ESMA-Konsultationspapier: Leitlinien für Fondsnamen mit ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen

ESMA-Konsultationspapier: Leitlinien für Fondsnamen mit ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen | Cover picture: Adobe Stock/enjoys25

Am 18. November 2022 stellte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) den Entwurf von Leitlinien für die Benennung von Fonds mit ESG– oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen (im Original: „Guidelines on Funds‘ Names Using ESG or Sustainability-related Terms“) zur Konsultation. Mit den Leitlinien möchte die ESMA die im Supervisory Briefing vom 21. Mai 2022 enthaltenen prinzipienbasierten Leitlinien für Fondsbezeichnungen ergänzen. Ziel ist die Sicherstellung, dass die Namen von Fonds die Anlageziele und die Strategie des jeweiligen Fonds, wie sie in den dazugehörigen Dokumenten und in der Marketing-Kommunikation beschrieben werden, widerspiegeln. So soll auch das zunehmend wahrgenommene Risiko von „Greenwashing“ eingedämmt werden.

Die ESMA wird alle bis zum 20. Februar 2023 eingegangenen Stellungnahmen berücksichtigen und die finalen Leitlinien voraussichtlich im zweiten oder dritten Quartal 2023 veröffentlichen.

 

Was und wen regulieren die Leitlinien?

Gegenstand der produktbezogenen Leitlinien sind Fondsbezeichnungen mit ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen. Sie werden für Verwalter von Fonds sowie für die national zuständigen Behörden gelten.

Fondsnamen in Dokumenten und Marketing-Kommunikation dürfen nicht irreführend sein. Eine ESG- oder nachhaltigkeitsbezogene Terminologie darf nur dann verwendet werden, wenn sie in wesentlicher Weise durch Nachhaltigkeitsmerkmale oder -ziele belegt wird.

 

Wesentliche Regelungen in Bezug auf Fonds

Je nach verwendeter Terminologie muss ein Fonds folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Verwendung des Wortes „nachhaltig“ (sustainable) oder eines davon abgeleiteten Begriffs

Wenn ein Fonds das Wort „nachhaltig“ (sustainable) oder einen anderen davon abgeleiteten Begriff in seinem Namen trägt, muss dieser Fonds zu mindestens 80% in ESG-Anlagen im Sinne der SFDR (Bewerbung ökologischer oder sozialer Merkmale oder nachhaltige Investitionen) investieren. Von diesem Anteil müssen wiederum mindestens 50% nachhaltigen Anlagen im Sinne der SFDR zugewiesen sein.

Nicht ausdrücklich erwähnt wird, ob es hinsichtlich der Schwellen auf das Zeichnungskapital, das abgerufene Kapital oder den Wert des Fonds ankommt. Gemäß SFDR muss für Transparenzwecke bzw. die Offenlegung des Anteils der ökologisch nachhaltigen Investitionen auf den Marktwert abgestellt werden. Insoweit kann es nur Sinn machen, auch für Zwecke der Leitlinien auf den Marktwert abzustellen, zumal die Leitlinien insoweit ausdrücklich auf die entsprechenden Anhänge, die zur Offenlegung verwendet werden, verweisen.

Anders dagegen könnte u.E. beim Anteil der sonstigen, nicht-ökologisch nachhaltigen Investitionen und der Investitionen, mit denen ökologische oder soziale Merkmale beworben werden, verfahren werden, da es insoweit keine entsprechende Vorgabe gibt. Auch die in den Leitlinien aufgeführten Beispiele geben insoweit keinen Aufschluss.

 

2. Verwendung eines ESG-bezogenen Begriffs

Wenn ein Fonds einen ESG-bezogenen Begriff in seinem Namen trägt, müssen mindestens 80% der Anlagen dazu verwendet werden, die ökologischen oder sozialen Merkmale oder nachhaltigen Anlageziele gemäß den verbindlichen Elementen der Anlagestrategie im Sinne der Delegierten Verordnung zur SFDR zu erfüllen.

 

3. Mindestausschlüsse

Darüber hinaus „empfiehlt“ die ESMA allen Fonds, die einen ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriff in ihrem Namen tragen, Mindestschutzmaßnahmen einschließlich der auf Paris-abgestimmte EU-Referenzwerte anwendbaren Ausschlusskriterien (Art. 12 Abs. 1 u. 2 Delegierten Verordnung (EU) 2020/1818 zur Benchmark-Verordnung) zu ergreifen bzw. einzuhalten.

Somit sind Investitionen bei Einhaltung der Empfehlung in folgenden Bereichen nicht möglich: umstrittene Waffen, Tabak, bei Verstößen gegen die Grundsätze der Initiative „Global Compact“ der Vereinten Nationen (UNGC) oder die Leitsätze der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für multinationale Unternehmen, bei einem gewissen Umfang der Stromerzeugung mit einer THG-Emissionsintensität von mehr als 100 g CO2 e/kWh.

Investitionen bezüglich folgender Rohstoffe sind bei Einhaltung der Empfehlung nur eingeschränkt möglich: Stein- und Braunkohle, Erdöl, gasförmige Brennstoffe.

Die Verwalter sollten sich gut überlegen, ob sie einen Fonds auflegen möchten, der gegen die ausdrückliche Empfehlung der ESMA verstößt. Andererseits wäre es denkbar, einen Art. 8-Fonds aufzulegen, der auf Ebene der Portfoliounternehmen „nur“ auf „good governance“ achten muss, ggfs. auch nur bei einem Teil der Portfoliounternehmen, was deutlich leichter handhabbar wäre als die Einhaltung der Mindestausschlüsse für Paris-abgestimmte EU-Referenzwerte. Unklar ist, ob die ESMA-Empfehlung die Einhaltung dieser Mindestausschlüsse über das gesamte Portfolio vorsieht – u.E. ist dies der Fall.

 

4. Indexfonds

Ein Fonds, der einen Index als Referenzbenchmark benennt, kann ESG- und nachhaltigkeitsbezogene Begriffe in seinem Namen führen, wenn die Vorgaben der Ziffern 1) und 2) erfüllt sind.

Wir verstehen diese Aussage so, dass Ziffer 1) nur einzuhalten ist, wenn auch das Wort „nachhaltig“ oder ein davon abgeleitetes Wort verwendet wird.

 

5. Verwendung des Begriffs „Impact“, „Impact Investing“ oder wirkungsbezogenen Begriffs

Fonds, welche den Begriff „Impact“, „Impact Investing“ oder einen anderen wirkungsbezogenen Begriff in ihrem Namen tragen, müssen die Vorgaben der Ziffern 1) und 2) einhalten und darüber hinaus Investitionen in der Absicht tätigen, neben einer finanziellen Rendite auch positive und messbare ökologische oder soziale Auswirkungen zu erzielen.

 

Erwartungen an national zuständige Behörden

Die national zuständigen Behörden sollen die Anforderungen der Leitlinien während der gesamten Laufzeit des Fonds berücksichtigen. Eine vorübergehende Abweichung von den Schwellenwerten soll – wenn diese nicht auf eine bewusste Entscheidung des Vermögensverwalters zurückzuführen ist – als passiver Verstoß behandelt und im besten Interesse der Anteilsinhaber korrigiert werden.

Abweichungen in der Höhe der Schwellenwerte, bei denen es sich nicht um passive Verstöße handelt, können von der national zuständigen Behörde unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als Risikoindikator gewertet werden, der weitere Überprüfungen rechtfertigt.

U.E. spricht die Auseinandersetzung mit passiven Verstößen nicht zwingend dafür, dass immer der Marktwert des Fonds für die Schwellen relevant ist. Die Leitlinien sprechen nämlich auch davon, dass Marktteilnehmer über die regelmäßigen Offenlegungen überprüfen können, ob die Schwellen eingehalten werden. Da insoweit aber wie oben bereits ausgeführt nur bei den ökologisch nachhaltigen Investitionen ausdrücklich der Marktwerkt ermittelt und entsprechend der Anteil offengelegt werden muss, schließt dies u.E. nicht von vornherein aus, bei den sonstigen ESG-Investitionen auf das Zeichnungskapital abzustellen. Passive Verstöße sind auch beim Abstellen auf das Zeichnungskapital denkbar, etwa wenn Investitionen auslaufen oder neues Kapital eingesammelt wird.

 

Inkrafttreten und Übergangsfrist

Die Leitlinien sollen drei Monate nach Veröffentlichung ihrer Übersetzung auf der ESMA-Homepage in Kraft treten. Für Fonds, die vor diesem Zeitpunkt aufgelegt worden sind, ist eine Übergangsfrist von sechs Monaten vorgesehen: Sofern diese ESG- oder nachhaltigkeitsbezogene Begriffe in ihrem Namen führen, ist entweder deren Dokumentation innerhalb der Übergangsfrist mit den Anforderungen der Leitlinien in Einklang zu bringen oder deren Name so zu ändern, dass dieser keine ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffe mehr enthält.

 

Vergleich zur BaFin-Konsultation 13/2021

Bereits im August 2021 veröffentlichte die BaFin den Entwurf einer Richtlinie mit Vorgaben an Publikumsfonds, die im Namen einen Nachhaltigkeitsbezug aufweisen bzw. als nachhaltig vertrieben werden. Liegt ein nachhaltiger Fonds in diesem Sinne vor, müssen die Anlagebedingungen gewisse Anforderungen erfüllen, wobei drei verschiedene Arten zur Erfüllung zur Wahl stehen: 1) nachhaltiges Investmentvermögen aufgrund der Investition in nachhaltige Vermögensgegenstände, 2) nachhaltiges Investmentvermögen aufgrund einer nachhaltigen Anlagestrategie, 3) Nachbildung eines nachhaltigen Index. Die BaFin hat – misslicherweise und unter rechtlichen Gesichtspunkten bedenklich – trotz Nichtabschluss der Konsultation deklariert, die Richtlinie in der Konsultationsfassung anzuwenden.

Die Anforderungen der BaFin-Richtlinie gelten zwar nur für Publikumsfonds, sind aber inhaltlich grundsätzlich strenger als die Anforderungen der ESMA-Leitlinien. Sie verlangt nämlich grundsätzlich, dass die Umweltziele und Sozialziele i.S.d. SFDR und die Umweltziele i.S.d. Taxonomie-VO nicht erheblich beeinträchtigt werden. Sie differenziert auch nicht zwischen der Verwendung von „nachhaltig“ und „ESG“ etc.; sämtliche Nachhaltigkeitsbezüge lösen dieselben Rechtsfolgen aus. Andererseits arbeitet die BaFin-Richtlinie grds. mit einer 75 Prozent-Schwelle.

Wir hatten in der RdF (2022, 16) den Entwurf der BaFin-Richtlinie bereits ausführlich unter die Lupe genommen.

 

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