Ansichtssache zu den EBA-Leitlinien zur Kreditvergabe und Überwachung: Bitte akzeptiert Technologie als Teil von Banking!

Die Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA) hat eine Konsultation zu dem Entwurf der Leitlinien zur Kreditvergabe und Überwachung (bislang nur auf Englisch verfügbar: draft guidelines on loan origination and monitoring) durchgeführt. Die Leitlinien zur Kreditvergabe reduzieren die Technologie auf etwas, das überwacht werden muss und traditionellen Prozessen unterlegen ist. Darüber hinaus scheinen die die Leitlinien zur Kreditvergabe die hergebrachten Methoden der Datenerhebung und Auswahl der Daten zu betonen und ignorieren dabei, dass der technologische Fortschritt schon längst Realität geworden ist.

Im Juni 2019 veröffentlichte die EBA einen Entwurf für Leitlinien zur Kreditvergabe und Überwachung die einen Standard für CRR Institute und andere Institute, die Darlehen vergeben, setzen, wie Steuerung, Kreditvergabeprozesse, Preisgestaltung, Bewertung von Gegenständen und die Kreditüberwachung aussehen sollten. Die neuen Leitlinien zur Kreditvergabe werden auch die EBA-Leitlinien zur Kreditwürdigkeitsprüfung ersetzen, die einen Standard für die Kreditwürdigkeitsprüfung bei Verbrauchern setzen.

Technologie als Risiko

Ich möchte an dieser Stelle aus den Leitlinien zur Kreditvergabe nur den kurzen Abschnitt über Technologie behandeln. Kurz und pointiert zusammengefasst, gibt die EBA in den Leitlinien zur Kreditvergabe zur Nutzung von Technologie folgende Hinweise:

  • Das Risiko durch technologischen Fortschritt muss gemanagt werden;
  • Das Risiko, dass ein technologie-basierter Kreditvergabeprozess möglicherweise Vorurteilsbehaftet ist, muss gemanagt werden und die Integrität der Systeme sichergestellt werden;
  • Das Institut muss in der Lage sein, Ergebnisse und das zugrundeliegende Modell erklären zu können;
  • Die Ergebnisse sollen verifiziert und überwacht und die Leistung mit den Ergebnissen von traditionellen Methoden oder Instrumenten verglichen werden;
  • Die technologie-basierten Prozesse und Modelle sollen ordentlich dokumentiert und überprüft werden;
  • Es muss sichergestellt werden, dass die Geschäftsführung versteht, wie die Technologie eingesetzt wird und welchen Einfluss sie auf die Kreditvergabe hat;
  • Das Risikomanagement soll das Verhalten der technologiegestützten Innovation verstehen und erklären können.

Um das einmal zusammenzufassen: Die Kreditabteilung und die Geschäftsleitung sollten verstehen, wie das Geschäft funktioniert, Risiko managen, keine Entscheidungen treffen, die auf Vorurteilen basieren und dies alles auch anderen erklären können. Ein Witz? Sollte dies nicht in gleichem Maße auch für die in den Leitlinien zur Kreditvergabe genannten “traditionellen Instrumente und Methoden” gelten? Was hier zutage tritt ist die Annahme, dass Technologie per se ein Risiko ist, keiner sie wirklich versteht, und dass die traditionellen Methoden besser sind.

Technologie sollte der Standard sein

Meiner Meinung nach spiegeln die EBA Leitlinien zur Kreditvergabe nicht angemessen die Rolle von Technologie in der heutigen Welt wider. Technologie ist bereits ein wesentlicher Teil vieler Kreditgeschäftsmodelle und ist häufig in der Lage, schnellere und genauere Kreditprüfungen durchzuführen als die traditionellen Methoden. Statt nur das Risiko zu sehen und implizit den traditionellen Methoden eine Präferenz einzuräumen, sollte die EBA den Einsatz von Technologie fördern und fordern, um die Kreditvergabe zu verbessern. Warum sollte der Einsatz von Technologie wo er angemessen ist, nicht vorgeschrieben werden, anstatt sich auf menschliche Entscheidungsfindung zu verlassen, von der wir alle wissen, dass es dabei Grenzen bei der Verarbeitung von Datenmengen und Analyse gibt? Das würde die Kreditwirtschaft ins nächste Jahrhundert führen, statt zurück zu Stift und Papier.

Zurück zu Stift und Papier

Ein Blick in Annex 2 der Leitlinien zur Kreditvergabe zeigt, dass die EBA den Leitlinien zur Kreditvergabe implizit antiquierte Prozesse zugrunde legt. Annex 2 enthält die Informationen, die ein kreditvergebendes Institut sammeln sollte und verlangt dabei zum Beispiel Jahresabschlüsse (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Cashflow) und Anhänge auf Ebene des einzelnen Unternehmens und des Konzerns, einen Geschäftsplan für das Unternehmen und in Bezug auf den Kreditzweck, Altersanalyse des Forderungsbestands auf Ebene des Kreditnehmers, Nachweise über Steuerstatus und Steuerverbindlichkeiten. Diese Nachweise sind normalerweise auf Papier vorhanden und oft nur bei großen Unternehmen überhaupt verfügbar und nicht für kleinere oder mittelgroße Unternehmen oder Startups. Zwar wird in den Leitlinien für Kreditvergabe betont, dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip angewendet werden sollte, um angemessene Kreditvergabeprozesse zu entwickeln, so dass nicht zwangsläufig für jede Kreditart sämtliche Informationen abgefragt werden müssen, aber dennoch zeigt der Annex eine ungleiche Präferenz für diese Art von im wesentlichen beleghaften Informationsquellen.

Tatsächlich werden jedoch heutzutage immer mehr Kreditentscheidungen darauf gegründet, dass der Darlehensgeber dank PSD2 nun Zugang zum Bankkonto des Darlehensnehmers hat. Mit Hilfe der Technologie kann der Darlehensgeber auf die Zahlungskonten zugreifen und Zahlungsein- und ausgänge analysieren und die Kreditentscheidung auf der Basis der aktuellen und tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben zu treffen. Diese Art der Informationsgewinnung findet noch nicht einmal Erwähnung in den Leitlinien zur Kreditvergabe. Stattdessen werden die “traditionellen Methoden” zementiert, weil die Forderung nach papierbasierten Nachweisen diese als Standard zu setzen scheinen.

Die Doppelmoral der Leitlinien zur Kreditvergabe

Es stimmt, dass die Forschung kürzlich aufgezeigt hat, dass auch künstliche Intelligenz aufgrund der Datenauswahl nicht vorurteilsfrei entscheidet. Der Traum von einer vorurteilsfreien Entscheidung hat sich nicht bewahrheitet. Etwas anderes ist es aber, dieses Risiko nur beim Einsatz von Technologie zu sehen. Wir wissen alle, dass die traditionellen Methoden, die auf dem Menschen als Entscheider beruhen, noch viel anfälliger für Vorurteile sind. Die Leitlinien für die Kreditvergabe verlangen aber nur beim Einsatz von Technologie dieses Risiko zu managen. Soll das dann heißen, falls eine Bank Gründerinnen keine Kredit gibt, weil das rein männlich besetzte Kreditkomitee Frauen nicht zutraut, ein Unternehmen zu führen, dies kein Problem ist, aber wenn ein Algorithmus Tech-Unternehmen (die häufiger von Männern gegründet werden) gegenüber Startups aus der Gesundheits- oder Bildungsbranche (mit einer größeren Zahl von Gründerinnen) vorzieht, dies ein Problem darstellt? Um es gleich klarzumachen: Beides ist nicht akzeptabel und es ist wichtig zu analysieren, wie die Auswahl von Daten Vorurteile befördern kann, aber es zeugt von einem doppelten Standard vorurteilsbehaftete Kreditvergabe nur in Bezug auf Technologie zu thematisieren.

Ähnliches gilt für die Art von Informationen, die bei der Kreditvergabe gemäß Annex 2 der Leitlinien für die Kreditvergabe zu berücksichtigen sind. Es ist richtig, viele Datenpunkte im Kreditvergabeprozess zu berücksichtigen, aber die Einengung durch die Liste in Annex 2 auf statische Informationen und die Präferenz für papierbasierte Informationsarten ist selbst vorurteilsbehaftet (dadurch werden große Unternehmen bevorzugt) und verhindert Innovationen.

Die Leitlinien zur Kreditvergabe verlangen, dass Technologie mit den traditionellen Methoden verglichen wird, um zu sehen, ob sie genauso gut abschneidet. Aber sollte nicht auch gefordert werden, dass traditionelle Methoden mit der Technologie verglichen werden, um zu sehen, ob sie noch dem Vergleich standhalten?

Das geht besser

Die Konsultationsperiode für den Entwurf der Leitlinien zur Kreditvergabe lief am 30 September 2019 ab. Die endgültige Fassung der Leitlinien zur Kreditvergabe soll in Kürze veröffentlicht werden und dann ab dem 30 Juni 2020 in Kraft treten. Aber solange die endgültige Fassung noch nicht veröffentlicht ist, gibt es noch Hoffnung. Meine Bitte an die EBA ist, die in den Leitlinien zum Ausdruck kommende Einstellung zur Technologie zu überprüfen und die Leitlinien zur Kreditvergabe dahingehend zu ergänzen, dass Technologie – so wie es bereits häufig der Fall ist – als einen normalen Teil der Kreditvergabe in die Leitlinien zu integrieren. Mein Vorschlag in welche Richtung die Leitlinien zur Kreditvergabe zu ergänzen wären, sieht folgendermaßen aus:

  • Technologie gestützte Innovation ist ein starker Treiber für schnelle und robuste Kreditvergabeprozesse, da damit eine sehr große Menge Datenpunkte verarbeitet werden können, die einen holistischen Blick auf den Darlehensnehmer ermöglichen. Institute sollten daher den Einsatz von Technologie immer dann in Betracht ziehen, wenn die Verarbeitung und Bewertung von vielen Daten ermöglicht werden soll.
  • Informationen, die für Kreditvergabeverfahren verwendet werden, können aus verschiedenen Quellen stammen, einschließlich internetbasierter Quellen und dem Zugang zu Konten, und sind nicht auf Papierbelege oder Dokumente des Unternehmens beschränkt. Wie viele Informationen erhoben werden, unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
  • Kreditnehmer sollten ihre Kreditentscheidungsverfahren regelmäßig auf vorurteilsbehaftetet Verzerrungen im Entscheidungsprozess überprüfen.

Die Hoffung stirbt zuletzt.

 

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