Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz: Referentenentwurf zum FISG – Verstärkte Kontrollen, mehr hoheitliche Befugnisse und Strafandrohungen als Abschreckung

Referentenentwurf zum FISG | PayTechLaw

Am 26. Oktober 2020 haben das Bundesministerium der Finanzen („BMF“) und das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz („BMJV“) den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – „FISG“) vorgelegt. Erklärtes Ziel des Gesetzes ist es, das Vertrauen in den Finanzmarkt zu stärken. Anlass dafür bieten unter anderem „jüngste Vorkommnisse“, wie es die Ministerien neutral und zurückhaltend formulieren.

In diesem Blogbeitrag wollen wir uns den Referentenentwurf und die geplanten Änderungen einmal genauer ansehen. Dabei konzentrieren wir uns auf die aus unserer Sicht wesentlichen Themen.

Der Referentenentwurf zum FISG: Bilanzkontrolle

Der Referentenentwurf zum FISG strebt eine grundlegende Reform des Bilanzkontrollverfahrens bei kapitalmarktorientierten Unternehmen zugunsten eines stärker staatlich-hoheitlich geprägten Verfahrens an.

Bislang wird die Rechtmäßigkeit von Unternehmensabschlüssen in einem zweistufigen Verfahren geprüft. Auf der ersten Stufe ist eine von staatlicher Seite beauftragte privatrechtlich organisierte Prüfstelle bei konkreten Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften sowie auf Verlangen der BaFin tätig. Träger dieser Prüfstelle ist der Verein „Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e.V. (DPR)”. Die Mitwirkung der Unternehmen ist dabei freiwillig. Die BaFin wird auf der zweiten Stufe tätig, wenn das Unternehmen nicht freiwillig an der Prüfung mitwirkt, mit dem Ergebnis der Prüfung nicht einverstanden ist oder erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Prüfungsergebnisse oder an der ordnungsgemäßen Durchführung der Prüfung durch die Prüfstelle bestehen. Eine zwangsweise Durchsetzung der Prüfung ist dabei möglich.

Die Befugnisse der BaFin, eine Prüfung des Abschlusses oder des Berichts, der Gegenstand durch die Prüfungsstelle gewesen ist, anzuordnen, sollen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage erheblich ausgeweitet werden. Die BaFin soll zudem sowohl die Anordnung der Prüfung der Rechnungslegung als auch den Grund für diese Anordnung im Bundesanzeiger und auf ihrer Internetseite bekannt machen können, soweit hieran ein öffentliches Interesse besteht. Prüfungsgegenstand können auch die Abschlüsse und Berichte der beiden vorangegangenen Geschäftsjahre sein. Die BaFin soll dann sowohl vom geprüften Unternehmen als auch von den Mitgliedern seiner Organe und von Abschlussprüfern Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen verlangen und Verpflichtete zu einer Vernehmung laden können. Wenn konkrete Anhaltspunkte für erhebliche Verstöße gegen Rechnungslegungsvorschriften vorliegen, soll die BaFin auch Durchsuchungen von Wohn- und Geschäftsräumen durchführen können. Der BaFin sollen also in den §§ 107 ff. WpHG-E weitgehende Befugnisse eingeräumt werden.

Zusätzlich sehen §§ 331a ff. HGB-E Anpassungen im Bilanzstrafrecht vor. Danach drohen einem Unternehmensverantwortlichem, der einen unrichtigen Bilanzeid abgibt und einem Abschlussprüfer bei der Erteilung eines unrichtigen Bestätigungsvermerks jeweils eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Diese Vorschriften sollen eine „ausreichend abschreckende Ahndung“ gewährleisten.

Der Referentenentwurf zum FISG: Finanztransaktionsuntersuchung

§ 31 Abs. 5 und 5a GwG-E sowie § 31 Abs. 2a und 2b AO-E sehen vor, dass die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen in die Lage versetzt wird, bei den Finanzbehörden ausgewählte steuerliche Grunddaten automatisiert abrufen zu können. Damit soll eine Feststellung von etwaigen Zusammenhängen mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erleichtert und die Bearbeitung von Meldungen gegenüber den bisher erforderlichen manuellen Auskunftsersuchen beschleunigt werden.

Der Referentenentwurf zum FISG: Auslagerung

Der Referentenentwurf zum FISG sieht ferner Anpassungen in verschiedenen Aufsichtsgesetzen zur Klarstellung und Erweiterung der BaFin-Befugnisse im Bereich der Auslagerung vor.

Ergänzungen ergeben sich insbesondere im Kreditwesengesetz und im Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz. In § 1 Abs. 10 KWG-E und § 1 Abs. 10a ZAG-E werden zunächst die Auslagerungsunternehmen als Unternehmen definiert, auf die ein Institut Aktivitäten und Prozesse zur Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen bzw. Zahlungsdiensten und des E-Geld-Geschäfts ausgelagert hat, sowie deren Subunternehmen bei Weiterverlagerungen der vorgenannten Aktivitäten und Prozesse. In § 25b Abs. 4a KWG-E und § 26 Abs. 3a ZAG-E wird dann normiert, dass die BaFin unmittelbar gegenüber Auslagerungsunternehmen, auf die wesentliche Aktivitäten und Prozesse ausgelagert werden, Anordnungen treffen kann, um Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu verhindern oder zu unterbinden. Der BaFin werden Eingriffsbefugnisse sowohl gegenüber Unternehmen im Inland als auch im Ausland gegeben. Für die Eingriffsbefugnisse der BaFin wäre es zukünftig unerheblich, ob es sich bei dem Auslagerungsunternehmen um ein beaufsichtigtes oder nicht beaufsichtigtes Unternehmen handelt.

Nach § 25b Abs. 1 S. 4 KWG-E und § 26 Abs. 1 S. 7 ZAG-E müssen Institute zudem im Rahmen des Risikomanagements ein Auslagerungsregister führen, das sämtliche wesentliche und nicht wesentliche Auslagerungen erfasst. Zudem ist bei Auslagerung auf ein Unternehmen in einem Drittstaat vertraglich sicherzustellen, dass das Auslagerungsunternehmen einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen hat, an den Bekanntgaben und Zustellungen durch die BaFin bewirkt werden können.

Der Referentenentwurf zum FISG sieht zudem in § 24 Abs. 1 Nr. 18 KWG-E und § 28 Abs. 1 Nr. 10 ZAG-E neue bzw. erweiterte Anzeigepflichten der Institute gegenüber der BaFin in Bezug auf wesentliche und nicht wesentliche Auslagerungen vor.

Sollte der Referentenentwurf zum FISG so umgesetzt werden, bestünde demnach Handlungsbedarf: Institute müssten insbesondere ein Auslagerungsregister einführen, Prozesse für den Umgang mit den neuen bzw. erweiterten Anzeigepflichten implementieren und bestehende Auslagerungsvereinbarungen anpassen. Es wäre sinnvoll, den aus dem vorliegenden FISG und der geplanten MaRisk-Novelle für den Bereich der Auslagerung entstehenden Umsetzungsbedarf koordiniert „in einem Aufwasch“ zu erledigen.

Der Referentenentwurf zum FISG: Verbraucherschutz

Auch das Thema Grauer Kapitalmarkt wird im Referentenentwurf zum FISG behandelt. Der Verbraucherschutz soll im Bereich der Geschäftsmodelle von Edelmetallanbietern und -verwahrern durch Änderungen im Vermögensanlagegesetz gestärkt werden, da es in der Vergangenheit in diesem Bereich zu Missbrauch und der Schädigung zahlreicher Anleger gekommen war.

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 8 VermAnlG-E sollen als Vermögensanlagen Anlagen gelten, die im Austausch für die zeitweise Überlassung von Geld oder Edelmetallen eine Verzinsung und Rückzahlung oder eine Verzinsung und Herausgabe von Edelmetallen oder einen anderen vermögenswerten Ausgleich gewähren bzw. in Aussicht stellen. Für derartige Geschäfte bestünde zukünftig eine Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts und eines Vermögensanlagen-Informationsblatts (VIB).

Vermeidung von Interessenkonflikten

Zwar sollen der BaFin weitgehende Befugnisse eingeräumt werden, in einem Punkt sollen aber zur Steigerung des Vertrauens in den Finanzmarkt sogar Beschränkungen für die Mitarbeiter der BaFin eingeführt werden. Wie das zusammenpasst? Den Beschäftigten der BaFin soll nach § 11a FinDAG- E der private Handel mit bestimmten Finanzinstrumenten untersagt werden. Umtriebige Anleger sollten zukünftig also nicht bei der BaFin anheuern.

Ausblick

Über den Referentenentwurf zum FISG berät nun im nächsten Schritt die Bundesregierung. Natürlich werden wir das Gesetzgebungsverfahren zum FISG im Auge behalten und euch auf unserem Blog über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden halten.

 

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