Frauen in der FinTech-Branche – ein paar persönliche Gedanken

PayTechLaw | Frauen in der FinTech-Branche | Jacob Lund

Der Weltfrauentag am 8. März ist jetzt in Berlin ein gesetzlicher Feiertag. Das gibt mir die Möglichkeit, meine Gedanken über die Rolle der Frauen in der Branche, in der ich arbeite, niederzuschreiben.

Ich frage mich, ob ich diesen Artikel schreiben oder lieber Zeit mit meiner Tochter verbringen sollte, die mich zu selten sieht. Aber ich schiebe mein schlechtes Gewissen, jetzt keine Zeit mit ihr zu verbringen, mit dem Gedanken beiseite, dass sie draußen spielt und – wenn sie in ihr Spiel vertieft ist – sowieso nicht unterbrochen werden möchte. Ich glaube außerdem, dass es unsere Aufgabe ist, jetzt Fortschritte für unsere Töchter zu erzielen, damit sie ihren rechtmäßigen Platz in der Welt und insbesondere im Berufsleben einnehmen können, wenn sie groß sind.

Ernüchternde Zahlen

Wenn ich heute Bilanz ziehe, wirkt es leider so, als seien wir noch nicht weit gekommen. Der Blick auf die reinen Statistiken zu Gründerinnen oder zu gemischten vs. allein aus Männern bestehenden Führungsteams in FinTech-Start-ups ist ernüchternd. Eine sehr gute Übersicht und Visualisierung bietet ein Artikel unserer Kolleg*innen von paymentandbanking.

Noch schlechter sehen allerdings die Zahlen für die etablierten Player der Finanzbranche aus, die noch länger als andere Branchen dafür brauchen, Frauen in die Reihen ihrer Vorstände und Aufsichtsräte aufzunehmen. Im Jahr 2019 hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnet, dass es etwa 80 Jahre dauern wird, bis es bei den Spitzenpositionen in den Banken und Versicherungen eine Geschlechterparität gibt.

Frauen in der FinTech-Branche: großartig, aber unsichtbar

Das liegt nicht an einem Mangel an Frauen, die in der Branche arbeiten. Tatsächlich ist die Mehrheit der Belegschaft der etablierten Banken und Finanzdienstleister weiblich. Ich möchte an dieser Stelle nicht wieder einmal in die Diskussion über die „typischen Frauenprobleme“ einsteigen, dass Frauen keine Führungspositionen einnehmen wollen, die falschen Karriereentscheidungen treffen, die falschen Fächer studieren, der Familie zu viel oder zu wenig Bedeutung beimessen … Ich bin mir sicher, den Leser*innen fallen weitere Beispiele ein.

Nein, heute möchte ich in die Welt hinausschreien, dass es in dieser Branche Tausende von talentierten Frauen gibt, die nicht die Anerkennung erhalten, die ihnen angesichts ihrer Talente und Fähigkeiten zusteht.

Sie sind großartige UX-Designerinnen, Produktmanagerinnen, Vertrieblerinnen, Leiterinnen der Finanzabteilungen sowie Legal und Compliance Officers, die nicht gesehen werden. Häufig verstehen sie die Finanzdienstleistungen, die ihre Unternehmen verkaufen, besser als die Menschen, die wir auf Panels und in den Medien sehen oder bei Clubhouse hören. Ich weiß das, weil ich oft sehr eng mit ihnen zusammenarbeite.

Wenn Sie also Frauen unterstützen wollen, richten Sie Ihren Blick auf die „zweite Reihe“, solange die erste Reihe noch nicht paritätisch besetzt ist. Jammern Sie nicht, dass Sie keine weiblichen Speaker für ihre Konferenz und ihr Panel finden. Wenn Sie nach großen Namen suchen, müssen Sie (meist) bei Männern bleiben. Wenn es Ihnen aber um Einblicke in die Branche, fundiertes Wissen und unkonventionelle Denkansätze geht, halten Sie nach den unsichtbaren Frauen unter Deck Ausschau.

Der weite Weg zur Parität

Auch einige der sich selbst verstärkenden Mechanismen in dieser Branche sollten überprüft werden. Zum Beispiel wurde Diversität (inklusive Geschlechter-Diversität) gemäß Art. 91 der Richtlinie 2013/36/EU zu einem Kriterium bei der Beurteilung des Managements von Finanzinstituten gemacht und dies ist auch im Merkblatt der BaFin zu Geschäftsleitern von Finanzinstituten enthalten – doch das spielt in der Praxis kaum eine Rolle.

Dies liegt auch an der im gleichen Merkblatt niedergelegten Regelvermutung, dass eine Person, die drei Jahre lang eine leitende Funktion in einem vergleichbaren Institut ausgeübt hat, über die erforderlichen Fähigkeiten verfügt, um sich für diese Position in einem anderen Institut zu qualifizieren. Auf den ersten Blick macht das sehr viel Sinn. Faktisch spielt es aber den existierenden (männlichen) Club-Mitgliedern in die Hände, die für die Leitung neuer Institutionen ausgewählt werden, weil es einfacher ist, sie von der Aufsichtsbehörde genehmigen zu lassen.

Auch hier werden zusätzliche Anstrengungen notwendig sein, um etwas zu ändern und Frauen in Führungspositionen zu bringen. Aber es gibt keinen anderen Weg, als diese “Extra-Meile“ zu gehen – oder meine Tochter wird 88 Jahre alt sein, bis sie sieht, dass es in der Finanzdienstleistungsbranche Parität in Führungspositionen geben kann.

„Es gibt in der Hölle einen besonderen Platz für Frauen, die andere Frauen nicht unterstützen.“

Dieses Zitat von Madeleine Albright im Hinterkopf, möchte auch ich meinen Beitrag leisten, um weibliche Führungskräfte und Gründerinnen in dieser Branche zu unterstützen: Ich werde zwei Start-up-Gründerinnen in der FinTech-Branche jeweils zwei Stunden kostenfreie Beratung schenken, zu allen Fragen, die sie in Bezug auf die regulatorische Aufstellung ihres Unternehmens oder ihres Produkts, zu Pflichten nach dem Geldwäschegesetz oder anderen Themen haben, die zu meiner Beratungspraxis zählen. Bitte schicken Sie einfach eine E-Mail an: Susanne(at)paytechlaw.com. Sollte es mehr als zwei Anfragen geben, werde ich ein Los ziehen müssen.

 

 

Cover picture: Copyright © Adobe Stock / Jacob Lund



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