BMF-Entwurf: Anpassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) bzgl. der Verwaltung von Wagniskapitalfonds

BMF-Entwurf: Anpassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) bzgl. der Verwaltung von Wagniskapitalfonds | Annerton-Partner- und Steuerberater Anh-Vu Tran und Dr. Steffen Rapp | PayTechLaw | Cover picture: Adobe Stock/Nuthawut

Durch das Fondsstandortgesetz wurde im Juli 2021 die Umsatzsteuerbefreiung in § 4 Nr. 8 lit. h) UStG auf die Verwaltung von „Wagniskapitalfonds“ erweitert. Eine Legaldefinition ließ die Gesetzesänderung jedoch vermissen, womit bisher unklar war, welche Fonds hiervon erfasst werden.

Anfang März hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nun den Entwurf eines Schreibens zur Anpassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) veröffentlicht. Es soll insbesondere konkretisiert werden, unter welchen Voraussetzungen ein Fonds als Wagniskapitalfonds gilt.

 

Definition des Wagniskapitalfonds

Ein Wagniskapitalfonds muss demnach folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Es handelt sich um einen AIF (also nicht um einen OGAW), der direkt oder indirekt zu mehr als 50% zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalbeteiligung in junge, innovative Wachstumsunternehmen (Zielunternehmen) investiert.
    • Die Zielunternehmen müssen folgende Voraussetzungen erfüllen:
      • Es ist zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalbeteiligung maximal zwölf Jahre alt seit Unternehmensgründung.
      • Es handelt sich zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalbeteiligung um ein kleineres oder mittleres Unternehmen (KMU).
      • Es hat seinen Sitz im EWR.
      • Es ist fortlaufend wirtschaftlich (mit Gewinnerzielungsabsicht) aktiv.
    • Als zulässige Investitionsinstrumente kommen alle risikotragenden Finanzierungsformen, also offenbar Eigenkapital- als auch Mezzanineinstrumente in Betracht.
  • Er unterliegt den gleichen Wettbewerbsbedingungen wie OGAW und untersteht einer besonderen staatlichen Aufsicht (z.B. der BaFin) oder ist als „qualifizierter Risikokapitalfonds“ i.S.d. Verordnung (EU) Nr. 345/2013 registriert (European Venture Capital – EuVECA – Fund).

Da teilweise auf den „Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalbeteiligung“ abgestellt wird, sind nach unserem Verständnis insoweit Folgeinvestitionen in Zielunternehmen unschädlich, auch wenn die jeweiligen Anforderungen zum Zeitpunkt der Folgeinvestition nicht mehr erfüllt sind. Eine unmissverständliche Formulierung bzw. Klarstellung wäre jedoch wünschenswert.

Unklar ist, ob es (zusätzliche) Voraussetzung ist, dass die Zielunternehmen „innovativ“ sind und falls ja, wann dies der Fall ist. Da dies nicht näher spezifiziert wird, handelt es sich unseres Erachtens nicht um ein gesondertes Tatbestandsmerkmal.

Erwähnenswert ist, dass ein „qualifizierter Risikokapitalfonds“ bzw. EuVECA Fund nicht automatisch als Wagniskapitalfonds gilt, sondern ebenso die o. g. Anforderungen erfüllen muss. Dies wird zwar häufig, muss aber nicht immer der Fall sein.

 

Konkretisierung der Umsatzsteuerbefreiung begrüßenswert, aber: Europarechtswidrigkeit?

Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass trotz einiger Unklarheiten die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung grundsätzlich relativ leicht zu erfüllen wären und diese somit nicht nur in der Theorie Anwendung finden könnte.

Es stellt sich jedoch maßgeblich die Frage, ob die Umsatzsteuerbefreiung europarechtskonform ist. Bereits im Gesetzgebungsverfahren kamen insoweit Zweifel auf. Hintergrund ist, dass die Steuerbefreiung ursprünglich für die Verwaltung von OGAW (Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) eingeräumt wurde. Sie wurde dann aufgrund des EuGH-Urteils vom 9. Dezember 2015, C595/13, (Fiscale Eenheid X) in 2018 auf den OGAW vergleichbare AIF (alternative Investmentfonds) erweitert. Laut entsprechender Gesetzesbegründung, die Eingang in den UStAE gefunden hat, setzt die Vergleichbarkeit insbesondere die Erfüllung folgender Voraussetzungen voraus:

  1. Der AIF unterliegt einer vergleichbaren besonderen staatlichen Aufsicht.
  2. Der AIF spricht den gleichen Anlegerkreis an, d.h. (auch) Kleinanleger.
  3. Der AIF unterliegt den gleichen Wettbewerbsbedingungen bzw. vergleichbaren Pflichten und Kontrollen.
  4. Der AIF hat Anteilsrechte an mehrere Anleger ausgegeben.
  5. Der Ertrag der Anlage hängt von den Ergebnissen der Anlage ab, die die Verwalter im Laufe des Zeitraums, in dem die Anteilsinhaber diese Anteilsrechte innehaben, getätigt haben.
  6. Die Anteilsinhaber haben Anrecht auf die vom AIF erzielten Gewinne und auf den Gewinn infolge einer Wertsteigerung ihres Anteils und tragen das Risiko, das mit der Verwaltung des darin gesammelten Vermögens einhergeht.
  7. Die Anlage des gesammelten Vermögens erfolgt nach dem Grundsatz der Risikomischung zum Zwecke der Risikostreuung.

Die Finanzverwaltung sieht offene Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen nach § 284 KAGB als ebenfalls begünstigungsfähig an und zwar unabhängig von den Punkten 2 bis 4 (Anlegerkreis, Wettbewerbsbedingungen, Anlegeranzahl).

Es gibt nun Stimmen, die Zweifel an der Europarechtskonformität der isolierten Erweiterung der Steuerbefreiung auf die Verwaltung von Wagniskapitalfonds hegen. Dem ist insoweit zuzustimmen, als den Mitgliedstaaten zwar – innerhalb der europarechtlich vorgegebenen Grenzen – gestattet ist, die begünstigten „Sondervermögen“ zu definieren, jedoch nicht, einzelne „Sondervermögen“ zu begünstigen, andere dagegen nicht (kein cherry picking). Man wird sich dann konsequenterweise allerdings auch die Frage stellen müssen, ob die isolierte Erweiterung nur auf offene Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen insoweit in Ordnung war bzw. ist – diese wird natürlich von der Branche, in der dieser Fondstyp weit verbreitet ist, dankend angenommen.

Nach unserem Dafürhalten sollte die Umsatzsteuerbefreiung auf sämtliche Investmentvermögen, die von einer lizensierten Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) verwaltet werden, erstreckt werden. Wir verstehen die europäische Rechtsprechung so, dass es für die Vergleichbarkeit mit einem OGAW bzw. für das Vorliegen eines begünstigungsfähigen „Sondervermögens“ allein darauf ankommt, dass es sich ebenfalls um ein Investmentvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 KAGB bzw. Art. 4 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 2011/61/EU (AIFMD) handelt, das einer besonderen staatlichen Aufsicht unterliegt.

So antwortete der EuGH im genannten Urteil aus 2015 (Fiscale Eenheid X) dahingehend, „dass Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen ist, dass Kapitalanlagegesellschaften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften, in denen Kapital von mehreren Anlegern gesammelt wird, die das Risiko tragen, das mit der Verwaltung des Vermögens verbunden ist, das in diesen Gesellschaften für den Ankauf, den Besitz, die Verwaltung und den Verkauf von Immobilien zur Erzielung eines Gewinns gesammelt wird, der an sämtliche Anteilsinhaber in Form einer Dividende auszuschütten ist, wobei diesen Anteilsinhabern auch aus der Wertsteigerung ihres Anteils ein Vorteil erwächst, unter der Voraussetzung als „Sondervermögen“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden können, dass der betroffene Mitgliedstaat diese Gesellschaften einer besonderen staatlichen Aufsicht unterworfen hat.“

Somit kommt es dem EuGH unseres Erachtens jedenfalls in diesem Urteil – auf das in der Regel maßgeblich verwiesen wird – nicht auf Rückgaberechte, nicht auf den Anlegerkreis und nicht auf die Anlegeranzahl an. Auch die Finanzverwaltung schließt geschlossene Fonds nicht von der Begünstigungsfähigkeit aus. Jedenfalls für die offenen Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen nach § 284 KAGB, bei denen es naturgemäß keine Kleinanleger geben kann und häufig nur einen Anleger gibt, sieht sie offenbar ebenfalls kein Hindernis.

Es sprechen daher aus unserer Sicht keine tragenden Gründe gegen eine Umsatzsteuerbefreiung bei sämtlichen Investmentvermögen, deren Verwaltung eine Erlaubnis bzw. Lizenz mit entsprechender staatlicher Aufsicht als Folge benötigt. Wesentliches Ziel der Umsatzsteuerbefreiung der Verwaltung von OGAW war, die indirekte Fondsanlage nicht schlechter zu stellen als die Direktanlage in Wertpapiere. Diese Zielsetzung muss sinnvollerweise bei sämtlichen Fonds Anwendung finden, unabhängig von den Anlagegegenständen, Rückgaberechten, dem Anlegerkreis und der Anlegeranzahl. Insbesondere eine Einschränkung der Begünstigungsfähigkeit auf Publikumsfonds, d.h. Fonds, die (auch) Kleinanleger ansprechen, ist nicht geboten, zumal Spezialfonds häufig letzten Endes die Interessen von Kleinanlegern wahrnehmen (z.B. Fonds von Versicherungen und Versorgungseinrichtungen).

In jedem Fall sollte durch Gesetzgeber und Finanzverwaltung nach Möglichkeit die Sicherheit geschaffen werden, dass die Umsatzsteuerbefreiung für Wagniskapitalfonds zumindest bis auf Weiteres Bestand hat und sie selbst bei einer später festgestellten Europarechtswidrigkeit nicht rückwirkend entfallen würde. Denn nur so kann überhaupt effektiv das ausdrücklich vom Gesetzgeber gesetzte Ziel erreicht werden, den Fondsstandort Deutschland zu fördern und insbesondere junge Wachstumsunternehmen (Startup-Unternehmen) mit wettbewerbsfähigen Finanzierungsmöglichkeiten über Wagniskapitalbeteiligungen zu fördern.

 

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