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Ausgangssituation
In Teil 1 und Teil 6 meiner Beiträge zur Besteuerung von Kryptowährungen habe ich die mögliche Steuerpflicht der Gewinne und Verluste (nachfolgend: Gewinn oder Veräußerungsgewinn) aus dem An- und Verkauf von Kryptowährungen dargestellt. Sind die Kryptowährungen steuerlich dem Privatvermögen zuzuordnen, kommt eine Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von Kryptowährungen in Betracht, wenn
- die Kryptowährung unter den gesetzlichen Begriff „anderen Wirtschaftsgüter“ des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG fällt,
- der Zeitraum zwischen An- und Verkauf der veräußerten Kryptowährung nicht mehr als ein Jahr beträgt und
- sämtliche unter den § 23 Abs. 1 EStG fallende Veräußerungsgewinne (d.h. auch Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist) weniger als 600,00 Euro pro Jahr betragen.
Demnach ist eine entscheidende Frage für die Besteuerung der im Privatvermögen gehaltenen Kryptowährungen: Sind Kryptowährungen andere Wirtschaftsgüter i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG?
Der Wirtschaftsgutbegriff wird durch die Finanzgerichte und den Bundesfinanzhof (BFH) tendenziell weit ausgelegt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass nach der Ansicht der Finanzbehörde Hamburg (DStR 2018, 527) Bitcoins und der OFD Nordrhein-Westfalen (DB 2018, 1185) Bitcoins und andere Kryptowährungen die Eigenschaft eines (immateriellen) Wirtschaftsguts erfüllen. Im vergangen und diesem Jahr haben sich das Finanzgericht Berlin-Brandenburg und Nürnberg nun mit dieser Frage beschäftigt.
Zwei Beschlüsse im Rahmen der Überprüfung einer Aussetzung der Vollziehung
Bei den nachfolgend dargestellten Beschlüssen des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg und Nürnberg ist zu beachten, dass sie im Rahmen der Überprüfung der Ablehnung einer Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO) erfolgten. Die Aussetzung der Vollziehung bedeutet, dass die im Rahmen eines Einspruchsverfahrens bestrittene Steuer bis zu einer Entscheidung eines Einspruchsverfahrens nicht von dem Steuerpflichtigen zu zahlen ist. Die Aussetzung der Vollziehung ist zu gewähren, wenn nach einer lediglich summarischen Prüfung zwar Umstände für die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung sprechen, aber gleichzeitig gewichtige Gründe vorliegen, die eine Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken.
Mit anderen Worten: Im Rahmen der Überprüfung der Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung entscheidet das Finanzgericht nicht über die eigentliche Rechtsfrage, nämlich ob eine (bestimmte) Kryptowährung ein Wirtschaftsgut ist, das bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen (siehe oben im ersten Abschnitt Ausgangssituation) der Einkommensteuer unterliegt (§ 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG). Dennoch können die Ausführungen eines Finanzgerichts in einem solchen Verfahren einen Hinweis darauf geben, wie das Finanzgericht die eigentliche Rechtsfrage entscheiden würde. Sollte das Finanzgericht über die Rechtsfrage nach einem abgeschlossenen Einspruchsverfahren entscheiden müssen, ist es aber nicht an den ggf. vorhergehenden Beschluss zur Aussetzung der Vollziehung gebunden, sondern prüft die Frage im Detail.
Was haben nun die beiden Finanzgerichte entschieden?
Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat im Jahr 2019 in seinem Beschluss drei Aussagen getroffen:
- Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass Bitcoins in rechtlicher Hinsicht als Wirtschaftsgut einzuordnen sind.
- Die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei sog. Krypto-Assets gemäß § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG ist zulässig.
- Die rechtliche Einordnung der Kryptowährungen als Wirtschaftsgut nicht aufgrund eines strukturellen Vollzugsdefizit gegen das Verfassungsrecht verstößt.
Ein Vollzugsdefizit bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass die Finanzbehörde nicht überprüfen kann, ob ein steuerpflichtiger Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen erzielt oder nicht und damit nur derjenige Einkommensteuer zahlt, der gegenüber dem Finanzamt die Gewinne erklärt. Die Aussagen des Finanzgerichts sind auch bei der summarischen Prüfung vergleichsweise eindeutig ausgefallen. Vor diesem Hintergrund waren die Ausführungen in dem Beschluss des Finanzgerichts Nürnberg ein wenig überraschend.
Beschluss des Finanzgerichts Nürnberg
Der Beschluss des Finanzgerichts Nürnberg erfolgte ebenfalls im Rahmen eines Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzgericht Nürnberg vertritt eine von dem Finanzgerichts Berlin-Brandenburg abweichende Ansicht und kommt zu dem Ergebnis, dass die Frage der Wirtschaftsguteigenschaft einer Kryptowährung mit ausreichenden rechtlichen Zweifeln behaftet ist, die eine Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen.
Das Finanzgericht Nürnberg setzt sich mit dem Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg auch inhaltlich auseinander und hält die Argumentation in dem Beschluss in wesentlichen Teilen für nicht nachvollziehbar. Das Finanzgericht Nürnberg führt ferner aus, dass auch in dem von dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg zu entscheidenden Verfahren, die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung angezeigt gewesen wäre.
Exkurs: Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg und Urteil des Bundesfinanzhofs
Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat in einem Urteil darauf hingewiesen, dass ein mögliches strukturelles Vollzugsdefizit und damit eine verfassungswidrige Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen bisher nicht Gegenstand höchstrichterlicher sowie verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung waren. Der Bundesfinanzhof ist im Rahmen der Überprüfung des Urteils des Finanzgerichts Baden-Württemberg erwartungsgemäß nicht auf den Hinweis des Finanzgerichts eingegangen, da es bei dem zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht erforderlich war. In diesem Verfahren ging es nämlich um die Frage, ob der Verkauf kontingentierter und damit hochpreisiger Champions-League-Finalticket ein anderes Wirtschaftsgut ist, das Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sein kann.
Ausblick
Die auf den ersten Blick eindeutig wirkenden Aussagen des Finanzgerichts Nürnberg dürfen den Blick nicht dafür verstellen, dass die Finanzgerichte nur summarisch prüfen müssen, ob die Rechtsfrage eindeutig oder nicht eindeutig zu beantworten sein wird. Ferner hat der Steuerpflichtige in dem zu Grunde liegenden Fall vorgetragen, dass er aufgrund eines Fehlers in Folge eines Hackerangriffs eher einen Verlust erzielt hat. Der insoweit nicht geklärte Sachverhalt scheint ausreichend zu sein, dass eine Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist.
Im Ergebnis ist die Rechtsfrage, ob und ggf. welche Kryptowährung ein anderes Wirtschaftsgut i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist, nach wie vor offen.
Die derzeit bestehende Rechtsunsicherheit und die damit einhergehende mögliche Besteuerung der Kryptowährung kann ein Steuerpflichtiger nur dadurch rechtssicher verhindern, wenn er die Kryptowährung mehr als ein Jahr hält, bis er sie veräußert. Bei einem fallenden Kurs ist zu überlegen, ob die Kryptowährung nicht innerhalb der Jahresfrist verkauft werden, da nur dann die Verluste mit künftigen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnen verrechnet werden können (dazu siehe mein Beitrag zum Wertverlust bei Kryptowährungen).
Sobald die Rechtsfrage zur Wirtschaftsguteigenschaft einer Kryptowährung beim Bundesfinanzhof zur Überprüfung anhängig ist, kann der Steuerpflichtige eine insoweit vorläufige Festsetzung seiner Einkommensteuerfestsetzung bis zur Entscheidung durch den BFH beantragen (§ 165 Abs. 1 Nr. 4 AO).
Der Blockchain Bundesverband e.V. (zur Blockchain-Strategie der Bundesregierung vom 18.09.2019) in seinem „Aktionspapier Blockchain: Steuern“ einen Gesetzesvorschlag zur künftigen Besteuerung von im Privat- und Betriebsvermögen gehaltenen Kryptowährungen erarbeitet, auf den ich hinweisen möchte:
- https://bundesblock.de/de/aktionspapierbundesblock-1-steuern/
- https://bundesblock.de/wp-content/uploads/2020/03/AktionspapierBundesblockSteuern.pdf
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