Überarbeitung der MaComp – BT 5 und BT 7.1 zur Übernahme der ESMA-Leitlinien

Überarbeitung der MaComp - BT 5 und BT 7.1 zur Übernahme der ESMA-Leitlinien

Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen rund um das Thema Compliance sind insbesondere in den sogenannten MaComp der BaFin (Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 63 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen) geregelt. Im Zuge regelmäßiger Aktualisierungen liegt nun eine Neufassung des dazugehörigen Rundschreibens mit Stand vom 26. September 2024 auf der Website der BaFin vor mit aktuellen Verwaltungspraxen und Status quo.

Die neue Fassung des Rundschreibens enthält insbesondere umfassende Änderungen von Abschnitt BT 5 und Abschnitt BT 7.1.

Hintergrund

Die European Securities and Market Authority (ESMA) veröffentliche bereits 2023 aktualisierte Leitlinien „zu den Produktüberwachungsanforderungen der MiFID II“ und „zu einigen Aspekten der MiFID II Anforderungen an die Geeignetheit. Die Änderung des vorgenannten Rundschreibens dient der Umsetzung dieser ESMA-Leitlinien.

Die Abschnitte BT 5 und BT 7.1 des Rundschreibens übernehmen die ESMA-Leitlinien im Wesentlichen inhaltlich unverändert.

BT 5: Product-Governance-Anforderungen im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen

Der Schwerpunkt der Änderungen liegt in den Anforderungen zum Vertrieb und der Bestimmung des Zielmarktes. Das konzipierte Finanzprodukt muss eine Zielmarktbestimmung durchlaufen. Die Detailtiefe wird nun mit der Umsetzung der ESMA-Leitlinie erweitert. Mit den Änderungen sollen die Produkte stärker auf den Zielkunden fokussiert werden:

  • Bei Produkten, deren Wert anfälliger ist auf negative Marktänderungen, muss die Bestimmung des Markts in Abhängigkeit der Risikotoleranz der jeweiligen Kunden geschehen.
  • Berücksichtigung von nachhaltigkeitsbezogenen Ziele sowie die Vereinbarkeit mit dem Produkt innerhalb der Kategorie „Ziele und Bedürfnisse“ (BT 5.2.1 Nr. 6)
  • Aufnahme des Cluster-Ansatzes bei der Zielmarktbestimmung, mithin der der Verwendung eines gemeinsamen Ansatzes für mehrere Produkte (BT 5.2.2 Nr. 4 ff)
  • Ausweitung der regulatorischen Anforderungen auf Vertriebsunternehmen: Vertriebsunternehmen sollen prüfen, welche Vertriebsstrategie für die jeweilige Kundengruppe geeignet ist. Dabei sollen sie prüfen, ob die Art und Weise der Vertriebsstrategie im besten Interesse der jeweiligen Kundengruppe ist (BT 5.3.1 Nr. 4). Insbesondere beim Nudging-Verfahren (Schubsen in eine bestimmte Richtung) und Gamification-Techniken (Übertragung von Spielelementen auf Nicht-Spiel-Kontexte) ist dies nunmehr erforderlich. Hervorzuheben ist auch die Anerkennung der Einbindung von sog. „Finfluencern“ in Vertriebsstrategien.
  • Produkte sollen im regelmäßigen Turnus durch die Konzepteure und Vertriebsunternehmen auf die Vereinbarkeit mit der jeweiligen Vertriebsstrategie überprüft werden (BT 5.4.2)

BT 7.1: Prüfung der Geeignetheit nach § 64 Abs. 3 WpHG, Art. 54, 55 DSV

Neben den Änderungen in BT 5 hat insbesondere der BT 7.1 Änderungen erfahren. Diese betreffen die Abfrage der nachhaltigkeitsbezogenen Ziele beim Kunden und der Berücksichtigung dieser Ziele im Rahmen der Geeignetheitsprüfung. Darüber hinaus ist die Art und Weise der Abfrage von Kenntnissen und Erwartungen des Kunden relevant. Schließlich tritt auch die Beurteilung hinsichtlich der Zuverlässigkeit jener Informationen in den Vordergrund der Änderungen.

Grundsätzlich gilt fortan, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Begriffe und Unterschiede zwischen den Definitionen von Nachhaltigkeitspräferenzen gem. Art. 2 Abs. 7 lit. a-c DV den Kunden erläutern und erklären müssen. Ziel ist es, den Kunden das Konzept der Nachhaltigkeitspräferenzen näher zu bringen, um den Kunden in der Entscheidungsfindung zu unterstützen.

Abfrage der nachhaltigkeitsbezogenen Ziele beim Kunden und Berücksichtigung im Rahmen der Geeignetheitsprüfung

In Ziff. 8 BT 7.1.2 sind die künftig einzuholenden Informationen über die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden geregelt. Hierdurch soll ein Abgleich der Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden mit den konkreten Nachhaltigkeitsfaktoren von Finanzinstrumenten ermöglicht werden. Die Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen hierfür folgende Informationen von den Kunden einholen:

  • Ob der Kunde Nachhaltigkeitspräferenzen hat (Ja/Nein);
  • Wenn der Kunde die vorstehende Frage mit „Ja“ beantwortet hat, ob er eine oder mehrere Nachhaltigkeitspräferenzen (gem. Buchstabe a, b oder c Art. 2 Abs. 7 DV) hat;
    • 2 Abs. 7 lit. a DV: ein Finanzinstrument, bei dem der Kunde oder potenzielle Kunde bestimmt, dass ein Mindestanteil in ökologisch nachhaltige Investitionen im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 DV angelegt werden soll
    • 2 Abs. 7 lit. b DV: ein Finanzinstrument, bei dem der Kunde oder potenzielle Kunde bestimmt, dass ein Mindestanteil in nachhaltige Investitionen im Sinne von Artikel 2 Nummer 17 DV angelegt werden soll
    • 2 Abs. 7 lit. c DV: ein Finanzinstrument, bei dem die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden, wobei die qualitativen oder quantitativen Elemente, mit denen diese Berücksichtigung nachgewiesen werden, vom Kunden oder potenziellen Kunden bestimmt werden

Daneben wird den Wertpapierdienstleistungsunternehmen empfohlen, folgende Aspekte bei der Abfrage zu berücksichtigen:

  • Informationen darüber, ob sich die Nachhaltigkeitspräferenz des Kunden im Fall der Buchstaben b bzw. c auf ökologische, soziale oder unternehmensführungsbezogene Nachhaltigkeitsfaktoren oder eine Kombination dieser Faktoren beziehen oder ob der Kunden hinsichtlich der Faktoren keinen Schwerpunkt hat.
  • Falls der Kunde im Hinblick auf die in den Buchstaben a und b genannten Mindestanteile angibt, können die Unternehmen zudem diese Information als Mindestprozentsatz erheben. Um diesen Mindestprozentsatz für den Kunden so greifbar wie möglich zu machen, können die Unternehmen für die Ermittlung des Mindestanteils dem Kunden eine Auswahl zwischen standardisierten Prozentsätzen, wie z.B. „mindestens 20%, 25% etc., geben.

Um die Abfrage der nachhaltigkeitsbezogenen Informationen des Kunden einzuholen, müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen interne Grundsätze und Verfahren für Mitarbeiter erstellen. Dabei soll im Rahmen der Anforderungen jener Grundsätze und Verfahren vollumfänglich Bezug genommen werden auf die unternehmensspezifische schriftlich fixierte Ordnung. In solch einem Fall kann das Unternehmen jeden der in Art. 2 Abs. 7 lit. a-c DV genannten Aspekte berücksichtigen. Das Unternehmen muss hier die Entscheidung des Kunden, die Nachhaltigkeitspräferenzen nicht weiter zu spezifizieren, in der Geeignetheitserklärung dokumentieren.

Für die Geeignetheit gilt zudem, dass Nachhaltigkeitspräferenzen grundsätzlich erst dann berücksichtigt werden dürfen, wenn bereits die Kenntnisse, Erfahrung und die finanzielle Lage des Kunden bewertet wurden. Erst wenn diese Bewertung erfolgt ist, kann in einem zweiten Schritt das konkrete Produkt oder eine konkrete Anlagestrategie, die die Nachhaltigkeitspräferenz erfüllt, dem Kunden angeboten werden. Im Umkehrschluss hierzu gilt, dass ein Produkt, welches den Nachhaltigkeitspräferenz des Kunden nicht entspricht, dem Kunden nicht angeboten werden darf. Eine Ausnahme hiervon ist in Ziff. 6 BT 7.1.8 vorgesehen, wonach dies möglich ist, wenn der Kunde seine Nachhaltigkeitspräferenzen anpasst. Die Begründung hierfür muss stets in der Geeignetheitserklärung dokumentiert werden. Zu beachten gilt jedoch, dass diese Anpassungsmöglichkeit sich nur auf die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden bezieht, nicht jedoch auf die anderen Kriterien.

Art und Weise der Abfrage von Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden und Beurteilung der Zuverlässigkeit dieser Informationen

In BT 7.1.4 wird sodann die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Kundeninformationen festgehalten. Hierfür sieht die BaFin vor, dass der Kunde Fragen gestellt bekommt, die auf die Beurteilung der tatsächlichen Kenntnisse des Kunden über spezifische Arten von Produkten abziehen. Unternehmen können für die Beurteilung Multiple-Choice-Fragen heranziehen. Um die Erfahrung des Kunden greifbarer zu machen, sollte dieser nach den bisherigen Arten von Produkten, Häufigkeit und Haltezeit dieser Investments gefragt werden.

In Ziff. 4 BT 7.1.4 zählt die BaFin Beurteilungsmöglichkeiten auf, die nicht angewendet werden sollten. So sollte für die Beurteilung der Kenntnisse und Erfahrungen eines Kunden u.a. keine zu allgemein gehaltenen Fragen, die mit „Ja/Nein“ beantwortet werden, gestellt werden. Festzuhalten ist hier insbesondere, dass Unternehmen die Erfahrung von Kunden auf der Grundlage von Annahmen nicht prognostizieren dürfen.

Fazit

Die Aktualisierung der MaComp würdigt die Wichtigkeit des Themas Nachhaltigkeit und zeigt auf, dass dieses Thema ab sofort integraler Bestandteil der Compliance-Organisation sein muss.



Indem Sie fortfahren, akzeptieren Sie unsere Datenschutzerklärung.
You May Also Like
Einbahnstraße FiDA – warum gut gemeint nicht gut gemacht ist
Weiterlesen

Einbahnstraße FiDA – warum gut gemeint nicht gut gemacht ist

Mit ihrem Vorschlag für eine Verordnung über einen Rahmen für den Zugang zu Finanzdaten (Financial Data Access – „FiDA“) will die Europäische Kommission dem Prinzip des Open Banking einen erheblichen Schub verpassen. Vorbild ist der Zugang zu Zahlungskonten, wie ihn die 2. Zahlungsdiensterichtlinie („PSD2“) und entsprechend das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz („ZAG“) gewähren, wobei die Kommission in der FiDA ganz andere Zugangsmechanismen vorsieht.
Weiterlesen