Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen laut den neu ergänzten FAQ der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu den MiFID II-Wohlverhaltensregeln nach §§ 63ff. Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) in Zukunft eine vorherige Offenlegungspflicht hinsichtlich Zuwendungen erfüllen, trotz Einwilligung der Kunden, die Informationen über entstehende Kosten und Gebühren erst nach Geschäftsabschluss auf einen dauerhaften Datenträger zu erhalten. Zudem dürfen laut den neuen FAQ der BaFin Depotübertragungen nunmehr grundsätzlich höchstens drei Wochen in Anspruch nehmen.
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1. FAQ zu MiFID II-Wohlverhaltensregeln nach §§ 63 ff. WpHG
Seit der Umsetzung der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente (zweiten Finanzmarktrichtlinie – MiFID II) im Jahr 2018 ergeben sich in der täglichen Bankpraxis immer wieder Unsicherheiten bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der einzelnen Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Umgang mit den Vorgaben der Richtlinie.
Um diese Unsicherheiten einzudämmen, veröffentlichte die BaFin am 04.05.2018 die ersten grundlegenden Entscheidungen bezüglich der Wohlverhaltensregeln nach §§ 63ff. WpHG.
Die FAQ der BaFin sind aktuell in 12 Unterabschnitte gegliedert und Regeln die im Zuge von MiFiD II neu aufgekommenen Themenkreise wie z. B. die Bearbeitung von Kundenaufträgen und Zuwendungen. Die BaFin aktualisiert und ergänzt ihre FAQ laufend mit Blick auf aktuelle Problematiken und Ereignisse am Markt. Die jüngste Überarbeitung der FAQ fand nun am 13. April 2022 in Bezug auf zwei wesentliche Punkte statt, die wir in diesem Beitrag erläutern möchten.
2. Anpassung der Offenlegungspflichten hinsichtlich Zuwendungen bei Geschäftsabschlüssen über Fernkommunikationsmittel
Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben gemäß dem Zuwendungsregime der BaFin Zuwendungen, die sie im Zusammenhang mit einer Dienstleistung von anderer Seite erhält, grundsätzlich im Voraus gegenüber dem Kunden offenzulegen. Der Begriff der Zuwendungen umfasst nach § 70 Abs. 2 Satz 1 WpHG Provisionen, Gebühren und sonstige Geldleistungen sowie alle nicht-monetären Vorteile. Darüber hinaus sind Zuwendungen auch in der Kosteninformation als Teil der Dienstleistungskosten auszuweisen. Aufgrund einer Änderung des WpHG durch das sog. Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz im vergangenen Jahr kam es zu Erleichterungen bei der Beratung per Telefon oder Video. Demzufolge mussten Anlageberater den Kunden den sog. Ex-ante-Kostenausweis, welcher die genauen Kosten eines Wertpapiergeschäfts aufführt, fortan nicht mehr zwingend vor dem Abschluss des Geschäfts übermitteln. Aufgrund der Gesetzesänderung ergab sich nun die Möglichkeit diesen in Zukunft auch nachzureichen – vorausgesetzt, der Kunde erklärt sich damit einverstanden (§ 63 Abs. 7 Satz 12 WpHG). Dies wirft in der Praxis einige Fragen für die von diesem Zuwendungsregime betroffenen Institute auf.
Am 13. April 2022 hat die BaFin ihre FAQ hinsichtlich der Wohlverhaltensregeln im Hinblick auf Zuwendungen nun ergänzt. Unter Buchstabe K Ziffer 5 der FAQ klärt die Bafin darüber auf, ob es entgegen § 70 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG (Offenlegungspflichten in Bezug auf Zuwendungen) zulässig ist, wenn ein bei einem über Fernkommunikationsmittel erfolgtem Geschäftsabschluss etwaige Zuwendungen zusammen mit den Kosten und Gebühren erst unmittelbar nach Geschäftsabschluss offenlegt werden, sofern die Voraussetzungen nach § 63 Abs. 7 Satz 12 WpHG ( Möglichkeit der nachträglichen Kosteninformation bei der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln) erfüllt sind.
Laut neuen FAQ muss ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Zuwendungen nun auch dann vor Erbringung der Dienstleistung offenlegen, wenn der Kunde einwilligt, die Information über entstehende Kosten und Gebühren erst nach dem Geschäftsabschluss auf einen dauerhaften Datenträger zu erhalten.
Eine nachträgliche Offenlegung, die unter bestimmten Voraussetzungen für die mit dem Geschäftsabschluss verbundenen Kosten möglich ist, ist demzufolge gerade bezüglich der Zuwendungen nicht zulässig. Auch eine analoge Anwendung des § 63 Abs. 7 Satz 12 WpHG, der eben jene Möglichkeit der nachträglichen Kosteninformation bei der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln unter den dort aufgeführten Voraussetzungen zulässt, auf die Offenlegungspflicht nach § 70 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG ist mangels Erfüllung der Analogievoraussetzungen (planwidrige Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage) abzulehnen.
Hinsichtlich Art und Umfang der Zuwendung reicht laut den ergänzten FAQ eine mündliche Offenlegung aus, um den Wohlverhaltenspflichten zu genügen. Voraussetzung ist jedoch, dass zwingend etwaige Interessenkonflikte dadurch aufgezeigt werden.
Bewertung: Die tägliche Praxis der durch die MiFiD II regulierten Institute warf im Zusammenhang mit der Nutzung von Telekommunikationsmitteln bereits in der Vergangenheit vermehrt klärungswürdige Fragen aufseiten der Institute auf. So finden sich unter Buchstabe B der FAQ eine Reihe an bereits geklärten Themen zu Einzelfragen in Bezug auf die telefonischen Aufzeichnungspflichten (sog. Taping). Auch im Zusammenhang mit Zuwendungen hatte die BaFin zuletzt am 1.März 2021 unter Buchstabe K ihrer FAQ zwei weitere Ergänzungen hinsichtlich der Dauer der Aufzeichnung sowie der Aufzeichnungspflicht bei der Kundenexploration vorgenommen. Die jüngste Anpassung vom 13. März 2022 reiht sich in diese Themenkreise ein und soll ebenfalls für mehr Klarheit aufseiten der Institute bei der Erfüllung ihrer Wohlverhaltenspflichten im Sinne der MiFiD II in der täglichen Praxis sorgen. Aus Sicht der von diesen Pflichten betroffenen Institute ist diese Ergänzung unter dem Aspekt der Rechtssicherheit zu begrüßen.
3. Aufnahme von zeitlichen Vorgaben für die Bearbeitung von Depotüberträgen
Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihr Geld in Wertpapiere investieren möchten, benötigen ein Wertpapierdepot. Bei der Suche nach einem passenden Depot können potenzielle Anleger aus einer stetig wachsenden Vielzahl von Anbietern wählen und sich dabei auch über Vergleichsportale und Online-Tools über deren Konditionen informieren, um anhand dessen den passenden Anbieter für das Depot identifizieren zu können. Als wesentlichen Auswahlkriterien dürften dabei meist der Kundenservice des Depotanbieters, die Depotführungs- und Orderkosten und die angebotenen Handelsmöglichkeiten und Marktzugänge herausstechen. Da die Konditionen der Anbieter sehr unterschiedlich sind, kann es gute Gründe für einen Depotwechsel und die Übertragung der Wertpapiere in ein neues Depot geben.
Hinsichtlich der Dauer einer solchen Depotübertragung merkte die BaFin in ihren FAQ an, dass sich bereits aus der Norm des § 69 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, der die Bearbeitung von Kundenaufträgen regelt, ergäbe, dass Depotübertragungen grundsätzlich „unverzüglich“ auszuführen sind. In ihrer Ergänzung vom 21. März 2022 unter Buchstabe J Ziffer 1 der FAQ ergänzte sie nun noch, dass eine Depotübertragung in Zukunft regelmäßig höchstens drei Wochen in Anspruch nehmen sollte.
Etwas komplizierter gestaltet sich eine Depotübertragung jedoch dann, wenn ein gewisser Auslandsbezug vorliegt. Die Wertpapiere eines Anlegers müssen sich nämlich nicht alle zwingend in einer -inländischen- Lagerstelle befinden, unter Umständen können sie sich auch in Lagerstellen im Ausland befinden. Die Lieferwege gestalten sich in diesem Fall äußerst unterschiedlich. Zur Übertragung der im Ausland verwahrten Wertpapiere sind in der Regel sowohl die gleichlautenden Weisungen des übertragenden als auch des abgebenden Instituts an die ausländische Lagerstelle notwendig. Der Anleger muss daher bei der Übertragung von ausländischen Wertpapieren meist mit einer längeren Bearbeitungsdauer rechnen.
Diesem Umstand tragen die neuen Ergänzungen der FAQ dadurch Rechnung, dass im Falle von Verzögerungen, etwa weil Wertpapiere im Ausland verwahrt werden, eine unverzügliche Informationspflicht gegenüber dem Kunden durch das beauftragte Institut besteht. Demzufolge hat der Kunde spätestens innerhalb von fünf Arbeitstagen nach Ablauf der -nun vorgesehenen- Höchstdauer von drei Wochen eine Zwischenmeldung zu erhalten, in der dem Kunden unter anderem auch der Grund für die Verzögerung genannt werden muss. An dieser Stelle verweisen die FAQ auch auf die allgemeinen Grundsätze bei der Bearbeitung von Kundenaufträgen in Art. 67 Abs. 1 Buchstabe c) der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565.
Um diesen Schutz gewährleisten zu können, prüft die BaFin darüber hinaus auch, ob die Anforderungen an die Bearbeitung von Depotüberträgen eingehalten werden. In diesem Rahmen prüft die BaFin:
- ob die Institute geeignete Maßnahmen ergreifen, um einen Rückstau bei der Bearbeitung von Depotüberträgen zu verhindern.
- ob, im Fall, dass ein Institut nicht in der Lage ist, Depotüberträge in angemessener Zeit zu bearbeiten, dies auf organisatorische Gründe, etwa auf fehlende Ressourcen, zurückzuführen ist.
Bewertung: Viele Beschwerden, die die BaFin die letzten Jahre im Wertpapierbereich erreichten, bezogen sich auf den Depotübertrag, insbesondere auf dessen Dauer. In den Jahren 2020, 2021 sowie den Anfängen von 2022 manifestierte sich auf Seiten von Verbraucherinnen und Verbrauchern dahingehend eine große Unzufriedenheit (siehe hierzu: BaFin Fachartikel zum Thema Verbraucherschutz vom 17.03.2020). Insbesondere in Zeiten stärkerer Marktbewegungen fühlten sich die Verbraucherinnen und Verbraucher durch diesen Umstand ausgebremst. Die BaFin zielt mithilfe der dargestellten Ergänzungen darauf ab, diese Missstände einzudämmen.
4. Fazit
a) Zur Anpassung der Offenlegungspflichten hinsichtlich Zuwendungen bei Geschäftsabschlüssen über Fernkommunikationsmittel:
Mit den Ergänzungen in den FAQ bezüglich Zuwendungen wurde für die betroffenen Institute hinreichend Klarheit hinsichtlich ihrer Wohlverhaltenspflichten im Rahmen der Nutzung von Fernkommunikationsmitteln geschaffen, was aufseiten der Institute unter dem Aspekt der Rechtssicherheit zu begrüßen ist. Damit konnte ein weiterer „Pain-Point“ der Institute im Zusammenhang mit den praxisrelevanten Themenkreisen der Zuwendungen und der Nutzung von Fernkommunikationsmitteln verbindlich geklärt werden.
b) Zur Aufnahme von zeitlichen Vorgaben für die Bearbeitung von Depotüberträgen:
Mit den Ergänzungen in den FAQ bezüglich Zuwendungen wurde für die betroffenen Institute hinreichend Klarheit hinsichtlich ihrer Wohlverhaltenspflichten im Rahmen der Nutzung von Fernkommunikationsmitteln geschaffen, was aufseiten der Institute unter dem Aspekt der Rechtssicherheit zu begrüßen ist. Damit konnte ein weiterer „Pain-Point“ der Institute im Zusammenhang mit den praxisrelevanten Themenkreisen der Zuwendungen und der Nutzung von Fernkommunikationsmitteln verbindlich geklärt werden.
Im Umkehrschluss bedeutet dies einen höheren Zeitdruck und Aufwand für die Institute, die die Depotübertragungen nun in einem festgelegten Zeitrahmen von nun maximal drei Wochen abwickeln sollen. Die dahingehende Überwachung durch die BaFin trägt ebenfalls zur Erhöhung des Drucks auf die Institute bei. Die betroffenen Institute sind gut darin beraten, entsprechende Abläufe und Mechanismen zu entwerfen, um den neuen Anforderungen gerecht werden zu können. Ein Aspekt davon wäre beispielsweise die Einrichtung eines effizienten Informationsmanagements bei Verzögerung der Depotübertragung.
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