Soll E-Geld ein Universaltauschmittel sein?

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Bislang kennt das Aufsichtsrecht drei Geldarten: Bargeld (Banknoten und Münzen), Giralgeld (auch Buchgeld genannt) und E-Geld (gemäß der Definition in der zweiten E-Geld-Richtlinie/EMD2). Ein „Geldbetrag“ (gemäß der Definition in Art. 4 Nr. 25 der PSD2) liegt nur vor, wenn eine dieser drei regulierten Geldarten für eine Zahlung genutzt wird. Es bleibt noch abzuwarten, ob und wie bestimmte Kryptowerte nach der Verabschiedung der MiCAR diese monetäre Trinität ergänzen werden (siehe dazu meinen letzten Blogbeitrag). Müssen sämtliche Geldarten als Universaltauschmittel einsetzbar sein? Diese Frage spielte vor Kurzem in einem Prozess am Landgericht Frankfurt eine Rolle.

Monetäre Trinität: Bargeld, Giralgeld, E-Geld

Das Bargeld ist in Form von Münzen schon über 2.500 Jahre existent; das Giralgeld ist nur geringfügig jünger (Korngiro im ptolemäischen Ägypten). Das digitale E-Geld ist dagegen mit ca. 25 Jahren noch ein Jüngling, der erst mit der Ersten E-Geld-Richtlinie (2000) in den Genuss einer Erziehung kam. Zuerst hatte man noch überlegt, ob diese monetäre Innovation nicht unter Bar- oder Giralgeld subsumiert werden könnte. Ein digitales „Bargeld“ (Inhaberinstrument in Form von Bits und Bytes) ist aber etwas grundlegend anderes als Bar- und Giralgeld. Also: Neuer Wein erfordert neue Schläuche bzw. neue Gesetze. Im Nachhinein war die Regulierung etwas voreilig, denn das genuine E-Geld setzte sich am Markt nicht durch (weder als Karten- noch als Netzgeld).

Der neue, aber fast leere Schlauch wurde daraufhin mit einer anderen Flüssigkeit gefüllt: bislang nicht regulierte Gelder, die auf Konten außerhalb des traditionellen Girokontensystems eingezahlt werden (prepaid). Oft handelt es sich um ein geschlossenes Kontosystem. PayPal ist das bekannteste Beispiel für dieses sog. kontobasierte E-Geld. Der Zugriff auf das Konto erfolgt online oder per Karte (sog. Prepaid-Karten). Eine wichtige Voraussetzung für die Einstufung als E-Geld ist die Akzeptanz des Geldes durch einen oder mehrere Zahlungsempfänger, die nicht mit dem Herausgeber identisch sind. Die Akzeptanz des E-Geldes ist im Vergleich zu seinen älteren Geschwistern demnach immer begrenzt, oft auch sehr begrenzt. Je nach Art der Begrenzung können solche Zahlungsinstrumente unter die sog. Bereichsausnahme für begrenzte Netze gemäß Art. 3k der PSD2 fallen. In diesem Fall findet die Regulierung als E-Geld keine Anwendung.

Im Gegensatz zum ursprünglichen E-Geld ist das E-Geld 2.0 als kontenbasiertes Zahlungsinstrument de facto eher eine Giralgeld-Variante, wird aber de jure als E-Geld eingestuft. E-Geld ist demnach aufsichtsrechtlich kein Giralgeld und auch keine Sonderform des Giralgeldes. Wir haben also zwei völlig verschiedene Weinsorten im neuen Schlauch. Wenn demnächst noch irgendwelche Kryptowerte als E-Geld-Token dazukommen, dann gute Nacht! Die Panscherei wäre komplett.

Miles & More vor Gericht

E-Geld ist juristisch gesehen ein komplexes Produkt und eine echte Herausforderung für ein Gericht. Diese Erfahrung machte ich im August 2020 als Prozessbeobachter im Landgericht Frankfurt am Main, in dem die spannende Frage verhandelt wurde, ob die Lufthansa-Meilen als E-Geld eingestuft werden müssen (s. Handelsblatt: „Streit um Bonus-Meilen“). Die aufsichtsrechtliche Einstufung als E-Geld hätte erhebliche Folgen (z. B. Rücktauschbarkeit der Meilen at par in Euro) für Miles & More und vergleichbare händlerübergreifende Bonusprogramme wie Payback (siehe auch meinen Blogbeitrag „E-Loyalty: To be or not to be“).

In der mündlichen Verhandlung zeigte sich das Gericht begrifflich noch nicht sehr sattelfest und verwechselte öfters den Begriff „E-Geld“ mit dem eines „elektronischen Zahlungsmittels“. Nun ist der Gedankengang nicht völlig abwegig: E-Geld = Geld = Zahlungsmittel, und das „E“ ist die Abkürzung für „elektronisch“. Die Richterin hat sich auch eine These zu eigen gemacht, die die Beklagte in einem professoralen Gutachten vorgetragen hat: Geld und damit auch E-Geld soll die Funktion eines neutralen „Universaltauschmittels“ erfüllen. Es dürfte klar sein, zu welchem Ergebnis solche Gedankengänge führen würden: Die LH-Meilen sind offensichtlich kein Universaltauschmittel und damit auch kein E-Geld. Was für die Richterin einleuchtend war, hat bei mir Kopfschütteln hervorgerufen. Leider darf man als Prozessbeobachter vor Gericht zwar leise irgendwelche Körperteile bewegen, aber sich nicht mit einem Wortbeitrag melden. Ich hätte sonst meine Lidl-Gutscheinkarte aus dem Portmonee gezogen, hochgehalten und gesagt: „Frau Richterin, auch das ist E-Geld! Würden Sie diese Gutscheinkarte als Universaltauschmittel betrachten?“

Soll E-Geld ein Universaltauschmittel sein? 1

Neben der Lidl-Gutscheinkarte (zu diesem Zeitpunkt noch E-Geld herausgegeben durch die Wirecard Bank) gibt es in Deutschland noch weitere E-Geld-Produkte bzw. „Universaltauschmittel“ mit einer sehr begrenzten Akzeptanz und/oder Auswahl von Produkten und Dienstleistungen, zum Beispiel:

  • Esprit Gift Card (Herausgeber: das E-Geld-Institut Esprit Card Services),
  • Aldi-Geschenkgutscheinkarte (Herausgeber: Helaba),
  • Stuttgart City-Gutschein (Herausgeber: Landesbank Baden-Württemberg)

und nicht zuletzt

  • GeldKarte als Applikation auf der girocard (Herausgeber: viele Kreditinstitute), die vorwiegend nur noch an Automaten (Zigaretten, ÖPNV, Parkhäuser), in Kantinen und vielleicht noch in einigen Fußballstadien genutzt werden kann.

Wieviel Geld ist in E-Geld drin?

Die These, E-Geld soll ein Universaltauschmittel sein, beruht auf mehreren Missverständnissen.

Der Begriff „E-Geld“ wurde von den Zentralbanken Mitte der 90er Jahre für digitale Werteinheiten geprägt, die für unterschiedliche Zwecke (multi-purpose) als Zahlungsmittel am physischen Verkaufsort oder im Internet genutzt werden konnten. Die Nutzung des Begriffes „Geld“ geht auf das theoretische und damals tatsächlich erwartete Potenzial dieser neuen Produkte zurück. Die Bezeichnung als „Geld“ beinhaltete keine Soll-Vorgabe.

Auch die Beschreibung des E-Geldes als „elektronischer Ersatz für Münzen und Banknoten“ gemäß dem Erwägungsgrund Nr. 13 der Zweiten E-Geld-Richtlinie (EMD2/2009) ist keine Soll-Vorgabe, sondern ein Relikt aus der Ersten E-Geld-Richtlinie (EMD1/2000) in der das Konzept der damaligen Produkte (vorwiegend Chipkarten zur Zahlung von Kleinstbeträgen) im Erwägungsgrund Nr. 3 beschrieben wird:

Für die Zwecke dieser Richtlinie kann elektronisches Geld (E-Geld) als elektronischer Ersatz für Münzen und Banknoten betrachtet werden, das elektronisch, beispielsweise auf einer Chipkarte oder in einem Computer, gespeichert wird und das generell dafür gedacht ist, Kleinbetragszahlungen elektronisch durchzuführen.“ (fett und unterstrichen vom Verfasser)

Auch das Tatbestandsmerkmal als „monetärer Wert“ gemäß der Legaldefinition bzw. als „geldwerte Einheiten“ (Erwägungsgrund 7 der EMD2) deutet auf eine abschwächende Differenzierung gegenüber dem herkömmlichen Begriff „Geld“. In dem Merkblatt „Hinweise zum Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)“ – geändert am 29.11.2017 – definiert die BaFin den Begriff „monetärer Wert“ demnach wie folgt:

Elektronisches Geld ist zuvorderst ein monetärer Wert. Ein monetärer Wert ist jede Art von Zahlungsmittel. Der Begriff des monetären Werts erfasst neben gesetzlichen Zahlungsmitteln jede Art von Tauschmittel, das allgemein oder auch nur in einem bestimmten soziokulturellen Umfeld oder auch nur von den Parteien einer multilateralen Rahmenvereinbarung als Bezahlung für bestimmte Waren oder Dienstleistungen akzeptiert wird.“ (unterstrichen vom Verfasser)

Das gesetzliche Definitionsmerkmal „monetärer Wert“ des E-Geldes bedingt keineswegs, dass E-Geld die Funktion eines neutralen Universaltauschmittels oder andere Geldfunktionen zu erfüllen hat. Entscheidend ist ausschließlich die Zahlungsmittelfunktion in einem Drei-Parteien-Verhältnis.

Die oben genannten Beispiele zeigen, dass nicht nur ein internationales Zahlungssystem wie PayPal, sondern auch Zahlungsmittel mit einer stark begrenzten Akzeptanz als E-Geld reguliert werden können. Das gilt auch für Bonusmeilen in einem händlerübergreifenden Rabattsystem, wenn die von den Kooperationspartnern gegen herkömmliches Geld erworbenen Meilen (prepaid!) auch außerhalb des Emittenten als Zahlungsmittel eingesetzt werden können. Leider bietet das ZAG-Merkblatt dazu keine klaren und widerspruchsfreien Aussagen.

Wie ist der Prozess ausgegangen? Es gab bislang keine Prozessfortsetzung oder ein Urteil. Vermutlich haben die Kontrahenten sich geeinigt. Das ist in Hinblick auf den erhofften Erkenntnisgewinn schade, denn bereits seit der Regulierung des neu geborenen E-Geldes (1999) wird das Thema in der wissenschaftlichen Literatur kontrovers diskutiert.

 

 

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