Interchange Fee Regulation: In der Verzögerung lag der Genuss

Die Interchange Fee Regulation hat uns auf PayTechLaw bereits im letzten Jahr beschäftigt. Damals habe ich mich mit den Queer Cards und Universal Cards auseinander gesetzt. Der vorliegende Beitrag widmet sich Interchange Fee Regulation und den Unterschieden bei Debitkarten- und Kreditkartentransaktionen. Denn hier bestehen feine, aber in der Praxis für den Issuer und Karteninhaber wichtige Unterschiede.

Falls Sie noch nicht ausschließlich mit Ihrem Handy zahlen, lohnt sich ein Blick auf Ihre „altmodische“ Plastikzahlungskarte in Ihrem Portemonnaie. Falls es keine uralte Karte ist, finden Sie auf der Karte in der Regel das Wort „debit“ oder „credit“ aufgedruckt (seltener: „commercial“ oder „prepaid“). Damit kennzeichnet Ihre kartenherausgebende Bank („Issuer“), dass die an Verbraucher herausgegebene Karte gemäß der Interchange Fee Verordnung der EU (IF-VO 2015) als Debit- oder als Kreditkarte eingestuft wurde. Diese Unterscheidung ist wichtig, da die IF-VO unterschiedliche Obergrenzen für die IF-Einnahmen Ihres Kartenherausgebers festgelegt hat: maximal 0,3% für Kreditkartentransaktionen bzw. max. 0,2% für Debitkartentransaktionen mit Verbraucherkarten.

Nicht nur optisch ist Ihre Karte einer der Kategorien zugeordnet, sondern auch mit einem Datenfeld in dem Chip der Karte. Es stellt sich die Frage, warum und für wen diese Information eigentlich wichtig ist? Früher war der kartenakzeptierende Händler gemäß der Regel der Kartensysteme verpflichtet, sämtliche Karten einer bestimmten Kartenmarke (z. B. Visa oder Mastercard) zu akzeptieren (sog. Honour-All-Cards-Rule; HACR). Gemäß der seit einigen Jahren in Kraft getretenen IF-VO kann der Händler hier differenzieren. Er kann z.B. nur die für ihn preiswerteren Debit- und Prepaidkarten eines Kartensystems akzeptieren (0,2% IF) und die teureren Kreditkarten (0,3% IF) oder noch teureren Firmenkarten („commercial card“ ohne gesetzliche IF-Obergrenze) ablehnen.

Das war zwar wettbewerbstheoretisch ein schlauer Gedanke der Europäischen Kommission, in der Praxis aber graue Theorie. Die meisten Händler wollen ihre Kunden nicht durch Ablehnung spezifischer Karten mit dem gleichen „Brand“ verärgern. Der Händler müsste außerdem an der Kasse mit einem Schild noch deutlich darauf hinweisen, dass er z. B. Visa Debitkarten akzeptiert und die Visa Kreditkarte oder Firmenkarte ablehnt. Aus Kundensicht eine unverständliche Diskriminierung. Für den Issuer ist aber die Zuordnung wichtig, da er z.B. für eine Zahlung mit einer als „credit“ gekennzeichneten Karte 50% höhere IF-Einnahmen als bei der Zahlung mit einer Debitkarte kassiert. Die IF-VO enthält deshalb für den Issuer klare Regeln, wann er die von ihm herausgegebene Karte bzw. die Transaktionen mit der Karte als „credit“, „debit“ oder „commercial“ kennzeichnen darf.

Was ist eigentlich eine Debitkarte?

Fangen wir mit der Debitkarte als der am weitesten verbreiteten Karte an. Was kennzeichnet eine Debitkarte? Die Antwort wäre doch einfach: Eine Karte, deren Zahlungen direkt von einem Girokonto abgebucht werden. Aber was heißt „direkt“? Ist ein Tag Verzögerung noch direkt? Muss es ein Girokonto sein? Muss es ein Konto bei einer Bank sein? Darf es auch ein Sparkonto sein? Muss der Herausgeber der Karte identisch mit dem kontoführenden Institut sein? Muss das Konto im Plus sein? Die Antwort ist anscheinend doch nicht so einfach. Im ersten Aufschlag der IF-VO hat die Kommission 2013 folgende Definition (Art. 2 Nr. 4) vorgeschlagen:

Eine Debitkartentransaktion ist ein

Kartenzahlungsvorgang, der auch Guthabenkarten einschließt und an ein Kontokorrent- oder Einlagenkonto geknüpft ist, von dem die Zahlung maximal 48 Stunden nach ihrer Autorisierung/Veranlassung abgebucht wird.

Wenn die Abbuchung später als 48 Stunden erfolgt, würde demnach eine Kreditkartentransaktion vorliegen. Der Vorschlag der Kommission führte zu einer interessanten Diskussion, ob die zeitliche Verzögerung maßgeblich sein sollte. Eine Minute-Verzögerung im Settlement könnte die IF-Einnahmen des Issuers um 50% steigern: Eine offene Einladung zur Umgehung. Was tun? Wenn ein Regulierer bzw. Gesetzgeber sein Objekt der Begierde definitorisch nicht in den Griff bekommt, verzichtet man auf die Definition und macht daraus einfach einen Auffangtatbestand. Aus diesem Sammelsurium gibt es kein Entkommen mehr. In der Endfassung der IF-VO (2015) hat man das Dilemma ähnlich gelöst. Alle Zahlungen, die keine Kreditkartentransaktion sind, wurden schlichtweg zu Debitkartenzahlungen erklärt (Art. 2 Nr. 4). Anscheinend war die Kreditkarte definitorisch leichter als eine Debitkarte einzukreisen. Man einigte sich letztendlich auf folgende Definitionen (Art. 2 Nr. 5 bzw. 4):

Eine Kreditkartentransaktion ist ein kartengebundener Zahlungsvorgang,

bei dem der Betrag der Transaktion gemäß einer vorab vereinbarten zu verzinsenden oder zinsfreien Kreditfazilität an einem vorab vereinbarten bestimmten Kalendertag vollständig oder teilweise beim Zahler abgebucht wird.

Eine Debitkartentransaktion ist ein kartengebundener Zahlungsvorgang,

einschließlich kartengebundener Zahlungsvorgänge mit Guthabenkarten, der keine Kreditkartentransaktion ist.

Für die Kenner des Kartengeschäfts ist klar, worauf die Kommission hinaus will: Transaktionen mit Charge Cards (delayed debit), die kumuliert an einem monatlichen Stichtag zu 100% fällig sind und i.d.R. per Lastschrift von einem Zahlungskonto abgebucht werden und Transaktionen mit „echten“ Kreditkarten („revolving credit“), die ab einem bestimmten Kalendertag zu einem verzinsten Kredit umgewandelt werden, sind „Kreditkartentransaktionen“. Dies geht auch aus dem Erwägungsgrund 17 hervor:

Es gibt im Wesentlichen zwei Arten von Kreditkarten auf dem Markt. Bei Debitkarten mit Zahlungsaufschub wird das Konto des Karteninhabers zu einem im Voraus vereinbarten spezifischen Zeitpunkt, in der Regel einmal monatlich, mit dem gesamten Betrag der Transaktionen belastet, ohne dass Zinsen zu zahlen sind. Bei anderen Kreditkarten kann der Karteninhaber eine Kreditfazilität nutzen, um einen Teil der Beträge zu einem späteren als dem angegebenen Zeitpunkt zurückzahlen, zuzüglich Zinsen oder sonstiger Kosten.

Mangelhafte Definition einer Kreditkartentransaktion

Die Definition einer Kreditkartentransaktion gemäß Art. 2 Nr. 5 ist aber ziemlich ungenau, deckt die Marktgegebenheiten nicht präzise und umfassend ab. Schauen wir die Legaldefinition gemäß der IF-VO etwas genauer an.

Zuerst ist die Übersetzung des englischen Quellentextes in deutsche Sprache ungenau. Im Quellentext steht:

The amount of the transaction is debited in full or in part at a pre agreed specific calendar month date to the payer.

In der deutschen Übersetzung ist aber nur von einem bestimmten Kalendertag die Rede. Es ist zu vermuten, dass – bedingt durch das Hinzufügen des Wortes “month” – nicht ein bestimmter Kalendertag, sondern ein monatlich wiederkehrender Kalendertag gemeint ist, wie es auch der Praxis des Kartengeschäfts entspricht. Demnach müsste zwischen dem Karteninhaber und dem Issuer ein spezifischer monatlicher Kalendertag vereinbart werden (z. B. der 15. Kalendertag eines jeden Monats). Wir gehen aber davon aus, dass der Quellentext entscheidend ist.

An einem vorab vereinbarten monatlichen Kalendertag soll demnach eine Abbuchung des vollständigen Betrages oder ein Teil davon zu Lasten des Zahlers stattfinden („debited to the payer“). Was ist, wenn an diesem Kalendertag keine Abbuchung stattfindet, sondern der bis dahin aufgelaufene Betrag zu 100% in einen revolving credit verwandelt wird? Liegt in diesem Fall keine Kreditkartenzahlung mehr vor? Oder: Der (Teil-)Betrag wird nicht gemäß Definition beim Zahler abgebucht, sondern bei einem Dritten (z.B. Sohnemann hat für die Abbuchung seiner Kreditkartenzahlungen das Konto seines Vaters angegeben)? Oder: Der Karteninhaber übergibt den geschuldeten Betrag dem Issuer in Bargeld (diese Option gab es in der Vergangenheit tatsächlich, wenn der Karteninhaber z.B. versehentlich seinen Nachtclubbesuch per Kreditkarte gezahlt hat und diese Transaktion verständlicherweise nicht auf seinem Kontoauszug erscheinen sollte).

In der Kartenpraxis gäbe es demnach viele Kreditkartentransaktionen (0,3% IF), die die Definitionskriterien gemäß Art. 2 Nr. 5 der IF-VO nicht erfüllen. Strenggenommen müssten diese Transaktionen demnach in die Kategorie des Auffangtatbestandes der Debitkartentransaktionen (0,2% IF) fallen. Es ist natürlich davon auszugehen, dass diese Konsequenz, bedingt durch die mangelhafte Definition einer Kreditkartenzahlung, von der Kommission nicht beabsichtigt wurde.

Trotz definitorischer Unklarheiten müssen jedenfalls zwei Kriterien für eine Kreditkartentransaktion erfüllt sein: Eine Kreditfazilität (ab Buchungsdatum) und ein spezifischer Kalendermonatstag für die (Teil-)Zahlungspflicht des Karteninhabers. Beide müssen vorab (also vor dem Zeitpunkt der Transaktion) zwischen Issuer und Karteninhaber vereinbart sein. Alles andere fällt in die Kategorie Debit.

Die Drei-Tage-Debitkarte

Ein konkreter Fall: Kann man Kartentransaktionen, die gemäß der AGBs des Issuers (nicht unbedeutendes Kreditinstitut) „3 Tage nach dem Tag des Eingangs (Buchungstag) bei der Bank auf dem Girokonto valutiert“ werden, als Kreditkartentransaktionen durchgehen lassen? Bei dem Kriterium „Kreditfazilität“ kann ein Häkchen gesetzt werden (3 Tage). Liegt ein bestimmter Kalendertag im Sinne einer „specific calendar month date“ für die Abbuchung vor? Einer könnte natürlich argumentieren, dass „3 Tage nach Buchungstag“ auch spezifisch ist. Nach dieser Logik könnten die Transaktionen, die z.B. am Buchungstag valutiert werden (mit einer Kreditierung von wenigen Stunden) auch noch als Kreditkartentransaktion bezeichnet werden. Damit wäre der Auffangtatbestand „Debitkarte“ eine leere Trickkiste. Es gäbe nur Kreditkartentransaktionen. Die Voraussetzung „Abbuchung an einem bestimmten Kalendertag“ für eine Kreditkartenzahlung ist m.E. nicht erfüllt. Offensichtlich hatte die Bank sich noch an dem Entwurf der IF-VO aus 2013 orientiert, in dem von mindestens 48 Stunden-Verzögerung die Rede ist. Mitte September 2019 wird die Bank diese vermeintliche „Kreditkarte“ gemäß AGB nun in eine Debitkarte verwandeln. Die Umsätze werden dann am Tag des Eingangs auf dem Girokonto gebucht. Die heute noch mit dem Begriff „credit“ gekennzeichneten Debitkarten werden aber nicht umgetauscht. Jetzt könnte es einem blühen, dass die falsch gelabelte Karte von einem Händler, der nur Zahlungen mit einer Debitkarte dieses Kartensystems akzeptiert, die vermeintliche Kreditkarte ablehnt. Wie gesagt, graue Theorie, denn zumindest ich kenne keinen Händler in Deutschland, der diesen Spielraum der IF-VO nutzt.

Die eigenwillige Firmenkarte

Anscheinend laden die Definitionen der einzelnen Kartentypen in der IF-VO zu „eigenwilligen“ Interpretationen ein. Zum Schluss sei noch ein weiteres Beispiel erwähnt. Die sogenannten Firmenkarten sind von den IF-Obergrenzen ausgenommen. Gemäß Art. 2 Nr. 6 ist eine Firmenkarte

jedes kartengebundene Zahlungsinstrument, das an Unternehmen oder öffentliche Stellen oder selbständige natürliche Personen ausgegeben wird und dessen Nutzung auf geschäftliche bzw. dienstliche Ausgaben beschränkt ist, wobei die mit einer solchen Karte vorgenommenen Zahlungen direkt von dem Konto des Unternehmens oder der öffentlichen Stelle oder der selbständigen natürlichen Person abgebucht werden.

Die Definition besagt unmissverständlich, dass im Fall der Ausgabe an ein Unternehmen, die Verfügungen mit dieser Karte „direkt vom Konto des Unternehmens“ abgebucht werden müssen. Nun werden in Deutschland von mehreren Emittenten Firmenkarten (optisch und elektronisch als „commercial“ gekennzeichnet) herausgegeben, die aber nicht vom Firmenkonto, sondern vom Privatkonto des jeweiligen Firmenmitarbeiters (Karteninhaber) abgebucht werden. Das Unternehmen übernimmt allerdings die Haftung für den Ausgleich gegenüber dem Issuer. Es gibt sogar für die Unternehmen passende Haftungsausschlussversicherungen, um das Risiko zu minimieren. Angeblich soll diese Praxis von der BaFin, die für die Einhaltung der IF-VO zuständig ist, toleriert bzw. abgesegnet sein. Die IF-VO ist allerdings eine europaweite Verordnung und keine EU-Richtlinie mit nationalen Auslegungsspielräumen. In Großbritannien wird z. B. diese „Interpretation“ der Firmenkartendefinition ausdrücklich untersagt. Offensichtlich haben wir mit der IF-VO eine Verordnung, die europaweit nicht einheitlich befolgt wird. Das ist sicherlich nicht der Zweck einer Verordnung und führt gegebenenfalls zu Wettbewerbsverzerrungen.

Es gibt ein weiteres Problem. Obwohl die IF-VO mittlerweile fast vier Jahre in Kraft ist, handhabt die Europäische Zentralbank für ihre Zahlungsverkehrsstatistik weiterhin andere Definitionen einer Kredit- und Debitkarte, die von der Verordnung abweichen. Diese unterschiedlichen Definitionen können dazu führen, dass der jeweilige Emittent die Transaktionen einer Karte gemäß der IF-VO als „Kreditkartenzahlungen“ richtig klassifiziert, die gleichen Transaktionen aber – ebenfalls richtig – als Debitkartentransaktionen in der EZB-Statistik meldet (oder vice versa). Das Thema führt an dieser Stelle zu weit. Für interessierte Leser verweise ich auf den PaySys-Report Nr. 4-5 vom Juli 2018. Saubere, einheitliche Definitionen sind ein heikles Unterfangen, aber irgendwie doch wichtig.

 

Cover picture: Copyright © PayTechLaw / Godschalk

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