Infografik | Corona und das europäische Kartengeschäft

Corona und das europäische Kartengeschäft | Dr. Hugo Godschalk von PaySys | Bild: Jacob Lund

Welchen Einfluss hatte die Pandemie auf das europäische Kartengeschäft?

Im ersten Jahr der neuen Corona-Zeitrechnung hat die Pandemie das Konsumverhalten und damit die Zahlungsgewohnheiten in Europa ordentlich aufgewirbelt. Die Bargeldnachfrage ist gestiegen, die Nutzung als Zahlungsmittel dagegen gesunken. Das Volumen der Kartenzahlungen (in Euro) der in der EU-27 ausgegebenen Karten ist leicht zurückgegangen (minus 0,8% gegenüber 2019), trotz Substitution des Bargeldes an der Kasse und trotz Zunahme im E-Commerce. Die Entwicklung ist innerhalb der EU in den einzelnen Mitgliedsstaaten allerdings sehr heterogen, wie z. B. in Deutschland mit plus 1,1% (inkl. ELV) und im Nachbarland Holland dagegen mit minus 9,8%. Die unterschiedliche Härte der Lockdowns haben ihre Spuren hinterlassen.

Im Kartengeschäft fällt allerdings auf, dass in nahezu allen Mitgliedsstaaten das Kreditkartengeschäft (inkl. sog. charge cards oder delayed debit cards) ordentlich unter den Folgen der Pandemie gelitten hat: Im Durchschnitt minus 13%. Offensichtlich ist die Kreditkarte weiterhin das Instrument, das mit Vorliebe im Travel- & Entertainment-Segment eingesetzt wird und besonders von den Lockdowns betroffen war. Die Debitkarte dagegen konnte sich mit einem Wachstum von 4% bei der Zahlung von Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs behaupten oder sogar ihre Position (zu Lasten des Bargeldes) ausbauen. Offensichtlich ist im Kopf des Verbrauchers Karte nicht gleich Karte.

Die entgegengesetzte Entwicklung bei Debit- und Kreditkarten in der EU würde sich theoretisch für eine schöne pyramidenartige Grafik eignen. Als Basis für unsere Infografik dient die Länderstatistik der EZB (Dateninput durch die jeweiligen Zentralbanken – Stand Juli 2021). Einige Länder haben wir weggelassen, da es dort keine Daten für das Kartengeschäft gibt (Zypern, Lettland, Malta) oder man dort anscheinend immer noch nicht zwischen Kredit- und Debitkarte unterscheiden kann, wie z. B. in Portugal. Für Deutschland haben wir das in der Statistik fehlende ELV-Kartenvolumen hinzugefügt.

Ebenfalls bringt es keinen Mehrwert, die Zahlen für Luxemburg darzustellen, da der dort erfasste Kartenumsatz vorwiegend von dort nicht-ansässigen Karteninhaber generiert wird. Die Methodik der EZB-Statistik richtet sich nämlich nach dem Standort des jeweiligen Zahlungsdiensteanbieters. Auf der Issuing-Seite kann man noch weitgehend von einer Identität des Standortes des Kartenherausgebers (Issuer) und des Karteninhabers ausgehen. Grenzüberschreitende Kartenausgaben sind noch (mit Ausnahme von Luxemburg und Litauen) ein relativ seltenes Phänomen.

Corona und das Kartengeschäft | Dr. Hugo Godschalk von PaySysZur Infografik im PDF-Format: Infographic Corona and the European card business von Dr. Hugo Godschalk (PaySys Consultancy)

 

Wir haben viel ausprobiert, aber irgendwie hat unser Weihnachtsbaum unschöne, kahle Stellen und einige extrem „geschossene“ Zweige. Was ist da los?

Bei Litauen haben wir seit 2020 das gleiche Problem, wie oben für Luxemburg beschrieben. Als Folge des Brexits haben sich dort einige Issuer aus UK niedergelassen, darunter das E-Geld-Institut Payrnet, das das Kartengeschäft von Wirecard Card Solutions übernommen hat. Das bislang in UK erfasste Kartenvolumen fällt in einem relativ kleinen Mitgliedsstaat sofort ins Gewicht (plus 42%). Es hat aber mit dem Kartengeschäft der Litauer nichts am Hut, da die meisten Karten dieses Issuers grenzüberschreitend ausgegeben werden.

Der zweite Ausreißer ist Griechenland mit 56% (!) Wachstum im Debitkartengeschäft. Zur Eindämmung der Steuerumgehung hat die griechische Regierung vor mehreren Jahren die Kartenakzeptanz für die meisten Präsenzgeschäfte verordnet. Sogar die Miete für eine Strandliege kann man fast überall mit Karte zahlen. Außerdem wurden Rabatte in der Einkommenssteuer gewährt, wenn man bargeldlose Zahlungen belegen konnte. Das hat damals zu einem Sprung in der Kartenumsatzstatistik geführt, aber dieser Effekt ist schon längst abgeebbt. Es gibt unseres Wissens auch keine neuen Zwangsmaßnahmen zur Förderung der bargeldlosen (Karten-)Zahlungen. Ein Vertreter eines großen griechischen Acquirers erzählte mir vor kurzem, dass die Kartenzahlungen am POS im Präsenzgeschäft 2020 mehr oder weniger stagniert sind. Das passt nicht zum 56% Umsatzanstieg im Issuing-Geschäft, es sei denn die Griechen haben im Corona-Jahr massenhaft mit Karten im Ausland und/oder im Internet eingekauft. Die Lösung des Rätsels ist vermutlich ein erheblicher Fehler in der Zahlungsverkehrsstatistik der griechischen Zentralbank. An mehreren Stellen ist die Statistik in sich inkonsistent. So werden in der gleichen Statistik z. B. die Anzahl der POS-Transaktionen griechischer Karten im In- und Ausland 2019 mit 691 Mio. und an anderer Stelle die nur inländischen POS-Transaktionen dieser Karten in Höhe von 960 Mio. angegeben. Das passt nicht zusammen. Eine oder beide Zahlen sind falsch. Ein Zahlendreher? Wir haben bei der Zentralbank in Athen nachgefragt. Die Antwort steht noch aus. Jede Wette, dass dieser Zweig in unserem Weihnachtsbaum bald kräftig zurechtgestutzt wird.

Abwarten, was das zweite Corona-Jahr uns an neuen Erkenntnissen bringt. Bis dahin wünschen wir ein Frohes Fest, mit einem hoffentlich schöneren Weihnachtsbaum.

 

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