Geldautomaten und Umsatzsteuer: Ist die Auslagerung des Betriebs von Geldautomaten umsatzsteuerfrei?

In meinem Blog-Beitrag im vergangenen Jahr habe ich allgemein zur Umsatzsteuerfreiheit bei sog. White Label Strukturen und insbesondere zu dem beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Fall zu möglicherweise umsatzsteuerfreien Leistungen im Rahmen des Betriebs von Geldautomaten durch ein Unternehmen und eine Bank berichtet. In dem Fall geht es um die Umsatzsteuerfreiheit der Leistung des Unternehmens an die Bank. Die Leistung der Bank an den Endkunden ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Der BFH hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) (Rechtssache Cardpoint GmbH als Gesamtrechtsnachfolger der Moneybox Deutschland GmbH; Rechtssache C-42/18) die Frage zur Entscheidung vorgelegt. Der Generalanwalt hat nun am 02.05.2019 seine Schlussanträge vorgelegt. Die Schlussanträge dienen der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und sind für die Richter des EuGH nicht bindend. Allerdings folgen die Richter des EuGH in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle den Schlussanträgen des Generalanwalts. Geldautomaten und Umsatzsteuer: Was ist also vom EuGH hinsichtlich der möglichen Umsatzsteuerfreiheit der im Rahmen des Betriebs von Geldautomaten ausgelagerten Leistungen (White Label Struktur) zu erwarten?

Schlussanträge des Generalanwalts des EuGH zu Geldautomaten und Umsatzsteuer: Kein umsatzsteuerfreies Outsourcing des Betriebs von Geldautomaten

In dem vorliegenden Fall hat ein Unternehmen (Moneybox Deutschland GmbH) zusammen mit einer Bank Geldautomaten betrieben. Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts des EuGH sind die Leistungen, die das Unternehmens an die Bank erbringt, nicht im Rahmen des Zahlungs- und Überweisungsverkehrs von der Umsatzsteuer befreit (Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. 2006, L 347, S. 1, MwStSyst-RL; § 4 Nr. 8 Buchst UStG).

Geldautomaten und Umsatzsteuer – was ist zu erwarten

In seinen Schlussanträgen führt der Generalanwalt zwar aus, dass das Unternehmen für die Auszahlung der Geldbeträge „unerlässliche“ Tätigkeiten erbringt. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zur Auslagerungen von einzelnen, an sich umsatzsteuerfreien Tätigkeiten übernehme das Unternehmen keinerlei Verantwortung hinsichtlich der für die Umsatzsteuerbefreiung erforderlichen rechtlichen und finanziellen Änderungen im Rahmen des Zahlungsvorgangs.

Es soll also, wenn es nach dem Schlussantrag des Generalanwalts geht, die Leistung des Unternehmens an die Bank im Rahmen des Betriebs von Geldautomaten nicht umsatzsteuerfrei erfolgen. Es bleibt abzuwarten, wie die Richter des EuGH nun entscheiden werden.

Anwendung des zu erwartenden EuGH-Urteils auf alle White Label Strukturen?

Ein wesentliches Merkmal einer sog. White Label Struktur im Bereich von Finanzdienstleistungen von Banken und Zahlungsinstituten ist es, dass die im Außenverhältnis gegenüber dem Kunden zu erbringende Leistung durch ein aufsichtsrechtlich reglementiertes Zahlungsinstitut oder eine Bank erbracht werden muss. Dieses Ziel einer White Label Struktur kann mit verschiedenen rechtlichen Strukturen umgesetzt werden, z.B. Vermittlung, Kommission (siehe auch https://paytechlaw.com/entscheidung-zur-umsatzsteuerfreiheit-von-white-label-strukturen-vertagt/). Daher stellt sich die Frage, ob das zu erwartende Urteil des EuGH auf alle rechtlichen White Label Strukturen anwendbar ist.

Die Antwort ist: nein. Liegt z.B. eine Leistungskommission vor, ist aufgrund der besonderen Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung als Fiktion (§ 3 Abs. 11 UStG) möglich, dass – unabhängig von den o.a. Voraussetzungen der Rechtsprechung für die Annahmen umsatzsteuerfreie ausgelagerten Leistungen – die von dem Unternehmen an die Bank erbrachte Leistung umsatzsteuerfrei ist.

Eine Leistungskommission liegt vor, wenn ein Unternehmen, z.B. eine Bank, in die Erbringung einer Leistung eingeschaltet wird und dabei im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung tätig wird (§ 3 Abs. 11 UStG). In der Praxis dürften durchaus Fälle anzutreffen sein, in denen die Banken oder Zahlungsinstitute bestimmte Tätigkeiten, z.B. auch das Geldautomatengeschäft, nicht mehr selbst betreiben möchten. Übernimmt ein fremdes Unternehmen alle Tätigkeiten und wirtschaftlichen Risiken aus dem Geschäft, bis auf die aufsichtsrechtlich zwingend durch eine Bank oder ein Zahlungsinstitut zu erbringenden Tätigkeiten, sprechen diese Umstände dafür, dass eine Leistungskommission vorliegt. Der Umstand, dass das Unternehmen aufsichtsrechtlich im Außenverhältnis z.B. den Geldautomaten nicht betreiben darf, steht der Annahme einer Leistungskommission nicht entgegen.

In dem Schlussantrag des Generalanwalts wird nicht explizit geprüft, ob die Voraussetzungen einer sog. Auslagerung i.S.d. Rechtsprechung des EuGH oder eine Leistungskommission vorliegen (§ 3 Abs. 11 UStG; Art. 28 MwStSystRL). Möglicherweise gab der dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Sachverhalt bzw. die vertragliche Struktur dazu keinen Anlass.

Die o.a. Überlegungen zeigen, dass die Abgrenzung zwischen einer Auslagerung und einer Leistungskommission für die Frage der Erbringung einer umsatzsteuerfreien Leistung sehr wichtig sein kann.

Daher sollten bei der rechtlichen Gestaltung einer White Label Struktur die umsatzsteuerlichen Auswirkungen im Blick behalten werden.

 

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