Neue Inhaberkontrollverordnung und ihre Auswirkungen auf die Praxis

Neue Inhaberkontrollverordnung und ihre Auswirkungen auf die Praxis | Dr. Anna Izzo-Wagner, Anh-Vu Tran und Till-Christopher Otto von Annerton | Cover picture: Adobe Stock/Vitalii Vodolazskyi

Am 27.12.2022 wurde im BGBl. Nr. 55 die sog. Dritte Verordnung zur Änderung der Inhaberkontrollverordnung (Verordnung über die Anzeigen nach § 2c des Kreditwesengesetzes und § 17 des Versicherungsgesetztes – InhKontrollV) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) verkündet. Die Verordnung ist am 28. Dezember 2022 in Kraft getreten.

Dieser Beitrag stellt die wesentlichen Auswirkungen der Änderungen dar.

 

1. Hintergrund und Zweck

Hintergrund der Anpassungen der InhKontrollV ist einerseits die Anpassung an redaktionellen Änderungen des Kreditwesengesetzes (KWG) und des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG), andererseits die Berücksichtigung der „Gemeinsamen Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor“ der drei Europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities – ESA‘s); Letztere bilden die Erwartungen der europäischen Aufsichtsbehörden für die aufsichtsrechtliche Beurteilung von bedeutenden bzw. „qualifizierten Beteiligungen“ an Unternehmen im Finanzsektor (u.a. Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen) ab.

Anpassungen wurden darüber hinaus nötig, da zwischenzeitlich die Zuständigkeit für Erlaubnisverfahren und die Entscheidung über den Erwerb bedeutender Beteiligungen an CRR-Kreditinstituten im Rahmen des Single Supervisory Mechanism (SSM) auf die Europäische Zentralbank übertragen worden war, was in der alten Fassung der InhKontrollV noch nicht berücksichtigt wurde.

Erklärtes Ziel der geänderten Verordnung ist auch die Erleichterung von Inhaberkontrollverfahren, insbesondere bei wiederholten Verfahren in Bezug auf denselben Erwerber (etwa aufgrund der Erhöhung einer Beteiligung oder Umstrukturierungen innerhalb der Erwerberstruktur). Auf der anderen Seite sind jedoch auch Erschwernisse in Form von erweiterten Anzeige- und Offenlegungspflichten für bestimmte Anzeigepflichtige geschaffen worden. Geändert wurden auch die Anlagen zur Inhaberkontrollverordnung, die Standardformulare enthalten, die bei Anzeigen zu verwenden sind.

 

2. Erleichterungen

Entsprechend wurde eine zentrale Erleichterung für Anzeigepflichtige geschaffen, welche bereits in der Vergangenheit im Rahmen eines Inhaberkontrollverfahrens überprüft worden sind.

Erleichterungen für die Erklärungen und Unterlagen zur Zuverlässigkeit

Aus der Überarbeitung des § 9 Abs. 1 S. 2 InhKontrollV geht nun hervor, dass Angaben zur Zuverlässigkeit des Anzeigepflichtigen, eines Geschäftsleiters oder eines persönlich haftenden Gesellschafters nur noch auf die letzten zehn Jahre bezogen sein müssen. Das unbestimmte „früher“ der alten Fassung wird damit konkretisiert. Ist der Anzeigepflichtige eine juristische Person sind Angaben nur noch für derzeit kontrollierte Unternehmen notwendig.

Verlängerte Gültigkeit für vergangene Einreichungen

Nach § 16 Abs. 1 S. 1 InhKontrollV müssen nun Unterlagen und Erklärungen, welche innerhalb der letzten zwei Jahre vor der aktuellen Anzeige eingereicht wurden, nicht mehr erneut eingereicht werden, wenn sich insoweit die Angaben nicht geändert haben. Bislang betrug diese Frist ein Jahr.

Natürlich stellt diese Form der „Privilegierung“ für den erfahrenen Antragssteller auch gleichzeitig eine faktische Benachteiligung für den Erst- und/ oder Gelegenheitsbieter in kompetitiven Bieterprozessen dar. Dass diese de facto Auswirkung intendiert war, ist nicht anzunehmen.

Unbefristete Gültigkeit von Einreichungen in besonderen Fällen

Aus dem neuen § 16 Abs. 1 S. 3 InhKontrollV ergibt sich nun auch, dass vergangene Einreichungen ohne zeitliche Einschränkung gültig bleiben und folglich nicht nachgereicht werden müssen, sofern durch den Erwerb lediglich eine bestehende indirekte bedeutende Beteiligung zu einer direkten bedeutenden Beteiligung wird.

Nahezu spiegelbildlich konkretisiert sodann § 16 Abs. 10 S. 4 InhKontrollV, dass bei Erwerbsvorgängen innerhalb eines Konzerns die Unterlagen und Erklärungen nur eingereicht werden müssen, soweit diese Angaben zu Personen, Unternehmen und der Gruppenstruktur beinhalten, welche noch nicht aus früheren Anzeigen hervorgegangen sind.

Im Ergebnis werden solche Sachverhaltskonstellationen gegenüber den anderen Beteiligungsstrukturen privilegiert, da bereits im Vorgang eine Prüfung der Aufsichtsbehörde stattgefunden hat. Über diese Einordnung herrscht seit einigen Jahren ein Meinungsstreit zwischen der Beteiligungs-Praxis und der Finanzaufsicht (EZB, BaFin und ESA). Letztere verlangten in der Vergangenheit grundsätzlich bei jedem Erwerbsvorgang eine erneute Inhaberkontrolle, während die Praxis dem mit dem Argument zu begegnen versuchte, dass die durch eine konzerninterne Umstrukturierung bewirkte Umwandlung einer mittelbaren in eine unmittelbare Beteiligung keine Veränderung der Beteiligungshöhe bewirke und § 2c Abs. 1 S. 6 KWG sowie § 2c Abs. 3 S. 1 KWG keine anderen Gründe für das Entstehen einer Anzeigepflicht kennen. Durch die nun unbefristete Gültigkeit der Einreichungen in diesen beiden Fällen erleichtert die BaFin die Voraussetzungen in diesen Konstellationen endgültig. Effektiv beschränkt sich die Anzeigepflicht damit auf Änderungen, die seit dem zuletzt erfolgten Inhaberkontrollverfahren stattgefunden haben.

Erleichterungen für Factoring und Finanzierungsleasinginstitute

Der überarbeitete § 16 Abs. 12 InhKontrollV erleichtert wiederum die Beteiligung an Finanzdienstleistungsinstituten, wenn diese als Dienstleistungen ausschließliche Factoring oder Finanzierungsleasing anbieten. Beteiligte Konzernangehörige können nun im Rahmen von Absichtsanzeigen in einem Inhaberkontrollverfahren auf Unterlagen und Erklärungen nach den §§ 8 bis 15 (u. a. Ausweise, Lebensläufe, Jahresabschlüsse) verzichten, wenn sie nur mittelbar beteiligt sind und nicht an der Spitze des Konzerns stehen, oder wenn der Erwerbsvorgang ausschließlich innerhalb des Konzerns stattfindet.

 

3. Verschärfungen

Im Zuge der Änderung der InhKontrollV haben sich auch Verschärfungen ergeben.

Ausdehnung der Anzeigepflicht

Durch den neu eingefügten § 7 Abs. 2 S. 2 InhKontrollV wird die Anzeigepflicht des Erwerbers auch auf die Zeit nach dem Beurteilungsraum, aber vor dem Vollzug des Erwerbs erweitert, falls der Anzeigepflichtige seine Absicht, eine bedeutende Beteiligung am Zielunternehmen, ändert. Auch Satz 3 konkretisiert, dass die Beteiligungsschwellen lediglich „erreicht“ werden müssen, um eine erneute Anzeigepflicht auszulösen. Die Änderungen im § 7 InhKontrollV zielen darauf ab, die Anzeigepflicht noch weiter zu verschärfen und mehr Sachverhalte zu erfassen, damit die Aufsicht ihre Entscheidung erforderlichenfalls revidieren kann.

Intensivierung der Anzeigepflicht

Daneben wurde der Umfang der Anzeigen in einigen Fällen erhöht. In Fällen, in denen die EZB zuständig für die Entscheidung war, war die Bandbreite bereits nach alter Rechtslage über den Wortlaut der Inhaberkontrollverordnung erweitert. Denn die ESA-Leitlinien wurden durch die EZB bereits angewandt. Das findet sich nun – für sämtliche Verfahren – in der Inhaberkontrollverordnung wieder (vgl. u.a. § 9 Abs. 2 InhKontrollV).

Im Einzelnen betreffen die Erweiterungen die folgenden Angaben:

  1. Zusätzliche Unterlagen und Erklärungen bestimmter Anzeigepflichtiger
  2. Intensivierung der Kontrolldichte
  3. Offenlegungspflicht für Unternehmensgruppen
  4. Einbeziehung eines breiteren Personenkreises auf Seiten des Zielunternehmens

Der neu eingefügte § 8a InhKontrollV betrifft Anzeigepflichtige mit Sitz in einem Drittstaat (Abs. 1). In diesem Fall ist eine Unbedenklichkeitsbescheinigung einer öffentlichen Stelle und Finanzaufsichtsbehörde des Drittstaats (Nr. 1 und 2) sowie eine Zusammenfassung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften für den Anzeigepflichtigen im Drittstaat beizufügen (Nr. 3). Ist der Anzeigepflichtige ein Private-Equity-Fonds oder Hedgefonds (Abs. 2) ist er verpflichtet, Anlagepolitik, -strategie, und -historie an Instituten im Sinne des KWG offenzulegen (Nr. 1 bis 3). Ebenfalls sind Entscheidungsstrukturen (Nr. 4) innerhalb des Fonds und Verfahren zur Bekämpfung von Geldwäsche (Nr. 5) beizufügen.

Diese Verschärfungen ergeben sich aus dem erhöhten Risiko, das diese beiden potenziellen Erwerbergruppen durch eine signifikante Beteiligung in den Finanzmarkt einbringen. Das erhöhte Risiko resultiert zum einen aus dem erschwerten Zugriff der deutschen Finanzaufsicht auf Anzeigepflichtige in Drittstaaten und zum anderen aus möglichen spekulativen Tendenzen der Fonds.

Erweitert wurden auch die Angaben zur Zuverlässigkeit des Anzeigepflichtigen (§ 9 InhKontrollV). So sieht § 9 Abs. 1 S. 2 InhKontrollV nun vor, dass auch ‚Anteilsinhaber, die auf den Anzeigepflichtigen einen maßgeblichen Einfluss ausüben können‘ Angaben nach § 9 InhKontrollV zu machen haben.

Als dritte Maßnahme postuliert der neu eingefügte § 11a InhKontrollV eine besondere Anzeigepflicht für juristische Personen, die Teil einer Unternehmensgruppe sind. Aufgrund der damit verbundenen Komplexität für die Finanzaufsicht ist ein solcher Anzeigepflichtiger verpflichtet, der Anzeige eine Analyse beizufügen, die den Umfang der Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis beschreibt. Dabei ist auch anzugeben, welche Unternehmen der Gruppe nach dem Erwerb oder der Erhöhung in den Anwendungsbereich der Beaufsichtigung fallen und auf welchen Ebenen innerhalb der Gruppe die Beaufsichtigung erfolgen würde. In diesem Zusammenhang ist nach Satz 3 auch eine Analyse beizufügen, ob der Erwerb oder die Erhöhung Auswirkungen auf die Fähigkeit des Zielunternehmens hätte, der Aufsichtsbehörde weiterhin rechtzeitig genaue Informationen zu liefern. Mit diesen Maßnahmen soll sichergestellt werden, dass es im Falle einer Beteiligung nicht zu unerwarteten Auswirkungen auf die Finanzaufsicht kommt. Solche Angaben waren bislang ausschließlich für Inhaberkontrollverfahren von (MiFID-)Wertpapierfirmen erforderlich. Für Wertpapierfirmen richtet sich das Erwerbsverfahren nach einer delegierten Verordnung zur MiFID II. Die Inhaberkontrollverordnung fand daher in diesen Fällen keine Anwendung.

Die vierte und letzte Erweiterung wurde in § 12 Abs. 6, 7 InhKontrollV aufgenommen. Der Anzeigepflichtige ist danach verpflichtet, alle Interessen und Geschäftsbeziehungen der in § 8 Nr. 7 InhKontrollV genannten Personen (neue oder zusätzliche Geschäftsleiter nach Vollzug des Erwerbs der Anteile) und ihrer Familienangehörigen zu Personen in Schlüsselpositionen des Zielunternehmens, des Mutterunternehmens, des Tochterunternehmens und zu Inhabern von mindestens 5 % der Kapital- oder Stimmrechtsanteile des Zielunternehmens offenzulegen, damit mögliche Verflechtungen und unerwartete Gestaltungen bereits in einem frühen Stadium des Inhaberkontrollverfahrens aufgedeckt werden können.

 

4. Bewertung

Einige Änderungen der Inhaberkontrollverordnung sind durchaus positiv, wie etwa die verlängerte Möglichkeit des Verweises auf vergangene Verfahren oder die Klarstellung, dass ein Verfahren bei Änderungen, die sich aufgrund von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen ergeben, nicht notwendig ist. Deutlich verschärft werden die (nicht seltenen) Verfahren, in denen ein Private Equity oder Hedgefonds beteiligt ist. Gerade die Offenlegung von Informationen zur Anlagepolitik und Informationen zur Wertentwicklung von Investments in regulierte Unternehmen bedeuten eine erhebliche Verschärfung der Angaben.

Wenig nachvollziehbar ist, weswegen BaFin und BMF die Gelegenheit nicht genutzt haben, das Verfahren der Einreichung zu vereinfachen. Weswegen nach wie vor auch Unterlagen, die nicht im Original einzureichen sind, schriftlich eingereicht werden müssen, erschließt sich nicht.

 

Weiterführende Informationen zum Inhaberkontrollverfahren

Inhaberkontrollverfahren

 

Cover picture: Copyright © Adobe Stock/Vitalii Vodolazskyi

 


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