Der BGH hat zur Haftung eines Bürgen gegenüber einem Kreditinstitut entschieden und dabei drei Kernaussagen getroffen, die für das Bürgschaftsrecht und noch mehr aber für das Zahlungsdiensterecht von allgemeiner Bedeutung sind.
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Die erste Aussage war zu erwarten: Der Einwendungsausschluss nach § 676b Abs. 2 BGB wirkt nicht nur gegenüber dem Zahlungsdienstnutzer, sondern auch gegenüber dessen Bürgen. Auch dem Bürgen ist es also verwehrt, sich nach dem Ablauf von 13 Monaten nach dem Tag der Kontobelastung noch darauf zu stützen, dass verbuchte Zahlungsvorgänge nicht autorisiert bzw. fehlerhaft waren – mit diesen Einwendungen ist er nach Fristablauf „ausgeschlossen“.
Die zweite Aussage zieht einen Schlussstrich unter eine jüngere Diskussion in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft: Auch die institutsinterne Belastung eines beim Institut geführten Kontos (zB die Buchung institutseigener Kontoführungsgebühren) soll einen Zahlungsvorgang darstellen.
Die dritte Aussage trifft eine Klarstellung mit besonderer Praxisrelevanz: Der Einwendungsausschluss nach § 676b Abs. 2 BGB umfasst keine Einwendungen, mit denen geltend gemacht wird, dass die vom Institut beanspruchten – und mittels Belastungsbuchung geltend gemachten – Ansprüche (Zinsen, Provisionen, Gebühren etc., die das kontoführende Institut vom Kontoinhaber verlangt) gar nicht oder nicht in der geforderten Höhe bestehen.
1. Gegenstand der Entscheidung – worum ging es?
Im zugrundeliegenden Rechtsstreit klagte ein Kreditinstitut auf Zahlung aus einer selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaft. Der in Anspruch genommene Bürge wand dagegen ein, dass vom Kreditinstitut in der Vergangenheit geltend gemachte Belastungsbuchungen auf dem streitgegenständlichen Konto des Hauptschuldners unberechtigt gewesen seien. Das Kreditinstitut hielt dem wiederum den Einwendungsausschluss nach § 676b Abs. 2 BGB entgegen (= Anspruchs- und Einwendungsausschluss gegenüber dem Zahlungsdienstleister, wenn ihn der Zahlungsdienstnutzer nicht innerhalb von 13 Monaten nach der Belastung mit einem nicht autorisierten/fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgang unterrichtet), stellte sich also auf den Standpunkt, dass der Bürge mit seinen Einwänden jedenfalls zu spät käme.
Im Kern ging es damit um die Frage, ob der gegenüber dem Hauptschuldner (Zahlungsdienstnutzer) greifende Einwendungsausschluss auch unmittelbar zu Lasten des Bürgen wirkt. Das OLG Köln (Urt. v. 28.10.2021 – 12 U 216/20) hat das als Berufungsgericht bejaht und hierzu festgehalten, dass die institutsinternen Belastungsbuchungen eines Kontos mit Zins- und Provisionsansprüchen der kontoführenden Bank anzeigepflichtige Zahlungsvorgänge iSd §§ 676b Abs. 2, 675f Abs. 4 Satz 1 BGB darstellten, die Nichtautorisierung/Fehlerhaftigkeit also innerhalb der Frist von 13 Monaten anzuzeigen sei.
2. Einwendungsausschluss – auch gegenüber dem Bürgen?
Der BGH bestätigt zunächst, was das OLG Köln bereits vorgezeichnet hatte: Hat der Zahlungsdienstnutzer die 13-monatige Unterrichtungspflicht nicht eingehalten und wendet sich erst dessen Bürge – nach Fristablauf – gegen nicht autorisierte/ fehlerhaft ausgeführte Zahlungsvorgang, greift auch dem Bürgen gegenüber der Einwendungsausschluss nach § 676b Abs. 2 BGB.
Das ist nur konsequent. Insbesondere steht dem § 768 Abs. 2 BGB nicht entgegen: Diese Vorschrift sieht vor, dass ein Bürge seine Einreden gegenüber dem Gläubiger nicht dadurch verliert, dass der Hauptschuldner hierauf verzichtet. Um so eine Verzichtskonstellation ging es hier aber gar nicht. Denn – so bringt es der BGH auf den Punkt – „die Untätigkeit des Zahlungsdienstnutzers auf einen nicht autorisierten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgang hin ist […] einem rechtsgeschäftlichen Verzicht auf eine Einrede nicht gleichzustellen.“
3. Institutsinterne Belastungsbuchungen als Zahlungsvorgang?
Wie schon das OLG Köln eröffnet der BGH den Anwendungsbereich des § 676b Abs. 2 BGB zunächst einmal, indem er institutsinterne Belastungsbuchungen mit institutseigenen Ansprüchen als Zahlungsvorgang qualifiziert.
Damit setzt er einen Schlusspunkt unter die anlässlich des Berufungsurteils des OLG Köln aufgekommene Diskussion um die Qualität solcher institutsinternen Buchungen. Teile der rechtswissenschaftlichen Literatur und auch das AG Köln hatten einen Zahlungsvorgang noch verneint, da es sich hier lediglich um einen internen Vorgang handele und der Zahlungsdienstleister nur für sich und nicht für einen anderen tätig werde.
Der BGH kann sich dagegen auf den Passus in den Gesetzgebungsmaterialien stützen, dass ein Zahlungsvorgang den „tatsächlichen Geldfluss“ – als Oberbegriff von Bereitstellung, Transfer oder Abhebung eines Geldbetrages – darstelle. So zieht er den Schluss, dass auch bei institutsinternen Belastungsbuchungen mir institutseigenen Ansprüchen ein Ab- und Zufluss von Buchgeld stattfinde. Eine vertiefte Erörterung mit der Frage, ob und inwiefern reine Buchungsvorgänge schon begrifflich als „tatsächlicher Geldfluss“ eingeordnet werden können, sucht man an dieser Stelle allerdings vergeblich.
4. Einwendungsausschluss? Ja! Für alle Einwendungen? Nein!
In der entscheidenden Nuance korrigiert der BGH aber die noch vom OLG Köln eingenommene Position: Wird die 13-monatige Frist verpasst, sind zwar solche Ansprüche des Zahlungsdienstnutzers nach den §§ 675u ff. BGB ausgeschlossen, mit denen die fehlende Autorisierung/ Fehlerhaftigkeit eines Zahlungsvorgangs gerügt wird. Entscheidend ist aber folgende Klarstellung: Der Ausschluss gilt nicht für solche Einwände, mit denen geltend gemacht wird, dass die mittels institutsinterner Belastungsbuchung geltend gemachten Gebühren-/Zins-/Provisionsansprüche dem Grunde oder der Höhe nach gar nicht bestehen.
Mit anderen Worten: Es mag zwar der Anwendungsbereich des Einwendungsausschluss in sachlicher (Stichwort: Zahlungsvorgang) und personeller Hinsicht (Stichwort: auch gegenüber Bürgen) zunächst eröffnet sein – er greift aber dort nicht mehr, wo die Berechtigung des mit der Buchung geltend gemachten Anspruchs als solchem in Rede steht.
5. Unmittelbare Folgen
Die Entscheidung des BGH ist vor allem in dieser letzten Facette von unmittelbarer praktischer Bedeutung. Sie dürfte auf eine Vielzahl von bereits rechtshängigen Gerichtsverfahren Auswirkungen haben.
Postbank-Entscheidung
Als Nachwehen der sog. Postbank-Entscheidung (BGH Urt. v. 27.4.2021 – XI ZR 26/20, PayTechLaw hat mehrfach [1.], [2.] und [3.] berichtet), mit der der BGH den Zustimmungsfiktionsmechanismus in den damaligen Banken-AGB (gilt entsprechend für die Sparkassen-AGB) gegenüber Verbrauchern für unwirksam befunden hat, wird nun über Ansprüche einzelner Kunden auf Rückzahlung der aufgrund der unwirksamen Zustimmungsfiktion vereinnahmten Gebühren gestritten.
In Anspruch genommene Kreditinstitute haben diesen sie treffenden Rückzahlungsbegehren unter anderem den Einwendungsausschluss nach § 676b Abs. 2 BGB entgegen gehalten (ganz im Sinne des hiesigen BGH-Urteils diese Argumentation ablehnend zB AG Köln). Mit dem Urteil des BGH ist dem nun erst einmal ein Riegel vorgeschoben.
Musterfeststellungsklagen
In diesem Kontext sind zudem zwei Musterfeststellungsklagen vor dem Berliner KG (26 MK 1/21) und dem OLG Hamm (31 MK 1/21) anhängig. Deren Feststellungsziele (jeweils Feststellungsziel 9) wollen unter anderem bestätigt sehen, dass eine Belastungsbuchung keinen Zahlungsvorgang im Sinne des § 676b Abs. 2 BGB darstellt – das Gegenteil hat der BGH nun festgestellt.
Eben für diesen Fall begehren die Musterfeststellungsklagen aber hilfsweise die Feststellung, dass sich gegenüber Verbrauchern, die einen Anspruch auf die Erstattung von Entgelten bzw. Gebühren geltend machen, aus § 676b Abs. 2 BGB keine diesbezügliche Ausschlussfrist ergibt – auch das, und darauf wird es den Musterfeststellungsklagen im Ergebnis entscheidend ankommen, hat der BGH nun vorwegnehmend bejaht.