Neureglung zur Umsatzbesteuerung von Gutscheinen seit dem 01.01.2019
Seit dem 01.01.2019 gelten neue Regelungen zur Umsatzbesteuerung von Wertgutscheinen. Erstmals wurden Regelungen zur Besteuerung von Wertgutscheinen in das Umsatzsteuergesetz aufgenommen, wonach zwischen Einzweck-Gutscheinen (Single-Purpose Voucher/SPV) und Mehrzweck-Gutscheinen (Multi-Purpose Voucher/MPV) zu unterscheiden ist (§ 3 Abs. 13 bis 15 u. § 10 Abs. 1 S. 6 UStG; nachfolgend: Neuregelungen). Ich habe dazu in meinen Blogbeiträgen zur „Neuregelung der umsatzsteuerlichen Behandlung des Vertriebs von Gutscheinen durch den Rat der Europäischen Union“ sowie zur „Änderung bei der Umsatzbesteuerung von Gutscheinen“ berichtet. In den Beiträgen habe ich auch auf offene Fragen der Umsatzbesteuerung von Gutscheinen hingewiesen, die sich durch die neuen Regelungen ergeben.
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Am 02.11.2020 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder die Auslegung der Finanzverwaltung der Neuregelungen im Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) veröffentlicht.
In dem UStAE werden einige Fragen geklärt. Insgesamt sind die Ausführungen in dem Erlass umfassend, so dass dieser Beitrag nur die wesentlichen Inhalte dargestellt.
Definition und Abgrenzung von Gutscheinen zu anderen Produkten
Bei den Ausführungen zur Definition eines Gutscheins sind keine „Überraschungen“ enthalten. Das BMF grenzt den Anwendungsbereich der Neuregelungen gegenüber den Preisnachlassprodukten ab.
Ebenso sind Briefmarken, Fahrscheine, Eintrittskarten für Museen und Kinos sowie vergleichbare Instrumente keine Gutscheine. Die Aufzählung des BMF kann dahingehend interpretiert werden, dass es sich bei den aufgeführten Beispielen um Zahlungsbelege handelt, d.h. um den Nachweis über die erbrachte Gegenleistung zu einem abgeschlossenen Vertrag. Eine eindeutige Beurteilung, wann ein vergleichbares Instrument vorliegt, lässt sich anhand der Beispiele nicht vornehmen. Fraglich ist z.B. ob eine Streifenkarte, die an beliebigen Tagen auf beliebigen Strecken eingesetzt werden kann, ein Gutschein ist oder ein Fahrschein. Wenn z.B. eine Eintrittskarte für ein Kino berechtigt, einen nicht bestimmten Film an einem beliebigen Tag anzusehen, dürfte wohl ein Gutschein vorliegen.
Ferner stellt die Finanzverwaltung klar, dass kein Gutschein vorliegt, wenn das Produkt berechtigt, dass der Betrag „jederzeit und voraussetzungslos“ in ein Zahlungsmittel zurückgetauscht werden kann (Abschn. 3.17 Abs. 1 S. 7 UStAE). Ebenso fällt die Erbringung eines Zahlungsdienstes i. S. d. Zahlungsdiensterichtlinie nicht unter den Anwendungsbereich der Neuregelungen.
Überblick über die Neuregelungen
Liegt ein Einzweck-Gutschein vor, wird nach den Neuregelungen im Zeitpunkt der Übertragung eines Einzweck-Gutscheins eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung angenommen. Es entsteht also bereits mit der Übertragung des Einzweck-Gutscheins die Umsatzsteuer.
Sind die Voraussetzungen eines Einzweck-Gutscheins nicht erfüllt, liegt ein Mehrzweck-Gutscheinvor. Im Unterscheid zu einem Einzweck-Gutschein unterliegt bei einem Mehrzweck-Gutscheinerst die mit dem Gutschein „bezahlte“ Ware oder Dienstleistung der Umsatzsteuer. In Anbetracht dieser unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Behandlung kommt der Definition des Einzweck-Gutscheins große Bedeutung zu.
Einzweck-Gutschein
Voraussetzungen eines Einzweck-Gutscheins
Das BMF stellt klar, dass für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins im Zeitpunkt der Ausstellung des Einzweck-Gutscheins der Ort der Lieferung oder sonstigen Leistung, zu deren Bezug der Gutschein berechtigt und die geschuldete Umsatzsteuer feststehen muss. Für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins ist die Identität des leistenden Unternehmers anzugeben und die Leistung dahingehend zu konkretisieren, dass der steuerberechtigte Mitgliedstaat und der auf die Leistung entfallende Steuersatz sowie damit der zutreffende Steuerbetrag mit Sicherheit bestimmt werden können (Abschn. 3.17 Abs. 2 S. 2 UStAE).
In dem Erlass sind keine Klarstellungen dazu enthalten, ob auch dann ein Einzweck-Gutschein vorliegt, wenn der Gutschein gegen Waren eingetauscht werden kann, die auch von einem im EU-Ausland ansässigen Unternehmer für sein Unternehmen gekauft werden können. In diesem Fall läge eine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vor und somit liegt zutreffend kein Einzweck-Gutschein vor. Anhand der Produktpalette des Akzeptanten wird man häufig gerade nicht „mit Sicherheit“ ausschließen können, dass auch eine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vorliegen kann.
Das BMF bestätigt aber, dass kein Einzweck-Gutschein vorliegt, wenn der Bezug von Waren zum Regel- und zum ermäßigten Steuersatz mit dem Gutschein erworben werden können.
Pflicht zur Angabe der Gattung auf dem Einzweck-Gutschein
Nach der Ansicht der Finanzverwaltung ist Voraussetzung für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins, dass die Leistung im Hinblick auf die Gattung auf dem Gutschein angegeben werden muss. Dabei ist die Gattung so zu verstehen, dass die wesentlichen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen derart übereinstimmen, dass hieraus eindeutig der anzuwendende Steuersatz abgeleitet werden kann (Abschn. 3.17 Abs. 2 S. 4 u. S. 5 UStAE). Eine solche Kennzeichnung ergibt sich nicht aus den Vorschriften und stellt u.U. einen erheblichen Umstellungsaufwand für die Unternehmen dar. Auch wenn diese Bestimmung der Finanzverwaltung erst ab dem 02.02.2021 beachtet werden muss, besteht insbesondere unter den derzeit gegebenen Umständen ein erheblicher Zeitdruck.
Teil 1: Gibt es eine Pflicht zur Kennzeichnung als Einzweck-Gutschein?
Neu und nicht aus dem Gesetzestext ableitbar ist die Forderung des BMF (Abschn. 3.17 Abs. 2 S. 6 bis 9 UStAE), dass der Gutschein vom Aussteller sichtbar als Einzweck-Gutschein gekennzeichnet werden „soll“. Die Grundlage dieser Kennzeichnung als Einzweck-Gutschein ist die rechtliche Einordnung des Gutscheins durch den leistenden Unternehmer. Auf die rechtliche Einordnung und die darauf basierende Kennzeichnung dürfen der Aussteller des Gutscheins sowie die nachfolgenden Unternehmer der Leistungskette vertrauen. Dies gilt nicht, soweit die Unternehmer der Leistungskette Kenntnis hatten oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes hätten Kenntnis haben müssen, dass die rechtliche Einordnung bzw. die Kennzeichnung des Gutscheins als Einzweck-Gutschein zu Unrecht erfolgt ist. Vereinfacht ausgedrückt: beim Vertrieb von Einzweck-Gutscheinen dürfen die eingeschalteten Unternehmen nicht „blind“ auf die Einschätzung des Ausstellers vertrauen. Sofern der Zwischenhändler Zweifel hat, sollte er bei dem Aussteller nachfragen. Denkbar ist auch, dass Regelungen in den Verträgen zwischen dem Aussteller der Gutscheine und den Händlern aufgenommen werden, welche die Richtigkeit des Ausweises sicherstellen sollen.
Ob die Aussteller und die nachfolgenden Unternehmen auch dann auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des leistenden Unternehmers berufen dürfen, wenn der leistende Unternehmer zu dem Ergebnis gelangt, dass kein Gutschein vorliegt, ist in dem Umsatzsteueranwendungserlass nicht geregelt. In der Praxis wird sich der leistende Unternehmer häufig nicht in seine Beurteilung reinredenlassen wollen. Allerdings entbindet das gerade in den Fällen, in denen kein Gutschein vorliegen soll, die in den Vertrieb eingeschalteten Unternehmen diese Beurteilung zu überprüfen.
In meinem nächsten Beitrag beschäftige ich mich u.a. weiter mit der Kennzeichnung der Einzweck-Gutscheine, Besteuerung der Mehrzweck-Gutscheine und deren Kennzeichnung.
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