG, der mit 19% besteuert wurde, keinen Nachteil, da er mit dem EZG Waren oder Dienstleistungen beziehen kann, die dem 16%-igen Umsatzsteuersatz unterliegen. Geben die Unternehmen die Umsatzsteuersenkung weiter, geht die Bezahlung mit einem vor dem 01.07.2020 ausgegebenen EZG nicht zu Lasten der Endverbraucher, sondern des Unternehmens, bei dem der EZG eingelöst werden kann.
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