Bitcoin & Co.: Das Urteil des Bundesfinanzhofs zu Kryptowährungen

Bitcoin & Co.: Das Urteil des Bundesfinanzhofs zu Kryptowährungen | Dr. Steffen Rapp und Anh-Vu Tran von Annerton | Cover picture: Adobe Stock/erika8213

Entwicklung der Rechtsprechung

In unseren früheren Beiträgen haben wir über die Rechtsentwicklung in der Besteuerung von Kryptowährungen berichtet. Zuletzt haben wir u. a. über das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg berichtet und das beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Revisionsverfahren (IX R 3/22). Im Ergebnis hat das Finanzgericht Baden-Württemberg festgestellt, dass Kryptowährungen als Wirtschaftsgüter bei einer Veräußerung innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist einkommensteuerpflichtig sind, wenn sie im Privatvermögen gehalten werden (§ 22 Nr. 3 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Den zweiten Angriffspunkt, wonach ein strukturelles Vollzugdefizit, das zu einer Versagung der Besteuerung führen würde, hat das Finanzgericht Baden-Württemberg in einem rechtskräftigen Urteil abgelehnt. Der Bundesfinanzhof hat nun zu beiden Fragen entschieden. Wir möchten in diesem Beitrag einen ersten Überblick über die Entscheidung des BFH geben.

Der im Jahr 2022 veröffentlichte Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder (BMF, BStBl. I 2022, 668; nachfolgend: BMF-Schreiben) zur ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowährungen ist für die Finanzgerichte und den BFH nicht bindend.

 

Urteil des BFH (IX R 3/22) zur Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kryptowährungen (Bitcoin, Ether, Monero)

Die Essenz des Urteils

Der BFH hat entschieden, dass virtuelle Währungen in der Gestalt von Currency Token Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG sein können, wenn der An- und Verkauf innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist erfolgt. Die Currency Token werden angeschafft, wenn sie im Tausch gegen Euro, gegen eine Fremdwährung oder gegen andere virtuelle Währungen erworben werden. Sie werden veräußert, wenn sie in Euro oder gegen eine Fremdwährung zurückgetauscht oder in andere Currency Token umgetauscht werden.

Bei der Erfassung und Besteuerung von Veräußerungsgeschäften mit Currency Token lag im Jahr 2017 kein normatives Vollzugsdefizit vor, das zu einer Versagung der Besteuerung des An- und Verkaufs der Kryptowährungen geführt hat.

 

Ausgewählte Kernpunkte der Begründung des BFH

Der BFH legt dar, dass der Begriff des „anderen Wirtschaftsguts“ durch die umfangreiche Rechtsprechung des BFH seit je her sehr weit ausgelegt wird. Unbeschadet der komplexen technischen Zusammenhänge des jeweiligen DLT Systems ist, so der BFH, ein Currency Token wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil. Der BFH hält die Currency Token BTC, ETH und XMR für Zwecke der Beurteilung von „anderen Wirtschaftsgütern“ i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG strukturell vergleichbar mit Fremdwährungen.

Des Weiteren führt der BFH aus, dass die Currency Token nach § 39 Abs. 1 AO dem Kläger zuzuordnen waren, da ihm mittels des Privat Key in tatsächlicher Hinsicht die Berechtigung zukam, über die erworbenen Token zu verfügen. Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge setzen voraus, dass ein Übergang der (Verfügungs-)Berechtigung am Wirtschaftsgut vom Inhaber des Privat Key erfolgt. Für einen solchen Übergang reicht – unabhängig von der streitigen Frage, ob bei der Übertragung von Currency Token eine Übertragung der Zivilrechtsposition nach geltendem Recht erfolgt – die (faktische) Berechtigung am Wirtschaftsgut aus.

Abschließend führt der BFH aus, warum kein normatives Vollzugsdefizit im Jahr 2017 vorliegt, das zu einer Versagung der Besteuerung führt. Es fehlt an widersprüchlich auf Ineffektivität angelegte gesetzliche Regelungen. Die dem Gesetzgeber zustehende Reaktionszeit bei der Prüfung und Einführung neuer – d.h. zusätzlicher‑ Kontrollmaßnahmen ist nach Ansicht des BFH weder im Streitjahr 2017 noch zum gegenwärtigen Zeitpunkt überschritten.

 

Anmerkungen

Das Ergebnis des BFH war zu befürchten bzw. man musste damit rechnen (siehe auch Beitrag „Frohes neues Steuerjahr – mit Bitcoins und Kryptowährungen (1)“). Inhaltlich bemerkenswert für die weiteren Überlegungen zur Besteuerung von Kryptowährungen ist, dass der BFH vergleichsweise eindeutig ausgeführt hat, dass zumindest für den zu Grunde liegenden Fall die komplexen Zusammenhänge der DLT für die Anwendung der Vorschrift keine Rolle spielt. Ebenso kommt es bzgl. des erforderlichen Übergangs der (Verfügungs-) Berechtigung nicht darauf an, ob nach den bestehenden zivilrechtlichen Regelungen überhaupt ein Vertrag zustande kam.

Zwar sind Gegenstand des Urteils „nur“ die Kryptowährungen Bitcoin, Ether und Monero, jedoch haben die abstrakten Ausführungen des BFH auch für die Besteuerung andere, im Privatvermögen gehaltener Kryptowährungen Bedeutung.

Ferner ist dem Urteil zu entnehmen, dass nach der Ansicht des zuständigen Senats des BFH der Begriff des „(anderen) Wirtschaftsguts“ – wie auch bei den übrigen Einkunftsarten – dem handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstandes entspricht. Der Verweis auf die übrigen Einkunftsarten spricht deutlich dafür, dass der BFH von einem bilanzierungspflichtigen Wirtschaftsgut bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb ausgeht. Selbst wenn dieser Verweis eine für andere Fälle nicht bindende Ausführung des BFH ist (sog. obiter dictum), ist es doch eine (mittelbare) Bestätigung der in dem BMF-Schreiben (Rz. 41) vertretenen Ansicht, dass Kryptowährungen bilanzierungspflichtige Wirtschaftsgüter sind. Zur Art der Wirtschaftsgüter (materielle oder immaterielle, abnutzbar vs. nichtabnutzbar) äußert sich der BFH nicht.

 

Und jetzt?

Bestätigung des BMF-Schreibens durch den Bundesfinanzhof

In dem BMF-Schreiben wird in der Rz. 31 erwähnt, dass nicht nur die einzelnen Einheiten virtueller Währungen, sondern auch die sonstigen Token Wirtschaftsgüter sind. Daher ist damit zu rechnen, dass das Urteil im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird und damit für alle Finanzämter in allen noch offenen Fälle verbindlich anzuwenden ist.

Das Urteil des BFH bezieht sich nur auf virtuelle Währungen in Gestalt von Currency Token. Daher ist bei den anderen Token die Ansicht des BMF noch nicht durch die Rechtsprechung des BFH bestätigt und insoweit der gesamte steuerliche Rechtsweg offen.

Ob die Kläger beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde einlegen werden, ist uns derzeit nicht bekannt. Wäre das der Fall, können Einkommensteuerfestsetzungen vorläufig festgesetzt werden (§ 165 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO) und das Ruhen laufender Einspruchsverfahren beantragt werden (§ 363 AO).

 

Was bedeutet das Urteil des BFH für meine Einkommensteuererklärung und die noch offenen Fälle?

Wie wir schon bisher berichtet haben, sollten die Einkünfte aus dem Handel mit Kryptowährungen in Ihren Einkommensteuererklärungen angegeben werden, um sich möglichst nicht dem Verdacht auszusetzen, Einkünfte vorsätzlich nicht angegeben zu haben (mögliche Steuerhinterziehung). Nach dem Urteil des BFH müssen die Einkünfte aus dem Handel mit Kryptowährungen in den Einkommensteuererklärungen angegeben werden und zwar in allen noch offenen Fällen.

Soweit gegen die bisherigen Einkommensteuerfestsetzungen Einspruch eingelegt wurde und das Verfahren ruht (§ 363 AO), ist damit zu rechnen, dass das Finanzamt das Ruhen des Verfahrens (spätestens mit der Veröffentlichung des BFH-Urteils im Bundessteuerblatt) aufhebt und den Einspruch im Rahmen einer Einspruchsentscheidung ablehnt, wenn nicht zuvor der Einspruch durch den Steuerpflichtigen zurückgenommen wird.

Ebenso muss damit gerechnet werden, dass eine vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AO) und/oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) stehende Steuerfestsetzung von dem Finanzamt aufgehoben wird.

Bemerkenswert ist auch, dass in dem Ausgangsverfahren des Finanzgerichts Köln in bestimmten Fällen der Anschaffungszeitpunkt nicht sicher festgestellt werden konnte und damit, ob der spätere Verkauf innerhalb der Spekulationsfrist erfolgt ist. Das Finanzamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass dieser Umstand nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen kann. Demgegenüber kann u.U. eine Schätzung (§ 162 AO) erfolgen, wenn feststeht, dass die Veräußerung innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist erfolgt, aber die Anschaffungskosten oder der Veräußerungspreis nicht vorliegen. Allerdings muss man in diesem Zusammenhang im Blick haben, dass das BMF bereits Mitte letzten Jahres den Entwurf eines BMF-Schreibens vom 18.07.2022 zu den Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten der Steuerpflichtigen an ausgewählte Verbände übersendet hat und dazu bereits Stellungnahmen vorliegen.

 

Und was ist mit NFT’s?

Zu Non-Fungible Token (NFT’s) äußert sich das BFH-Urteil nicht. Wendet man konsequent einen weiten Begriff des Wirtschaftsguts an, so dürften sich insoweit grundsätzlich keine Unterschiede ergeben.

 

Ausblick

Es bleibt abzuwarten, ob perspektivisch für Einkünfte aus Kryptowerten eine Art „Kapitalertragsteuer“ eingeführt wird. Das Crypto-Asset Reporting Framework könnte die hierfür erforderliche Informationsgrundlage zumindest teilweise schaffen. Auch über die regulatorische Seite bzw. die Regulierung von Krypto-Dienstleistern durch die MiCAR scheinen mittelfristig Einfluss- bzw. Abfragemöglichkeiten für Steuerzwecke denkbar. Bis dahin ist zu bedenken, dass bei Kryptowährungen nach wie vor steuerfreie Veräußerungsgewinne überhaupt möglich sind, während dies bei anderen Finanzinstrumenten in der Regel nicht (mehr) der Fall ist. Ein Verlust der Spekulationsfrist hätte auch nicht für jedermann negative Folgen, soweit auch für die Einkünfte aus Kryptowährungen der Abgeltungssteuersatz von 25% Anwendung fände und somit für Steuerpflichtige, die kurzfristig traden, ein niedrigerer (Einkommen-)Steuersatz in Betracht käme im Vergleich zur jetzigen Rechtslage (individueller Steuersatz, bis zu 45%).

 

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