Produktintervention der BaFin gegen mittelbare Investitionen von Retailanlegern in Spezialfonds

Umfassende Produktintervention gegen mittelbare Investitionen von Retailanlegern in Spezialfonds | Anh-Vu Tran und Dr. Anna Izzo-Wagner von Annerton | Cover picture: Adobe Stock/ra2 studio

Gemäß Meldung von Finance FWD hat die Münchner Plattform Econos nach der Produktintervention seitens der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Dezember ihr gesamtes Angebot an Investmentprodukten vorübergehend gestoppt. Ebenso hat nun der als Haftungsdach für die Anlagevermittlung agierende Partner hinter den tokenisierten Venture Capital-Anteilen, die Effecta GmbH, ähnliche Investmentprodukte vom Markt genommen. Solche Produkte wurden mit dem Ziel aufgelegt, selbst nicht als Investmentvermögen zu qualifizieren – entweder durch Ausgestaltung als Verbriefungszweckgesellschaft, die von den Vorschriften des KAGB ausgenommen ist (unseres Erachtens ist allerdings fraglich, ob dieses Argument tragfähig ist), und/oder durch Einräumung eines unbedingten Rückzahlungsanspruchs, sodass (rechtlich) keine Verlustteilnahme der Investoren begründet wird. Mittelbar sollte damit jedoch durch das Pooling von kleineren Investmentbeträgen eine mittelbare Investition von Kleinanlegern in solche Investmentfonds ermöglicht werden, in die nur größere Investoren investieren dürfen.

Als Grund für die Produktintervention nannte die BaFin im Dezember „erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz“ und als Rechtsgrundlage entsprechend Art. 42 MiFIR. Offenbar stört sich die BaFin an der Tatsache, dass Retailanleger über ein SPV mittelbar (wirtschaftlich) an Spezialfonds partizipieren, diese aber nur semi-professionellen und professionellen Anlegern offenstehen. Das mag dem ein oder anderen auf den ersten Blick einleuchten. Bei näherer Betrachtung ist die Thematik jedoch nicht nur in juristischer Hinsicht nicht so trivial.

 

Unklare Rechtslage

Es gibt kein ausdrückliches, gesetzlich verankertes Verbot der Ermöglichung der mittelbaren Beteiligung von Retailanlegern an Spezialfonds. Insbesondere weil der Gesetzgeber das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) zuletzt im Jahr 2021 um das Verbot von Blindpool-Konstruktionen erweiterte und in diesem Zusammenhang auch gemäß einem Merkblatt der BaFin (das zuletzt Mitte 2022 erweitert wurde) ausdrückliche mittelbare Investitionen bzw. Mehrebenenstrukturen erfasst werden, war es nicht abwegig, davon auszugehen, dass ein gewünschtes Verbot der mittelbaren Partizipation von Retailanlegern an Spezialfonds ebenfalls im Gesetz verankert worden wäre – zumal die rechtliche Konstruktion (mittelbare Investition über ein SPV) schon seit jeher denkbar war und nicht etwa durch eine Neuerung/unvorhergesehene Gesetzeslücke o.ä. erst möglich wurde. Auch im Auslegungsschreiben zum Anwendungsbereich des KAGB und zum Begriff des “Investmentvermögens” der BaFin, wo man sonst das Verbot vermuten würde, findet sich keine entsprechende Aussage. Vor allem hätte die BaFin das (vermeintliche) Problem auch ggfs. dadurch lösen können, dass sie solche SPV’s mittels Durchschau selbst als Investmentvermögen ansieht, was effektiv aufgrund der Nichtanwendbarkeit des Registrierungsregimes auf Publikums- bzw. Retailfonds verwaltende Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG’en) einem Verbot gleichkäme. Bisher sieht es anscheinend auch die BaFin selbst so, dass die SPV’s nicht als Investmentvermögen qualifizieren, da sie wohl sonst auf anderem Wege gegen diese vorgehen würde – der Betrieb einer Kapitalverwaltungsgesellschaft (die Investmentvermögen verwaltet) ohne Registrierung bzw. Erlaubnis ist nämlich ein Straftatbestand. Auch eine Allgemeinverfügung – ähnlich wie zu den Contracts for Difference (CFD’s) – wäre möglicherweise denkbar.

Die Belassung der Rechtslage und der schriftlichen Verwaltungspraxis hat nun dazu geführt, dass Marktteilnehmer grundsätzlich nach bestem Wissen und Gewissen Investmentprodukte strukturiert und vertrieben haben und diese nun ohne Gewährung von Bestandsschutz mit einem Vertriebsverbot belegt werden – eine missliche Lage, die hätte verhindert können. „Verschärft“ wurde die Situation noch dadurch, dass für die betroffenen Investmentprodukte für Aufklärungszwecke in regulatorischer Hinsicht typischerweise nur Basisinformationsblätter nach der PRIIPs-Verordnung erstellt werden mussten, die keiner Genehmigung der BaFin bedurften (obwohl die PRIIP-VO ausdrücklich die Möglichkeit einer Vorlagepflicht vorsah). In der Theorie stand es den Marktteilnehmern zwar offen, auch ohne Genehmigungspflicht im Vorfeld Anfragen an die BaFin zu ihren geplanten Produkten zu stellen. Praktisch war und ist dagegen häufig mit sehr langen Bearbeitungszeiten oder sogar einer Nichtbeantwortung von Anfragen zu rechnen – was mit den wirtschaftlichen Bedürfnissen von Produktkonzepteuren häufig nicht in Einklang zu bringen ist.

 

Gründe gegen ein pauschales Produktverbot

Man findet durchaus Gründe, die dafürsprechen, dass ein mittelbares Investment von Retailanlegern in Spezialfonds möglich sein sollte, bzw. Argumente, die die Gründe dagegen entkräften.

Ein sicherlich zutreffender Grund, warum keine Direktinvestments von Retailanlegern in Spezialfonds möglich sein dürfen, ist, dass gerade bei den Spezialfonds, die „nur“ von einer registrierten KVG verwaltetet werden, im Wesentlichen keine gesetzlichen Produkt- und Vertriebsvorgaben greifen. Insbesondere müssen für die (Klein-)Anleger kein Verkaufsprospekt und keine wesentlichen Anlegerinformationen erstellt werden. Lediglich ein Basisinformationsblatt und gewisse unter dem Zivilrecht erforderliche Informationen werden zur Verfügung gestellt. Der Kleinanleger würde insoweit an einem Erfahrungs- und Informationsdefizit leiden. Indem ein SPV eingeschaltet wird, dessen Personal bzw. Geschäftsführung die nötige Erfahrung hat, und das durch die Bündelung der Kleinanlagen eine Ticketgröße erreichen kann, die eine gewisse Verhandlungsmacht mit sich bringt, können diese Defizite grundsätzlich behoben werden.

Zudem bewegen sich die SPV’s bzw. die Vertriebseinheiten nicht im unregulierten Bereich: sie dürfen in aller Regel nur im Wege der unter dem Kreditwesengesetz (KWG) erlaubnispflichtigen Anlagevermittlung vertrieben werden – der Vertrieb über die Finanzanlagenvermittlung unter der Gewerbeordnung (GewO) ist in der Regel nicht ausreichend bzw. zulässig. Im Rahmen der Anlagevermittlung hat der Vermittler eine Angemessenheitsprüfung durchzuführen.

Die möglichen Argumente gegen die mittelbare Investition von Retailanlegern in Spezialfonds, dass diese üblicherweise nicht von einer zugelassenen Einheit verwaltet werden und es sich bei den Assetklassen Venture Capital und Private Equity – die häufig das Anlageuniversum der Spezialfonds darstellen – um riskante Anlagen handelt, vermögen unseres Erachtens nicht, jedenfalls nicht mit pauschaler Gültigkeit, zu verfangen. Aktien und Optionen etwa sind nicht per se weniger riskant und Kleinanleger können mit diesen grundsätzlich – im Wege des Eigenhandels oder der Finanzkommission der Banken – ebenfalls handeln, ohne dass es mehr als einer Angemessenheitsprüfung (und noch nichtmal dieser bei börsengehandelten Aktien, sog. execution-only) und ohne, dass es eines zugelassenen Verwalters bedarf. Oder mit anderen Worten: bei solchen Anlagen werden die Kleinanleger nicht „bevormundet“. Zu guter Letzt ist wirtschaftlich zu bedenken, dass Anleger in Zeiten niedriger Zinsen einen Bedarf an alternativen Anlagen haben.

Möchte man damit gegen die Produkte argumentieren, dass Verwalter ohne Erlaubnis möglicherweise weniger kompetent in der Vermögensanlage sind und/oder verstärkt betrügerische Absichten verfolgen könnten, so müsste nach unserem Dafürhalten das Registrierungsregime vollständig abgeschafft oder reformiert werden, da auch größere Investoren schutzwürdig sind (unter dem deutschen AGB-Recht sind etwa Unternehmer auch nicht völlig schutzunwürdig). Zudem stehen ohnehin hinter semi-professionellen und professionellen Investoren häufig Privatpersonen bzw. Retailanleger, wie z.B. bei Versicherungen, Altersvorsorgeeinrichtungen u.ä., oder es werden über die (semi-)professionellen Investoren zumindest im Ergebnis die Interessen von Privatpersonen verfolgt, wie z.B. bei Vereinen und Stiftungen. Ist das Ziel der BaFin also, generell Kleinanleger zu schützen, so ist das Produktverbot in der jetzigen Form zu kurz gedacht und im Gesamtkontext nicht konsequent. Des Weiteren stehen auch Anlegern von Fonds, die von „nur“ registrierten KVG’en verwaltet werden, bei Fehlverhalten der KVG ggfs. zivilrechtliche Ansprüche zu – es ist also mitnichten so, dass solche Anleger völlig schutzlos sind.

Letztlich hatte auch bereits die AIFMD explizit vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten den Vertrieb von alternativen Investmentfonds an Kleinanleger erlauben können, ohne dass diese Möglichkeit auf bestimmte Assetklassen o.ä. beschränkt wurde.

 

Alternativen zum vollständigen Produktverbot?

Jedenfalls wäre es begrüßenswert, wenn bei den betroffenen Produkten – zumindest bei den betroffenen Bestandsprodukten – eine „Heilung“ möglich wäre. Denkbar wären etwa ein „Upgrade“ von der Angemessenheitsprüfung zur Geeignetheitsprüfung auf Ebene des Vermittlers und der Nachweis der Zuverlässigkeit des SPV’s bzw. seiner Geschäftsführer., flankiert mit der Pflicht des SPV’s, den Investoren sämtliche vom Spezialfonds erhaltenen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Gerade die Geeignetheitsprüfung würde den Anleger schützen, da insoweit auch seine Verlusttragfähigkeit und seine Risikotoleranz bzw. seine Anlageziele berücksichtigt werden. Hielte man dies immer noch nicht für ausreichend, könnte zusätzlich noch der Nachweis der Zuverlässigkeit (und ggfs. Kompetenz) des Spezialfonds bzw. seiner Geschäftsführer möglich sein. Würde man all diese Maßnahmen ergreifen, so würde man sich dem Schutzniveau nähern, das bei einem europäischen langfristigen Investmentfonds (European long-term investment fund – ELTIF) gilt. ELTIF’s stehen bereits jetzt nicht nur semi-professionellen und professionellen Anlegern offen und werden vor allem perspektivisch auch für „echte“ Retailanleger zugänglich sein.

Auch nicht außer Acht gelassen werden sollte, dass nach aktuellem Ausblick perspektivisch Anleger mit einer Investitionsverpflichtung von mindestens 100.000 EUR grundsätzlich als professionelle Anleger unter der AIFMD zählen werden. Somit lässt sich generell der Wille des europäischen Gesetzgebers feststellen, dass über Fonds künftig ein breiteres Anlegerpublikum erschlossen werden soll als bisher. Auch die beabsichtigte Förderung von Venture Capital durch die Umsatzsteuerbefreiung für Wagniskapitalfonds, die durch das Fondsstandortgesetz eingeführt wurde, und die Erleichterung von kleineren Investitionen über Crowdfunding durch die Einführung der Crowdfunding-Verordnung sind in diesem Kontext zu berücksichtigten. Nicht nur die Liberalisierung der Anlagemöglichkeiten für Kleinanleger ist ein Faktor, sondern auch der gesteigerte Kapitalbedarf von kleinen und mittelständischen Unternehmen, darunter den Start-Ups. Daher erscheint uns ein absolutes Verbot der betroffenen Produkte, insbesondere von Bestandsprodukten, als zumindest unverhältnismäßig und generell nicht im Einklang mit aktuellen Entwicklungen.

Es bleibt zu hoffen, dass zumindest für die betroffenen Bestandsprodukte das Vertriebsverbot grundsätzlich nur eine vorübergehende Maßnahme darstellt, die in ihrer Absolutheit bzw. Härte nur getroffen wurde, um den Status Quo „einzufrieren“, und dass in Absprache mit der BaFin grundsätzlich ein Weitervertrieb ermöglicht wird, wenn auch nur unter angepassten Bedingungen.

 

Schaffung einer klaren Rechtslage notwendig

In jedem Fall sollte endlich Rechtssicherheit dergestalt geschaffen werden, dass der Gesetzgeber im Rahmen einer Gesetzesänderung und/oder die BaFin im Rahmen einer Anpassung ihrer Merkblätter bzw. Auslegungsschreiben oder einer Allgemeinverfügung tätig wird.

 

Geschäftschance für die zugelassenen KVG’en? Alternativen für die SPV-Initiatoren?

Sollte der Vertrieb der Produkte durch Personen, die nicht zugelassene KVG’en sind, in keiner Form (mehr) möglich sein, könnte dies eine Chance für die zugelassenen KVG’en sein, in dieses Geschäftsfeld als „Ersatzverwalter“ einzusteigen. Die Nachfrage seitens der Retailanleger ist jedenfalls offensichtlich vorhanden.

Den zugelassenen KVG’en ist zwar verwehrt, einen Publikums-Feederfonds aufzulegen, der in einen Spezial-Masterfonds investiert. Ein (geschlossener) Publikums-Dachfonds, der überwiegend in einen (geschlossenen) Spezial-Zielfonds investiert, ist indes denkbar; eine gewisse Diversifikation bringt hierbei auch Vorteile mit sich. Der Ziel-Spezialfonds müsste wohl auch nicht zwingend von einer zugelassenen KVG verwaltet werden (hierauf deutet neben dem Gesetzeswortlaut auch hin, dass der Erwerb von Ziel-EuVECA möglich ist, die ebenfalls von „nur“ registrierten KVG’en verwaltet werden können); maßgeblich scheint nur zu sein, dass der Zielfonds gewisse (Anlage-)Vorgaben einhält. Auch dies spricht übrigens im Kontext der SPV-Konstrukte dafür, dass die Verwaltung des Zielfonds – der die eigentlichen Anlagen tätigt – durch eine „nur“ registrierte KVG nicht per se schädlich sein kann, jedenfalls so lange die Retailanleger auf den vorgeschalteten Ebenen hinreichend geschützt werden.

Für die bisherigen Initiatoren der SPV-Strukturen wäre im Rahmen des Dachfonds-Zielfonds-Konstrukts denkbar, als Anlageberater des Publikums-Dachfonds tätig zu werden, der die Ziel-Spezialfonds ausmacht, als auch gegenüber den Investoren die Anlageberatung und Anlagevermittlung mit Blick auf den Publikums-Dachfonds zu erbringen. Für Ersteres wäre eine bankaufsichtsrechtliche Erlaubnis erforderlich, für Letzteres eine gewerberechtliche Erlaubnis ausreichend.

 

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