Fortsetzung der Erläuterung der Neuregelung zur Umsatzbesteuerung von Gutscheinen durch das BMF
Die seit dem 01.01.2019 geltenden neuen Regelungen zur Umsatzbesteuerung von Wertgutscheinen (§ 3 Abs. 13 bis 15 u. § 10 Abs. 1 S. 6 UStG; nachfolgend: Neuregelungen) sind von dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) in dem am 02.11.2020 veröffentlichten Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) veröffentlicht.
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In dem ersten Teil meines Beitrags habe ich darüber berichtet, unter welchen Voraussetzungen die Neuregelungen anzuwenden sind und wie ein Einzweck-Gutschein und ein Mehrzweck-Gutschein definiert wird. Zudem habe ich darin dargestellt, dass die Einzweck-Gutscheine als solche von dem Aussteller gekennzeichnet werden sollen und die Zwischenhändler auf diese Kennzeichnung „nur“ mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Kaufmanns auf diese Kennzeichnung vertrauen dürfen.
Teil 2: Gibt es eine Pflicht zur Kennzeichnung als Einzweck-Gutschein und wie soll eine Kennzeichnung aussehen?
Nein, es besteht keine Pflicht und es sind auch keine unmittelbaren Sanktionen vorgesehen, wenn keine Kennzeichnung erfolgt. „Sollen“ bedeutet im Rechtsverkehr nicht müssen. Allerdings ist damit zu rechnen, dass bei Betriebsprüfungen bei Zwischenhändlern die Nachfragen nach der Einordnung des Gutscheins als Einzweck-Gutschein oder Mehrzweck-Gutschein sich bei einem entsprechenden Hinweis reduzieren.
Wo und wie die Kennzeichnung erfolgen soll, lässt das BMF offen. Daher kann eine Kennzeichnung nicht nur auf dem Gutschein selbst, sondern auch auf dem Kassenbon in Frage kommen.
Die „Soll-Vorschrift“ zur Kennzeichnung der Einzweck-Gutscheine gilt für ab dem 03.02.2021 ausgestellte Gutscheine (siehe unten „Zeitliche Anwendung“).
Der Einzweck-Gutschein
Einzweck-Gutscheine in Vertriebsketten
Das BMF hat eine Mitteilungspflicht des Gutscheinausstellers aufgenommen, wenn der Gutscheinaussteller den Gutschein im eigenen Namen vertreibt und nicht zugleich der leistende Unternehmer ist. Der Gutscheinaussteller muss dem leistenden Unternehmer mitteilen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe Einzweck-Gutscheine an Kunden weitergegeben werden, damit der leistende Unternehmer seinen Umsatz rechtzeitig versteuern kann (Abschn. 3.17 Abs. 3 S. 6 UStAE).
Im Fall der Vermittlung eines Einzweck-Gutscheins muss der Unternehmer, der den Einzweck-Gutschein an den Kunden verkauft, dem leistenden Unternehmer mitteilen, zu welchem Zeitpunkt der Einzweck-Gutschein an den Endkunden ausgegeben wurde.
Eine entsprechende Mitteilungspflicht und Schadensersatzregelungen sollten daher in bestehende und künftige Verträge aufgenommen werden.
Bestimmung des Einzweck-Gutschein-Leistungsortes
Sofern mit dem Einzweck-Gutschein eine Ware bezogen werden kann, soll sich nach Ansicht des BMF der Ort der fiktiven Lieferungen an dem Ort befinden, wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet, da bei der fiktiven Lieferung keine Waren bewegt werden (Abschn. 3.17 Abs. 5 UStAE). Diese Ansicht hat zur Folge, dass keine umsatzsteuerfreien Lieferungen in das Ausland (§ 4 Nr. 1 Buchst. a oder b UStG) vorliegen können. Für die Praxis bedeuten die Ausführungen zumindest Rechtssicherheit in diesem Punkt, auch wenn aus systematischer Sicht die Ansicht hinterfragt werden kann. Das Gesetz regelt durch eine Fiktion, dass abweichend von den tatsächlichen Umständen (= keine Warenlieferung und keine Warenbewegung) die Übertragung eines Einzweck-Gutscheins eine Lieferung ist. Die Frage ist daher, ob die Fiktion auch eine bewegte Lieferung fingiert.
Nichteinlösung der Einzweck-Gutscheine
Werden Einzweck-Gutscheine nicht eingelöst, kommt eine Rückzahlung der Umsatzsteuer aufgrund der Änderung der Bemessungsgrundlage (§ 17 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 3 UStG) nur in Betracht, wenn „ausnahmsweise“ das Entgelt zurückgezahlt wird (Abschn. 3.17 Abs. 7 UStAE). Was unter „Ausnahmsweise“ zu verstehen ist, ist nicht näher bestimmt. Es steht im Zusammenhang mit der Definition von Gutscheinen (siehe oben), die nicht vorliegen, wenn „jederzeit und voraussetzungslos“ das bezahlte Geld zurückgefordert werden kann.
Der Mehrzweck-Gutschein
Voraussetzungen eines Mehrzweck-Gutscheins
Das BMF stellt klar, dass es für die Annahme eines Mehrzweck-Gutscheins ausreicht, wenn der Gutschein für Waren oder Dienstleistungen eingesetzt werden kann, die dem Regel- oder dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.
Des Weiteren soll nach dem BMF ebenso wie bei den Einzweck-Gutscheinen die Kennzeichnung als Mehrzweck-Gutschein auf dem Gutschein und die rechtliche Einordnung des Mehrzweck-Gutscheins durch den leistenden Unternehmer (siehe oben).
Der Mehrzweck-Gutschein in Vertriebsketten
Zum ersten Mal äußert sich die Finanzverwaltung zur Übertragung von (Mehrzweck-) Gutscheinen im eigenen Namen in einer Vertriebskette (Abschn. 3.17 Abs. 10 UStAE). Mit der Übertragung des Mehrzweck-Gutscheins durch den Zwischenhändler an den Endkunden unterliegt die Marge beim Zwischenhändler der Umsatzsteuer. Der Zwischenhändler erbringt eine Leistung an den Aussteller des Mehrzweck-Gutscheins oder im Fall einer Untervermittlung eine Leistung an den in der Vertriebskette vorhergehenden Vermittler.
Das BMF hat auch einen weiteren, in der Praxis eher selten vorkommenden Fall angesprochen, bei dem ein Mehrzweck-Gutschein nicht zum Nennwert, sondern zu einem niedrigeren Preis an den Endkunden veräußert wird. Liegt ein solcher Fall dennoch vor, muss der leistende Unternehmer bei Einlösung des Mehrzweck-Gutscheins „nur“ die Umsatzsteuer aus dem Verkaufspreis des Mehrzweck-Gutscheins zahlen. Kennt der leistende Unternehmer den Verkaufspreis nicht, muss er die Umsatzsteuer aus dem Nennwert des Mehrzweck-Gutscheins entrichten.
Entsprechendes gilt auch dann, wenn der Mehrzweck-Gutschein von einem Zwischenhändler unentgeltlich an den Endkunden übertragen wurde. Wenn der leistende Unternehmer davon Kenntnis hat, muss er „nur“ die in dem Verkaufspreis an den Zwischenhändler enthaltene Umsatzsteuer versteuern.
Nichteinlösung des Mehrzweck-Gutscheins
Das BMF stellt klar, dass die Nichteinlösung des Mehrzweck-Gutscheins keine umsatzsteuerlichen Konsequenzen hat. Diese Aussage gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Wenn der auf den leistenden Unternehmer entfallende Teil des Entgelts auch bei der Nichteinlösung des Mehrzweck-Gutscheins beim Vermittler verbleibt, erhöht sich im Zeitpunkt des Verfalls des Mehrzweck-Gutscheins die Vermittlungsprovision und entsteht aus dem verbleibenden Betrag die Umsatzsteuer beim Vermittler.
Zeitliche Anwendung
Das BMF hat den Steuerpflichtigen einen Übergangszeitraum eingeräumt. Danach wird nicht beanstandet, wenn Gutscheine, die ab dem 01.01.2019 bis zum 02.02.2021 ausgestellt wurden bzw. werden, nicht nach der Auslegung der Neuregelungen in dem Umsatzsteueranwendungserlass entsprechend besteuert werden. Das gilt auch hinsichtlich des Vorsteuerabzugs.
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