JStG 2018-Entwurf & elektronische Marktplätze: Das Ende der Umsatzsteuerausfälle in DE?

Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat vor wenigen Tagen einen Gesetzesentwurf zum Jahressteuergesetz 2018 (JStG 2018) veröffentlicht. Mit dem Gesetzesentwurf nimmt der Gesetzgeber „heiße Eisen“ für die Payment- und FinTech-Branche  in Angriff, wie beispielsweise die umsatzsteuerliche Behandlung des Vertriebs von (Wert-)Gutscheinen (zu diesem Thema werde ich zu einem späteren Zeitpunkt einen separaten Blogbeitrag veröffentlichen). In dem vorliegenden Beitrag geht es um die Verhinderung von sehr hohen Umsatzsteuerausfällen, welche durch Händler, die in Drittstaaten (insbesondere in Asien) ansässig sind, mit Hilfe von elektronischen Marktplätzen in Deutschland verursacht werden.

Bisherige Praxis

In Drittstaaten ansässige Händler verkaufen über elektronische Marktplätze Waren aus den Drittstaaten an Endkunden in Deutschland. Diese Waren werden auch an den Endkunden geliefert. Ungeachtet etwaiger umsatzsteuerlicher Besonderheiten bei Lagerung der Waren in Zollagern entsteht spätestens mit der Lieferung der Waren an die Endkunden die Einfuhrumsatzsteuer. Diese Einfuhrumsatzsteuer wird von den Händlern im Ausland nicht bezahlt und der deutsche Fiskus hat darauf keinen bzw. nur eingeschränkten Zugriff. Ein Beispiel, das auch von der deutschen Medienlandschaft aufgegriffen wurde (siehe z.B. Handelsblatt und Spiegel), war die Beschlagnahmung von Waren in einem Amazon-Lager Anfang des Jahres 2018.

Neuregelungen im Entwurf zum JStG 2018

Der Entwurf zum JStG 2018 regelt unter anderem (§ 22f u. § 25e UStG-E), dass die Betreiber von elektronischen Marktplätzen für die von den Händlern nicht abgeführte Umsatzsteuer unter bestimmten Voraussetzungen haften. Die Betreiber von elektronischen Marktplätzen können die Haftung vermeiden, wenn sie bestimmte Informationen von den Händlern aufzeichnen und den geregelten Sorgfaltspflichten nachkommen. Stellt der ausländische Händler dem Betreiber des elektronischen Marktplatzes bestimmte Informationen oder Nachweise nicht zur Verfügung, steht der Betreiber jedoch in Haftung. Zudem müssen Betreiber von elektronischen Marktplätzen Daten an das BMF melden. Die Finanzverwaltung kann künftig auch Daten von den Betreibern abfragen. Diese Neureglung würde ab 2019 gelten.

Rechtliche und praktische Schwierigkeiten

Die vorgesehene Ausgestaltung der Haftungsregelung für die Betreiber der elektronischen Marktplätze ist zum Teil rechtlich zumindest bedenklich und auch hinsichtlich einer praktischen Umsetzbarkeit des geplanten Verfahrens problematisch. Wir wollen nur einige Punkte aufführen.

Die Betreiber der Marktplätze sind rechtlich nicht verpflichtet, Informationen der Händler zu überwachen, die auf rechtswidrige Handlungen hinweisen (§ 7 Abs. 2 TMG). Die Durchsetzbarkeit der Steuerforderung als originäre Aufgabe der Finanzverwaltung wird durch den extensiven Haftungstatbestand auf private Personen übertragen.

Die Möglichkeit für Betreiber von Marktplätzen, aus der Haftung ausgenommen zu werden, wird zumindest in einer unbestimmten Übergangszeit nicht möglich sein. Zum einen wird den Händlern keine Frist eingeräumt, sich eine entsprechende Bescheinigung zu besorgen, die die Betreiber der Marktplätze von einer Haftung befreit. Zum anderen wird dem Betreiber eines Marktplatzes keine Frist eingeräumt, den Händler vom Handel auszuschließen, wenn das Finanzamt dem Betreiber mitteilt, dass der Händler seinen steuerlichen Pflichten nicht nachkommt.

Die Möglichkeit für Betreiber von elektronischen Marktplätzen, zentral bei der Finanzverwaltung abzufragen, ob der Händler seinen steuerlichen Verpflichtungen nachkommt, wird erst zu einem unbestimmten Zeitpunkt möglich sein. Bis dahin soll die Abfrage der Bescheinigung in Papierform erfolgen. Das erscheint praktisch nicht umsetzbar. Damit sind die Betreiber von Marktplätzen faktisch gezwungen, die Händler auszuschließen, wollen die Betreiber nicht die Haftung für etwaige Umsatzsteuer übernehmen.

Den Betreibern von Marktplätzen wird faktisch die Pflicht übertragen, zu prüfen, ob ein Händler umsatzsteuerrechtlich als Unternehmer tätig ist oder nicht. Das ist schlicht nicht möglich. Dennoch müssen die Betreiber von Marktplätzen persönliche Daten erfassen, um möglichst aus einer potentiellen Haftung für die Umsatzsteuer für die Händler entlassen zu werden. Datenschutzrechtlich wäre aber die Erhebung und Speicherung der Daten durch die Betreiber der Marktplätze nur dann gerechtfertigt, wenn die gesetzliche Regelung nach Art. 6 Abs. 1 lit. b EU Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) rechtlich einwandfrei ist.

Und dies kann hier mit gutem Grund bezweifelt werden: im Grunde soll, analog zur Vorratsdatenspeicherung, eine anlasslose Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten vorgenommen werden. Ebenso analog zur Vorratsdatenspeicherung drängt sich der Verdacht auf, dass dies dann ebenso unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig ist. Für eine Unverhältnismäßigkeit spricht auch, dass der Staat hier – wie bei der Vorratsdatenspeicherung – Private in die Pflicht nimmt, die Erhebung von personenbezogenen Daten vorzunehmen, obwohl der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Die Neuregelungen zur Haftung für die Umsatzsteuer wären daher einer eingehenden datenschutzrechtlichen Prüfung wert.

Neuregelung aufgrund der EU-Richtlinie zur Besteuerung des E-Commerce

Im JStG 2018 ist auf nationaler Ebene geregelt, wie in Deutschland Umsatzsteuerausfälle zukünftig vermieden werden sollen. Unabhängig von der nationalen Vorschrift müssen die EU-Mitgliedstaaten bis 2021 die Ende 2017 beschlossenen Regeln übergreifend umsetzen.

Danach sollen u.a. bei Verkäufen aus dem Nicht-EU-Ausland künftig die Betreiber der elektronischen Marktplätze die Umsatzsteuer für die Händler abführen. Die Umsatzsteuerschuld der Betreiber von elektronischen Marktplätzen ist aber auf Warenlieferungen bis 150 Euro beschränkt. Soweit der Warenwert die 150 Euro-Grenze überschreitet, besteht eine Zollpflicht zur Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer.

 

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