Vorschlag der Kommission zur Änderung der EU-Richtlinie über die Rechte der Verbraucher in Bezug auf im Fernabsatz abgeschlossene Finanzdienstleistungsverträge

Vorschlag der Kommission zur Änderung der EU-Richtlinie über die Rechte der Verbraucher in Bezug auf im Fernabsatz abgeschlossene Finanzdienstleistungsverträge | PayTechLaw | Dr. Anna Izzo-Wagner und Till-Christopher Otto von Annerton Cover picture: jorisvo

Am 11.05.2022 veröffentlichte die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag betreffend im Fernabsatz geschlossener Verträge über Finanzdienstleistungen. Der Vorschlag sieht eine Änderung der Richtlinie 2011/83/EU (EU-Richtlinie über die Rechte der Verbraucher) und eine Aufhebung der Richtlinie 2002/65/EG (Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher) vor, welcher im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch im Rat und im EU-Parlament weiter zu erörtern ist. Ziel des Richtlinienvorschlag ist es, die Erbringung von Finanzdienstleistungen im Binnenmarkt zu fördern und gleichzeitig ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten. Hierzu sollen relevante Aspekte der Verbraucherrechte in Bezug auf Finanzdienstleistungsverträge im Fernabsatz im Rahmen der Richtlinie 2011/83/EU berücksichtigt werden.

 

I. Hintergrund

Im Rahmen des Programms zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung der Europäischen Kommission (REFIT) wurde festgestellt, dass nach Inkrafttreten der Richtlinie 2002/65/EG, eine Reihe an produktspezifischen EU-Rechtsakten (so wie etwa die Verbraucherkredit-Richtlinie) und horizontalen EU-Rechtsvorschiften (so wie die Datenschutz-Grundverordnung) erlassen wurden, welche wiederum selbst Aspekte hinsichtlich der Verbraucherrechte in Bezug auf Finanzdienstleistungen beinhalteten, die letztlich auch unter die Richtlinie fallen. Diese neueren Rechtsvorschriften haben zur Folge, dass die Relevanz und der Mehrwert der Richtlinie nach und nach abnahmen. Die Kommission erkannte in der Richtlinie jedoch auch weiterhin einen Nutzen, da ihre horizontale Anwendung den Verbrauchern in den Fällen ein gewisses Schutzniveau für im Fernabsatz geschlossene Verträge bot, in denen für gewisse Finanzprodukte eine EU-Regulierung fehlt. Darüber hinaus galten einige Bestimmungen der Richtlinie (wie etwa das Widerrufsrecht für gewisse Versicherungen) auch für bestimmte Finanzdienstleistungen, für die es bereits rechtskräftige EU-Vorschriften gab.

Die Kommission fügte ihrer Argumentation hinzu, dass eine Reihe von Entwicklungen, wie die zunehmende Digitalisierung von Dienstleistungen, die Wirksamkeit der Richtlinie im Hinblick auf die Erreichung ihrer Hauptziele, beeinträchtigt haben. Zudem nehmen Verbraucher zunehmend Online- Dienste im Finanzbereich in Anspruch, obwohl Finanzdienstleistungsverträge, die im Wege des Fernabsatzes ausgehandelt werden, für diese häufig kompliziert und schwer verständlich erscheinen. Hinzu kommt, dass sich der Fernabsatz von Finanzdienstleistungen für Verbraucher in den letzten 20 Jahren rasch verändert hat, und so neue Geschäftsmodelle und neue Vertriebskanäle hinzugekommen sind. Auf der anderen Seite sind Verbraucher vermehrt bereit, in diesem Zusammenhang digitale Tools zu verwenden und Finanzprodukte und -dienstleistungen online zu erwerben, was etablierte Akteure dazu veranlasst, ihre Marketing- und Geschäftspraktiken anzupassen.

Den genannten Umständen treten darüber hinaus noch die jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit der pandemischen Lage hinzu. So hat die COVID-19-Pandemie und die in diesem Zusammenhang verhängten Ausgangsbeschränkungen die Nutzung von Online-Vertriebswegen im Allgemeinen ebenfalls beschleunigt. Aufgrund der pandemiebedingten Ausgangsbeschränkungen waren physische Treffen zwischen Verbrauchern und Anbietern in Banken auf ein Minimum beschränkt, sodass es regelmäßiger zu einem digitalen Onboarding potenzieller Kunden kam. In diesem Zusammenhang spielte die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen ebenfalls eine Rolle bei der Sicherstellung der Erbringung von Finanzdienstleistungen und gleichzeitig bei der Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus (beispielsweise im Bankensektor) insbesondere für Zwecke des digitalen Onboardings.

Die Kommission kam aufgrund dessen zu dem Entschluss, dass ein effektiver Verbraucherschutz bei Online-Finanzdienstleistungen ein dahingehendes legislatives Tätigwerden bedurfte.

 

II. Zielsetzung des Richtlinienvorschlags

Zur Gewährleistung eines höheren Verbraucherschutzes bei Online-Finanzdienstleistungen soll durch den Richtlinienvorschlag der Kommission der Rechtsrahmen für im Fernabsatz geschlossenen Finanzdienstleistungsverträge vereinfacht und modernisiert werden. Hierzu sollen -unter Aufhebung der Richtlinie 2002/65/EG- die relevante Aspekte der Verbraucherrechte in Bezug auf Finanzdienstleistungsverträge im Fernabsatz im Rahmen der geltende Richtlinie 2011/83/EU (welche bislang Finanzdienstleistungen von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen hatte) berücksichtigt werden.

 

III. Ansätze zur Umsetzung des Ziels

In dem Richtlinienvorschlag der Kommission sind explizit fünf Kernaspekte genannt, welche zur Erreichung des Ziels umzusetzen sind:

1. Vollständige Harmonisierung

Erklärtes Ziel des Vorschlags ist die Stärkung der Verbraucherrechte. Dieses Ziel soll insbesondere auch vor dem Aspekt verfolgt werden, dass die Verbraucher mit Anbietern in einem anderen Mitgliedstaat Verträge aushandeln und schließen können. Zur Förderung eines durchgehend hohen Verbraucherschutzniveaus sollen deshalb in allen EU- Mitgliedsstaaten für alle Finanzdienstleister ähnliche Vorschriften gelten und Verbrauchern die gleichen Rechte garantiert werden (Harmonisierung).

 

2. Pflicht zur Übermittlung vorvertraglicher Informationen

Die Kommission stellte bereits in der Richtlinien 2002/65/EG klar, dass der Einsatz eines Fernkommunikationsmittels nicht zu einer ungerechtfertigten Einschränkung der dem Verbraucher vermittelten Information führen darf. In ihrem Richtlinienentwurf sind dem Gedanken folgend Regelungen hinsichtlich der rechtzeitigen Übermittlung klarer und verständlicher Schlüsselinformationen vorgesehen, um so die erforderliche Transparenz und schließlich auch die Mündigkeit des Verbrauchers zu stärken. Dabei soll die Richtlinie Zeitpunkt, Umfang und Inhalt der bereitzustellenden vorvertraglichen Informationen regeln. Im Zuge dessen soll die RL 2011/83/EU insoweit modernisiert werden, als dass Einzelheiten wie die Angabe der E-Mail-Adresse durch den Finanzdienstleister hinzugefügt wurden. Darüber hinaus sind Angaben, sowie etwaig versteckte Kosten oder das Risiko im Zusammenhang mit der Finanzdienstleistung offenzulegen. Dabei müssen die Informationen deutlich sichtbar auf dem Bildschirm angezeigt werden.

Geregelt wird auch die Art und Weise der Bereitstellung im Hinblick auf die elektronische Kommunikation. Überdies wird auch der Zeitpunkt der Bereitstellung genannt, damit den Verbrauchern ausreichend Zeit zur Verarbeitung bleibt.

 

3. Widerrufsrecht

Bestimmte Produkte und Dienstleistungen im Bereich der Finanzdienstleistungen sind naturgemäß komplex und für Verbraucher möglicherweise schwer zu verstehen. Um diesem Umstand ebenfalls entgegnen zu können beinhaltet der Entwurf ebenfalls auch die Stärkung des Widerrufsrechts als grundlegendes Verbraucherrecht. Der Vorschlag sieht vor, dass Unternehmen die Pflicht auferlegt wird, bei Schließung eines Finanzdienstleistungsvertrages eines Verbrauchers auf elektronischem Weg Schaltflächen einzurichten, mithilfe derer der Verbraucher einfacher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen kann.

Zudem hat der Unternehmer, wie bereits erwähnt, sofern der Verbraucher die vorvertraglichen Informationen weniger als einen Tag vor Vertragsschluss erhält, parallel zu den vorvertraglichen Informationen eine Mitteilung über das Widerrufsrecht zu übermitteln.

 

4. Fairness im Internet

Aufgrund ihrer immateriellen Beschaffenheit eignen sich Finanzdienstleistungen ganz besonders für Transaktionen im Fernabsatz, weshalb diese zunehmend auf elektronischem Wege geschlossen werden. Um auch hier dem Verbraucherschutz gerecht zu werden, enthält der Vorschlag der Kommission besondere Vorschriften hinsichtlich der Gestaltung einer angemessenen Erläuterung, die aus der Ferne -unter anderem über Online Tools- zu erfüllen ist. Dabei werden sowohl die Anforderungen an die Informationspflicht als auch die Möglichkeit des Verbrauchers, im Falle der Nutzung von Online- Tools, das Eingreifen einer Person zu verlangen, festgelegt. Insbesondere Letzteres soll die Interaktionsmöglichkeit des Verbrauchers mit einem Menschen sicherstellen. In diesem Wege soll auch gewährleistet werden, dass Unternehmer nicht aus Verhaltensmustern von Verbrauchern Profit schlagen. Vor diesem Hintergrund ist es Unternehmen verboten, ihre Online-Benutzeroberfläche so einzurichten, dass die Fähigkeit der Verbraucher, eine freie, autonome und fundierte Entscheidung oder Wahl zu treffen, verzerrt oder beeinträchtigt werden kann.

 

5. Verschärfung der Durchsetzung

Letztlich sieht der Vorschlag auch die Stärkung der Durchsetzungsvorschriften in Bezug auf die Erbringung von Finanzdienstleistungen mithilfe von strengen Sanktionsmöglichkeiten vor. In Zukunft sollen die derzeit geltenden Durchsetzungs- und Sanktionsvorschriften der RL 2011/83/EU einschließlich der Änderungen, die mit der Richtlinie (EU) 20019/2161 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften, in Bezug auf Sanktionen für weitverbreitete grenzüberschreitende Verstöße eingeführt wurde, über die Rechte der Verbraucher, auf im Fernabsatz geschlossene Finanzdienstleistungsverträge ausgeweitet werden.

 

IV. Ausblick

Mit der Aufhebung der RL 2002/65/EG und der Aufnahme einer Reihe von Bestimmungen über im Fernabsatz kontaktierte Finanzdienstleistungen für Verbraucher in die RL 2011/83/EU wird es den Mitgliedsstaaten ermöglicht, die geltenden Rechtsvorschriften, soweit dies erforderlich ist, an die geänderten Verbraucherschutzbedürfnisse anzupassen.

Eine Umsetzung der Richtlinie bedeutet für die betroffenen Unternehmen zwar einen Handlungsbedarf und somit auch ein weiteres Aufkommen von Kosten, im Gegenzug erhalten diese jedoch auch mehr Rechtssicherheit, was zu einer gewissen Entlastung aufseiten der Unternehmen führt. Die anfallenden Kosten sollten auch im Hinblick auf die Vorteile, die die Pflichten der Unternehmen gegenüber den Verbrauchern und der Gesellschaft bedeuten, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen.

Überdies hat die Kommission einen vereinfachten Regulierungsansatz gewählt, indem nebst Aufhebung der RL 2002/65/EG lediglich eine kleine Anzahl von Artikeln in die RL 2011/83/EU zu übernehmen ist. Eine Vereinfachung für Unternehmen bei im Fernabsatz kontraktierten Finanzdienstleistungen wird zudem dadurch bewirkt, dass Maßnahmen zur Vereinfachung der Informationspflichten und deren Anpassung an die digitale Nutzung festgelegt werden sowie eine Bestimmung den klaren Grundsatz festlegt, dass im Falle von zwei Rechtsvorschriften, die denselben Sachverhalt regeln, eine als lex specialis Vorrang vor allgemeinen Rechtsvorschriften hat.

Ein höheres Maß an Rechtsklarheit und der vereinfachte Rechtsrahmen sollte einerseits die Zahl der Beschwerden verringern und auf der anderen Seite den Grad der Sicherheit und Einhaltung der Vorgaben erhöhen, womit ebenfalls davon ausgegangen werden kann, dass aufseiten der öffentlichen Verwaltung eine Verringerung der Verwaltungslast zu erwarten ist. Die spezifischen Maßnahmen zur Verstärkung der Koordinierung und zur Besserung der Bedingungen für die Durchsetzung dürften auch zur Effizienzgewinnung in Bezug auf die Durchsetzung der Anforderungen der Richtlinie führen.

Es bleibt jedoch abzuwarten, welche Änderungen im weiteren Gang des Legislativverfahrens unter Umständen noch durch die partizipierenden Organe vorgenommen werden.

 


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