Kreditzweitmarktgesetz – Inkasso 2.0?

Kreditzweitmarktgesetz – Inkasso 2.0? | Annerton

Mitte Oktober 2023 hat die Bundesregierung ihren Entwurf für ein Kreditzweitmarktförderungsgesetz vorgestellt. Herzstück des Gesetzesentwurfes ist die Einführung eines neues Kreditzweitmarktgesetzes („KrZwMG-E“). Mit dem KrZwMG-E soll die Richtlinie (EU) 2021/2167 über Kreditdienstleister und Kreditkäufer (Kreditzweitmarktrichtlinie) bis Ende Dezember 2023 in deutsches Recht umgesetzt werden. Den Richtlinienvorgaben entsprechend nimmt der KrZwMG-E zwei Hauptperspektiven ein:

Einerseits soll der Zweitmarkt für notleidende Kredite (non-performing loans – „NPL“) abgesteckt werden, also die Marktkonturen rund um den Kauf/Verkauf und das Servicing von solchen (Zahlungs-)Forderungen der Kreditgeber, deren teilweise/vollständige Erfüllung unwahrscheinlich erscheint oder seit mehr als 90 Tagen überfällig ist.

Andererseits wird mit dem KrZwMG-E die neue Kategorie der Kreditdienstleistungsinstitute als regulierte Unternehmen eingeführt – diese werden den regulatorischen Vorgaben des KrZwMG-E und einer Beaufsichtigung durch die BaFin unterstellt.

Die Erbringung von durch den KrZwMG-E betroffene sog. Kreditdienstleistungen – in der Sache bislang schlicht Inkassodienstleistungen nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz („RDG“) – erfordert künftig eine BaFin-Erlaubnis. Sowohl das rechtliche Regelungsgefüge als auch der Markt der Inkassodienstleistungen dürfte mit dem KrZwMG-E nachhaltig in Bewegung gebracht werden – fraglich aber, ob auch in die gewünschte Richtung.

  1. Hauptanliegen: NPL-Zweitmärkte ankurbeln

Die Kreditzweitmarktrichtlinie (und in ihrer Umsetzung der KrZwMG-E) nehmen sich folgendes Problem zur Brust: Bei den Kreditinstituten in der Union sind flächendeckend große Bestände an NPL aufgelaufen. NPL müssen – einmal als solche eingestuft – in erhöhtem Umfang mit Eigenkapital unterlegt werden (Art. 36 Abs. 1 lit. m, Art. 47c CRR); je höher das Ausfallrisiko, desto höher der Bedarf an Eigenkapitaldeckung. So weit, so nachvollziehbar – und auf den ersten Blick wohl ein Problem des jeweiligen Kreditgebers.

Auf den zweiten, in der Perspektive etwas geweiteten Blick wird erkannt, dass eigentlich für die Vergabe von Neukrediten benötigte Mittel durch NPL-Bestände und den daran hängenden Eigenkapitalbedarf gebunden sind – eine hierdurch gehemmte Kreditvergabe steht einem auf Kredite angewiesenem Wachstum in der Union entgegen; der EU-Gesetzgeber sieht gar die Vollendung der Bankenunion gefährdet.

Abhilfe sollen die Vorgaben der Kreditzweitmarktrichtlinie schaffen – an den Eigenmittelvorgaben wird nicht gerüttelt, aber die NPL-Zweitmärkte sollen dergestalt angekurbelt werden, dass die Kreditinstitute ihre NPL-Bestände unter einfachen Bedingungen verkaufen und so auf Dauer abschmelzen können.

  1. Wer, was, mit wem?

Im Zentrum des KrZwMG-E steht die Regulierung von Kreditdienstleistungen (§ 2 Abs. 3 KrZwMG-E), die von einem Kreditdienstleister erbracht werden.

Solche Kreditdienstleistungen liegen – unter der Voraussetzung, dass (1.) ein notleidender Kreditvertrag oder Ansprüche des Kreditgebers hieraus (2.) durch einen Kreditkäufer erworben wurden – vor, wenn der Kreditdienstleister

  • fällige Ansprüche des Kreditgebers aus dem Vertrag einzieht/durchsetzt;
  • sich aus dem Vertrag ergebende Rechten/ Pflichten/ Bedingungen entsprechend den Anweisungen des Kreditkäufers neu verhandelt;
  • Beschwerden des Kreditnehmers im Zusammenhang mit dem NPL behandelt oder
  • den Kreditnehmer über Änderungen der Zinssätze, Belastungen oder fällige Zahlungen informiert.

Dem aufmerksamen Rechtsanwender fallen hier die Parallelen zur „klassischen“ Inkassodienstleistung nach dem RDG ins Auge (hierzu sogleich unter 4.).

Kreditdienstleistungen nach dem KrZwMG-E werden von Kreditdienstleistern erbracht: Das sind in erster Linie entweder Kreditinstitute mit der Erlaubnis zur Erbringung des Kreditgeschäfts (diese brauchen auch keine zusätzliche Erlaubnis nach dem KrZwMG-E, vielmehr umfasst deren KWG-Erlaubnis auch Kreditdienstleistungen) oder Kreditdienstleistungsinstitute als neue und nach § 10 KrZwMG-E demnächst zulassungspflichtige Unternehmen.

Kreditdienstleistungsinstitute werden der Aufsicht der BaFin unterstellt und strengen regulatorischen Anforderungen unterworfen, die sich an der bestehenden Finanzdienstleistungsaufsicht orientieren (Stichwort: Organisationspflichten, [abgeschwächte] Inhaberkontrolle, Geschäftsleiterqualifikationen, Berichtspflichten, Sonderprüfungsrechte etc.)

  1. Kreditdienstleister = Dreh- und Angelpunkt des geplanten NPL-Zweitmarktes

Um den NPL-Zweitmarkt anzukurbeln, wird maßgeblich der Kreditdienstleister eingespannt. Sein Wirken soll der eigentliche, im Ergebnis messbare Katalysator sein, der die NPL-Zweitmärkte in Schwung bringt. Der Kreditkäufer wird sogar grundsätzlich dazu verpflichtet, bei Abschluss einer Vereinbarung über den Erwerb eines NPL/Ansprüche hieraus, einen Kreditdienstleister zu beauftragen – vorausgesetzt, Kreditnehmer ist eine natürliche Person oder ein KMU (§ 7 Abs. 1 KrZwMG-E).

Der Kreditdienstleister wird zwar für und im Namen des Kreditkäufers tätig, soll aber – unter der Fahne des Verbraucherschutzes – als professionelle Institution das Servicing des NPL übernehmen, um gewissermaßen als gleichwohl schützender als auch effektivierender Puffer zwischen den Kreditkäufer und den Kreditnehmer geschaltet zu werden.

  1. Verhältnis von KrZwMG-E, RDG – und ZAG?

Um Kreditdienstleistungen erbringen zu können (Stichwort: Einziehung/Durchsetzung fälliger Forderungen) wird es Kreditdienstleistungsinstituten gestattet, finanzielle Mittel von Kreditnehmern entgegenzunehmen und zu halten, um diese Mittel an den Kreditkäufer zu übertragen (§ 17 KrZwMG-E).

  1. Verhältnis von Kreditdienstleistungen und Inkassodienstleistungen

Kreditdienstleistungen – gerade in vorgenannter Variante der Einziehung/Durchsetzung – sind damit in der Sache Inkassodienstleistungen.

Inkassodienstleistungen wurden bislang im RDG geregelt und umfassen die „Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird, einschließlich der auf die Einziehung bezogenen rechtlichen Prüfung und Beratung“ (§ 2 Abs. 2 S. 1 RDG).

Wer Inkassodienstleistungen nach dem RDG erbringt, unterliegt einer Registrierungspflicht und ist der Aufsicht der einzelnen Landesjustizverwaltungen unterstellt. Zwangsläufig stellt sich die Frage, wie (allgemeine) Inkassodienstleistungen und (spezielle) Kreditdienstleistungen zueinanderstehen:

Aus der Begründung zum KrZwMG-E ergibt sich, dass Kreditdienstleistungen eine spezielle Form von Inkassodienstleistungen darstellen (KrZwMG-E [S. 129] „definitionsgemäß […] Inkassodienstleistungen iSd RDG“.

Die Abgrenzung – RDG oder KrZwMG-E – folgt nicht damit aus der Art der Dienstleistung (denn die entspricht sich), sondern aus dem zugrundeliegenden Sachverhalt – geht es um „Inkassodienstleistungen“ rund um NPL im Anwendungsbereich des KrZwMG-E, sind diese als (spezielle) Kreditdienstleistungen zu qualifizieren und das KrZwMG-E findet Anwendung. Das KrZwMG-E ist damit ein „anderes Gesetz“ iSd § 3 RDG, aus welchem sich die Befugnis zur Erbringung von außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen außerhalb der Regeln des RDG ergibt.

  1. Verhältnis von Kreditdienstleistungen und Zahlungsdiensteaufsichtsrecht

Nehmen Kreditdienstleistungsinstitute finanzielle Mittel von Kreditnehmern entgegenzunehmen und übertragen diese an den Kreditkäufer, lässt das auch an die Erbringung von Zahlungsdiensten und damit an eine ZAG-Erlaubnispflicht denken. In Betracht kommt etwa die Annahme und Abrechnung von Zahlungsvorgängen (Akquisitionsgeschäft, § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 ZAG) oder als Auffangtatbestand die Entgegennahme und Verfügbarmachung eines Geldbetrages (Finanztransfergeschäft – § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 ZAG).

Im Ergebnis stellt die Einziehung/Durchsetzung fälliger Forderungen und Auskehrung an den Kreditkäufer nach dem KrZwMG-E aber keinen Zahlungsdienst dar. Im Gefolge des ZAG-Gesetzgebers hat sich die BaFin schon früh auf die sog. „Inkasso-Ausnahme“ berufen, also die Ansicht vertreten, dass unter „Eintreibung” bzw. „Betreibung” von Forderungen allein Mahn- und Vollstreckungsaktivitäten sowie die gerichtliche Geltendmachung von zahlungsgestörten Forderungen verstanden werden, dies aber der Sache nach etwas völlig anderes sei als der typische Zahlungsdienst.

Auf die Inkasso-Ausnahme wird man hier nicht einmal zurückgreifen müssen: Der Gesetzgeber hat in den Motiven zum KrZwMG-E festgehalten, dass er bei Kreditdienstleistungen die sog. Handelsvertreterausnahme (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 ZAG – „commercial agent“) für erfüllt sieht und deshalb kein Zahlungsdienst vorliegt. Die Handelsvertreterausnahme besagt, dass Zahlungsvorgänge über einen Handelsvertreter, „der aufgrund einer Vereinbarung befugt ist, den Verkauf oder Kauf von Waren oder Dienstleistungen nur […] im Namen des Zahlungsempfängers auszuhandeln oder abzuschließen“, nicht als Zahlungsdienst gelten.

Der Gesetzgeber des KrZwMG-E zeigt damit ein weites, in der hiesigen Sache aber zutreffendes Verständnis der Handelsvertreterausnahme – der Kreditdienstleister wird für und im Namen des Kreditkäufers tätig, steht also in dessen Lager.

  1. Doppelt hält besser? Wohl eher: Zu viele Köche…

„Doppelte“ Aufsichtsstrukturen – sowohl nach dem KrZwMG-E durch die BaFin als auch nach dem RDG durch die jeweilige Landesjustizverwaltung – wollte der Gesetzgeber eigentlich vermeiden; entstehen können diese trotzdem: Will ein Kreditdienstleistungsinstitut auch „allgemeine“ Inkassodienstleistungen erbringen (also bzgl. Forderungen, die nicht aus von Kreditinstituten verkauften NPL stammen und damit nicht dem KrZwMG-E unterfallen), ist insofern weiterhin eine zusätzliche Registrierung nach dem RDG erforderlich.

Verbände von Inkassounternehmen kritisieren zurecht, dass mit dem beschriebenen Verhältnis von RDG zum strengeren KrZwMG-E das am Markt bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis zulasten der Marktteilnehmer umgekehrt wird: Kreditdienstleistungen im Sinne des KrZwMG-E machen einen quantitativ geringen Anteil des Geschäfts bislang tätiger Inkassodienstleister aus. Dominant ist das Servicing von Forderungen aus dem E-Commerce, dem Einzelhandel, dem Telekommunikations- und Versicherungssektor. Dieses Hauptgeschäft wird weiterhin dem RDG und der Inkassoaufsicht unterfallen – welches aber gesetzes- und aufsichtssystematisch nur noch die zweite Geige hinter dem KrZwMG-E und der darin angelegten BaFin-Aufsicht spielen soll!

Naheliegend wäre es gewesen, die Aufsicht über die Kreditdienstleistungsinstitute beim Bundesamt für Justiz („BfJ“) zu allokieren – erst im August 2023 hat der Bundestag die ab 2025 geltende, zentralisierte Inkassoaufsicht beim BfJ beschlossen. Nach jetzigem Stand des KrZwMG-E muss der Gesetzgeber dagegen BaFin und BfJ ausdrücklich dazu anhalten, auf eine widerspruchsfreie Aufsichtspraxis über Kredit- und
Inkassodienstleistungen hinzuwirken (§ 3 Abs. 5 KrZwMG-E). Das hätte sich weniger umständlich lösen lassen!

Die eigentliche mit dem Gesetzesentwurf zu beantwortende Frage wäre vielmehr gewesen, ob Kreditdienstleistungsinstitute als „nur“ spezielle Inkassodienstleister tatsächlich für die Spartentätigkeit der Kreditdienstleistungen einer gesonderten BaFin-Aufsicht bedürfen.

  1. Ausblick

Ob die strenge Regulierung der Kreditdienstleistungsinstitute tatsächlich den gewünschten, marktbeflügelnden Effekt zeigt, bleibt abzuwarten. Erste Mitgliederbefragungen von Inkassoverbänden zeichnen ein gegenteiliges Bild – eine zweistellige Prozentzahl von betroffenen Unternehmen hat bereits angekündigt, sich aus dem unter die BaFin-Aufsicht gestellten NPL-Zweitmarkt zurückzuziehen.

Ganz grundsätzlich wird sich zeigen müssen, ob diese Form der NPL-Zweitmarktregulierung als in sich stimmiges System funktionieren kann.

Die einfache Gleichung „NPL-Verkauf + Eigenkapitalfreigabe = Liquiditätsschaffung seitens der verkaufenden Kreditinstitute“ mag auf dem Papier aufgehen. Unklar bleibt aber, wie dynamisch sich ein NPL-Zweitmarkt tatsächlich entwickeln kann, dessen Regulierungsfokus nur darauf eingeschossen ist, NPL-Bestände auf der einen Seite (bei den Kreditinstituten) abzuschmelzen, dabei aber auszuklammern scheint, dass sich NPL-Käufe auf der anderen Seite (bei den Kreditkäufern) immer noch rentieren müssen.

NPL-Verkäufe zeichnet gerade aus, dass mit ihnen das definitionsgemäß schon in der Realisierung befindliche Ausfallrisiko des Kreditnehmers verschoben wird. Aus dem Entwurf zum KrZwMG lässt sich die fromme Hoffnung herauslesen, dass es dem regulierten Kreditdienstleister als professioneller NPL-Servicing-Instanz effektiver gelingt, aus dem notleidenden Kreditvertrag noch mehr herauszupressen, als es der Kreditverkäufer vermocht hat (Stichwort: „Verbraucherschutz“). Das hat bislang unter dem Geschäftsmodell einzelner Kreditkäufer und Inkassodienstleister funktioniert – hat aber immer vorausgesetzt, dass am Ende eine tatsächliche Gewinnmarge zu Buche schlägt. Betrachtet man nun den Entwurf zum KrZwMG, bleibt die bestimmende Frage nach einer wirklichen Dynamisierung des NPL-Zweitmarktes, ob und wie das Geschäft trotz erhöhter Regulierung und Regulierungskosten, insbesondere der verpflichtenden – aber kaum kostenfreien – Einschaltung eines Kreditdienstleisters auf Käuferseite noch rentabel bleibt.

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