Decentralized Autonomous Organizations (DAO) – Eine Revolution in ihren Kinderschuhen

Decentralized Autonomous Organizations (DAO) - Eine Revolution in ihren Kinderschuhen | Jörg Streißle von Annerton | PayTechLaw

Decentralized Autonomous Organizations (DAO) versprechen eine Revolutionierung des Verbandswesens. Nicht mehr einige wenige „an der Spitze“, sondern vielmehr alle Mitglieder sollen gleichberechtigt über die Geschicke des Verbandes entscheiden.

Noch steckt diese Revolution allerdings in ihren Kinderschuhen. Um diesen entwachsen zu können, sind – neben vielen anderen– auch ein paar grundlegende Rechtsfragen zu klären. Hier ein Überblick:

 

DLT als Türöffner für neuartige Verbandsstrukturen

Technisch ermöglicht diese Revolution – wie schon in anderen Bereichen auch – die Distributed Ledger Technologie (DLT). Gerade im Bereich des Zusammenschlusses einer – letztendlich unbeschränkten – Vielzahl an Personen eröffnet sie völlig neue Horizonte.

Ihren heutigen Bekanntheitsgrad verdankt die Distributed Ledger Technologie vor allem der Kryptowährung Bitcoin und der ihr zugrunde liegenden Blockchain. Kern jeder DLT ist ein elektronisches Transaktionsverzeichnis (Ledger = engl. für Haupt-, Geschäfts- oder Bestandsbuch, Konto), welches nicht zentral an einem Ort, sondern vielmehr mit identischem Inhalt gleichzeitig bei allen Teilnehmern eines Netzwerkes in elektronischer Form vorhanden ist.

 

NFTs als „Mitgliedsausweis“

Mittels der Distributed Ledger Technology lassen sich Vermögenswerte digital abbilden. Zwar wird – was die landläufige Formulierung nahelegen könnte – der Vermögenswert selbst, z. B. ein begehrtes Sammlerobjekt, nicht digitalisiert. Elektronisch abgebildet wird vielmehr ein wie auch immer ausgestaltetes Teilhaberecht an dem Vermögensgegenstand, zum Beispiel ein Bruchteilseigentum in Gestalt eines Token. Mittels solcher Token kann auch die Mitgliedschaft in einer DAO abgebildet werden. Passend zur Individualität einer solchen Mitgliedschaft kommen hier vornehmlich Non Fungible Tokens (NFT) zum Einsatz.

 

Smart Contracts als Gerüst für eine DAO

Smart Contracts nutzen die Distributed Ledger Technology, um Transaktionen automatisch ablaufen zu lassen. Tritt eine vordefinierte Bedingung ein, wird die vertraglich festgelegte Folge automatisch getriggert, ohne dass es eines weiteren (menschlichen) Umsetzungsaktes bedürfte.

Auf eben solchen Smart Contracts beruht auch die Konstruktion einer DAO. Die Verfassung der DOA, untechnisch gesprochen: die „Regeln des Verbandslebens“, werden in Algorithmen elektronisch hinterlegt. Dies ermöglicht es, alle Mitglieder einer DAO auf einfache Weise an allen Entscheidungen, die für die DAO zu treffen sind, zu beteiligen. Stimmt die Mehrheit der Mitglieder einer DAO einer Beschlussvorlage zu, wird diese automatisch ausgeführt. Der zusätzlichen Willensbildung einer Geschäftsführung bedarf es nicht mehr; streng nach der reinen Lehre bedarf es für eine DAO vielmehr überhaupt keine zentrale Geschäftsführung mehr. Ist die beschlussgegenständliche Maßnahme selbst elektronisch ausführbar, z.B. der Erwerb eines speziellen NFT, kann sogar der Umsetzungsakt automatisch als Folge des Abstimmungsergebnisses angestoßen werden.

 

Wirtschaftliche Erscheinungsformen der DAO

Die überwiegende Erscheinungsform von DAO dürfte im Investmentbereich angesiedelt sein. Die DAO dient als „Kapital“-sammelstelle. Ihre Mitglieder leisten eine Einlage in Gestalt von Kryptowährungen und erhalten im Gegenzug NFTs, die ihre Mitgliedschaft „verbriefen“. Die Anlageentscheidungen werden nicht zentral von einem Fondsmanagement, sondern vielmehr nach den in den Smart Contract hinterlegten Spielregeln getroffen, die durchaus auch eine „basisdemokratische“ Beschlussfassung aller Mitglieder vorsehen können.

Darüber hinausgehend kommen DAOs heute auch in ganz anderen Bereichen zum Einsatz: wissenschaftliche Austauschforen, Social-Media-Plattformen und gar „Krypto-Finanzinstitute“ nutzen ebenfalls DLT-Strukturen für ihre Organisation.

 

Rechtliche Erscheinungsformen der DAO

Ob DAOs als operativ tätige Akteure der Realwelt taugen, wird sich zeigen und dürfte maßgeblich von ihrer rechtlichen Erscheinungsform abhängen. Die hier zur Verfügung stehenden Möglichkeiten bestimmen sich (noch) ausschließlich nach den Regeln der analogen Welt. Eine lex cryptographica gibt es nicht.

Zusammenschlüsse von Personenmehrheiten zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes müssen zwingend in Gestalt einer vom Gesetz vorgesehenen Rechtsform erscheinen. Eine „Gesellschaft eigener Art“ (oder sui generis, wie der Jurist sagt), sieht zumindest das deutsche Recht nicht vor.

 

DAO als Kapitalgesellschaft

Die Grundidee der DAO, nämlich die dezentral bei allen Mitgliedern angesiedelte Geschäftsführung und Entscheidungsgewalt, steht im Widerspruch zur gesetzlich zwingenden Verfassung der Aktiengesellschaft (AG) und insbesondere der Eigenverantwortung des Vorstandes. Eine DAO in Gestalt einer AG dürfte demnach per se ausscheiden.

Auch die Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) erscheint für eine DAO nur bedingt tauglich. Schon allein das Erfordernis eines notariellen Beitrittsaktes und die Maßgeblichkeit der in einer natürlichen Sprache zu formulierenden und beim Handelsregister zu hinterlegenden Satzung passen nur schwerlich zum Leitbild der DAO. Dies gilt letztendlich auch für die Rechtsform der Stiftung, die keine Mitglieder kennt.

 

DAO als Personengesellschaft

Quasi als Auffanglösung bleiben die Rechtsformen der Personengesellschaften übrig. Hier zeichnen sich insbesondere die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und ihre handelsrechtliche Schwester, die offene Handelsgesellschaft (oHG), durch ihre Flexibilität bei der Gestaltung der Verbandverfassung aus. Gegen die Kommanditgesellschaft (KG), auch in Gestalt der GmbH & Co. KG, sprechen hingegen die Eintragungserfordernisse der Gesellschafter und der Ausschluss der Kommanditisten von der Geschäftsführung, was der Natur der DAO zuwiderläuft.

Problematisch hingegen erscheint die unbegrenzte persönliche Haftung der Gesellschafter von GbR und oHG, die sich durch Ausgestaltung der Gesellschaft nicht generell gegenüber Dritten wirksam ausschließen lässt. Die GbR- oder oHG-Lösung birgt somit ein hohes Haftungsrisiko für die DAO-Mitglieder.

 

Treuhandlösungen

Interessant erscheinen vor diesem Hintergrund Treuhandlösungen, bei denen die DAO-Mitglieder nicht direkt der operativ tätigen Gesellschaft angehören, sondern hieran nur mittelbar über eine Treuhandgesellschaft beteiligt sind, die wiederum die Anteile an der operativ tätigen Gesellschaft hält und als DAO ausgestaltet ist. In Betracht kommen hier auch Stiftungslösungen.

Die auf der DAO-Struktur basierende Willensbildung der Mitglieder erfolgt auf der Ebene des Treuhänders, der diese dann kraft seiner Gesellschafterstellung auf die operativ tätige Gesellschaft „überträgt“.

 

Ausländische Gesellschaftsformen

Bei der Auswahl der Rechtsform einer der DAO oder insbesondere einer Treuhandgesellschaft zugrunde zu legenden Rechtsordnung kommen nicht nur deutsche Gesellschaftsformen in Betracht. Auf Basis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes stehen letztendlich sämtliche Rechtsformen, die Mitgliedstaaten der EU oder des EWR vorsehen, im Angebot. Dank einer völkerrechtlichen Vereinbarung mit den USA steht deutschen Gründern sogar die Rechtsform der Wyoming DAO LLC , die speziell auf die Bedürfnisse einer DAO zugeschnitten ist, zur Verfügung. Vielversprechende Lösungsansätze bietet auch das Schweizer Stiftungsrecht.

 

Cover picture: Copyright © Adobe Stock/hobbitfoot

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