EBA-Leitlinien: Compliance-Management & die Rolle und Zuständigkeiten des Geldwäschebeauftragten

EBA-Leitlinien zu Strategien und Verfahren in Bezug auf das Compliance-Management und die Rolle und Zuständigkeiten des Geldwäschebeauftragten | Thierry Joseph von Annerton | Cover picture: Adobe Stock/wladimir1804

Im Juni 2022 hat die Europäische Bankenaufsichtsbehörde („EBA“) ihre Leitlinien zu Strategien und Verfahren in Bezug auf das Compliance-Management und die Rolle und Zuständigkeiten des Geldwäschebeauftragten gemäß Artikel 8 und Kapitel VI der EU-Richtlinie 2015/849 (im Folgenden die “Leitlinien“) veröffentlicht. Diese treten am 1. Dezember 2022 in Kraft.

Die Leitlinien zielen darauf ab, eine gewisse Klarheit über Artikel 8 Absatz 4 der EU-Richtlinie 2015/849 vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung (auch bekannt als Vierte Geldwäscherichtlinie) (im Folgenden die “Richtlinie“) zu schaffen, wonach Verpflichtete (im Sinne der Richtlinie, d. h. Kreditinstitute, Finanzinstitute und andere Gewerbetreibende) verpflichtet sind, „interne Grundsätze, Kontrollen und Verfahren“ auszuarbeiten, „einschließlich der Benennung eines für die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften zuständigen Beauftragten auf Leitungsebene, wenn dies angesichts des Umfangs und der Art der Geschäftstätigkeit angemessen ist […].“

Die Europäische Kommission und die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (die „ESAs“) haben in zahlreichen Berichten festgestellt, dass viele Institute ihren Verpflichtungen gemäß Artikel 8 Absatz 4 der Richtlinie nicht nachkommen und dass die Richtlinie in den verschiedenen Sektoren und Mitgliedstaaten ungleichmäßig umgesetzt wurde, obwohl der Text nicht neu ist (und seit 2015 nie geändert wurde).

Mit der Herausgabe der Leitlinien möchte die EBA erreichen, dass die zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden sowie die Kredit- und Finanzinstitute ein gemeinsames Verständnis der Rolle (i) des Geldwäschebeauftragten und (ii) des Leitungsorgans in Bezug auf die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung („AML/CTF“) entwickeln.

 

Kriterien der Verhältnismäßigkeit und Umfang der AML/CTF-Anforderungen

Die Leitlinien sehen vor, dass Kredit- und Finanzinstitute ein für AML/CTF zuständiges Mitglied des Leitungsorgans ebenso wie einen Geldwäschebeauftragten ernennen müssen (es sei denn, die Ernennung des letzteren wäre unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit, u.a. im Hinblick auf die Geschäftstätigkeit des Instituts und die damit verbundenen Risiken der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, nicht gerechtfertigt).

Bei Anwendung der Verhältnismäßigkeitskriterien lassen sich vier verschiedene Stufen von AML/CTF-Anforderungen für Kredit- und Finanzinstitute unterscheiden:

  1. Ist das Institut nur mit sehr geringen Geldwäsche-Risiken konfrontiert, kann es sich dafür entscheiden, keinen Geldwäschebeauftragten, sondern nur ein für AML/CTF zuständiges Mitglied des Leitungsorganes zu ernennen. In diesem Szenario muss dieses Mitglied alle Aufgaben ausführen, die normalerweise vom Geldwäschebeauftragten erledigt werden würden.
  2. Das Institut kann sich dafür entscheiden, einen Geldwäschebeauftragten auf Teilzeitbasis zu ernennen. Sollte diese Funktion von einem Mitarbeiter des Instituts wahrgenommen werden, müssen Interessenkonflikte vermieden werden, d. h. der Mitarbeiter muss unabhängig von den Geschäftsfeldern oder -bereichen sein, die er kontrolliert, und darf nicht einer Person unterstellt sein, die für die Leitung einer dieser Geschäftsbereiche oder eines dieser Geschäftsfelder verantwortlich ist.
  3. Sollte das Institut der Ansicht sein, dass ein auf Teilzeitbasis tätiger Geldwäschebeauftragter nicht ausreicht, um den Geldwäsche-Risiken des Instituts zu begegnen, sollte ein Geldwäschebeauftragter auf Vollzeitbasis ernannt werden.
  4. Zusätzlich zu dem für AML/CTF zuständiges Mitglied des Leitungsorgans und dem Geldwäschebeauftragten kann von dem Institut verlangt werden, eine spezielle AML/CTF-Compliance-Einheit einzurichten, die aus Mitarbeitern besteht, die unter der Weisung und Aufsicht des Geldwäschebeauftragten handeln.

Es ist auch möglich die Funktion des Geldwäschebeauftragten auszulagern, aber es sollte sichergestellt werden, dass eine solche Vereinbarung im Einklang mit den Leitlinien der ESAs zur Auslagerung und zur internen Governance steht (z. B. die EBA-Leitlinien zu Auslagerungen (EBA/GL/2019/02)).

 

Aufgaben und Rolle des Leitungsorgans

In den Leitlinien wird zwischen (i) dem Leitungsorgan in seiner Aufsichtsfunktion (das die Entscheidungen der Geschäftsleitung beaufsichtigt und überwacht) und (ii) dem Leitungsorgan in seiner Leitungsfunktion (das das Tagesgeschäft des Instituts führt) unterschieden.

  • Zu den Aufgaben des Leitungsorgans in seiner Aufsichtsfunktion gehören unter anderem die Überwachung, inwieweit die AML/CTF-Strategien und -Verfahren angemessen und wirksam sind, sowie die Bewertung der effektiven Funktionsweise der AML/CTF Compliance-Funktion.
  • Das Leitungsorgan sorgt in seiner Leitungsfunktion unter anderem für die Umsetzung der internen AML/CTF-Strategien und -Verfahren sowie für eine angemessene, rechtzeitige und ausreichend detaillierte AML/CTF-Berichterstattung an die zuständige Behörde. Außerdem muss es sicherstellen, dass die AML/CTF-Compliance-Funktion über ausreichende Befugnisse und (personelle und technische) Ressourcen verfügt, um ihre Aufgaben zu erfüllen.

Wie bereits erwähnt, ernennt das Leitungsorgan unter seinen Mitgliedern eine Person, die für die Ausführung der genannten Aufgaben zuständig ist. Diese Person ist auch der Hauptansprechpartner für den Geldwäschebeauftragten auf Ebene des Leitungsorgans.

 

Aufgaben und Rolle des Geldwäschebeauftragten

Die AML/CTF-Compliance-Funktion und allgemeine Compliance-Funktion sind zwar zwei unterschiedliche Funktionen innerhalb des Instituts, jedoch sind beide in der zweiten Verteidigungslinie angesiedelt und können (unter bestimmten Bedingungen) von ein und derselben Person wahrgenommen werden. Im Gegensatz dazu ist die AML/CTF-Compliance-Funktion jedoch nicht mit der in Artikel 8 Absatz 4 Buchstabe b der Richtlinie genannten unabhängigen Prüfungsfunktion vereinbar.

Die Aufgaben und Rolle des Geldwäschebeauftragten, die klar definiert und dokumentiert sein müssen, bestehen im Wesentlichen aus folgenden Punkten:

  • die Entwicklung des Rahmens für die Risikobewertung (unternehmensweite und individuelle Risikobewertung);
  • die Entwicklung von AML/CTF-Strategien und -Verfahren, einschließlich der Aktualisierung dieser Strategien und Verfahren und der Sicherstellung ihrer wirksamen und kontinuierlichen Umsetzung;
  • Beratung der Geschäftsleitung bei der Aufnahme von Kunden mit hohem Risiko;
  • Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch das Institut, einschließlich der Überwachung der wirksamen Anwendung von AML/CTF-Kontrollen durch die Geschäftsfelder und -bereiche (Überwachung der ersten Verteidigungslinie);
  • Berichterstattung an das Leitungsorgan, u. a. über Geldwäsche-Risikobewertungen, AML/CTF-Strategien und -Verfahren sowie darüber, ob die Ressourcen der AML/CTF-Compliance-Funktion ausreichen, um ihre Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen;
  • Meldung verdächtiger Transaktionen an die zentrale Meldestelle (Financial Intelligence Unit (FIU)); und
  • Schulung der Mitarbeiter des Instituts über Geldwäsche-Risiken und die internen Gegenmaßnahmen.

 

Insgesamt überschneiden sich die Leitlinien häufig mit bestehenden Vorschriften und Verwaltungspraktiken, wie beispielsweise die Funktion des Money Laundering Reporting Officers (MLRO), die nun in den Kompetenzbereich des Geldwäschebeauftragten fällt. Diese Überschneidungen sind wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass sich die Leitlinien auf eine Richtlinie beziehen, die bereits 2015 veröffentlicht wurde. Aus diesem Grund hat die luxemburgische Finanzaufsichtsbehörde, die Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF), in ihrem Communiqué vom 20. Juli 2022 angekündigt, dass sie die Auswirkungen der Leitlinien auf verschiedene derzeit geltende Rechtsvorschriften analysieren wird.

 

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