Zahlungskarten | FinTech-Onlinekurs #9

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Gemessen an der Anzahl der Transaktionen ist die Zahlungskarte in der EU im Vergleich zu Überweisungen, Lastschriften und E-Geld-Zahlungen mit Abstand das meist genutzte bargeldlose Zahlungsinstrument. Über 55% aller bargeldlosen Zahlungen erfolgen über eine Zahlungskarte. Ein EU-Einwohner zückt im Durchschnitt ca. 170 Mal im Jahr eine Karte, um damit Einkäufe in physischen Geschäften oder im Internet zu tätigen. Darüber hinaus wird die Karte für den Bargeldbezug an Geldautomaten genutzt.

In Bezug auf die Abrechnung der getätigten Umsätze zwischen dem Kartennutzer und dem Kartenherausgeber („Issuer“) wird zwischen folgenden Kartenarten differenziert:

  • Debitkarte (Abrechnung erfolgt ohne Verzögerung i.d.R. über ein Girokonto)
  • Charge Card oder auch „delayed debit card“ genannt (monatliche Abrechnung)
  • (Revolving) Kreditkarte (Umsätze können zu einem Konsumentenkredit umgewandelt werden)
  • Prepaid-Karte (Abrechnung erfolgt gegen ein vorher beim Issuer auf ein Kartenkonto eingezahltes Guthaben)

In Deutschland sind die meisten Karten Debitkarten oder Charge Karten.

Zahlungskarten können auch nach den jeweiligen Karten- bzw. Kontoinhabern klassifiziert werden:

  • Verbraucherkarten (vorwiegend C2B)
  • Firmenkarten (vorwiegend B2B)

Für die wirtschaftliche und rechtliche Betrachtung des Kartengeschäfts ist das Rollenmodell wichtig. Man unterscheidet bei einer Kartenzahlung vier Rollen:

Wenn diese vier Rollen durch unterschiedliche Einheiten (juristische oder natürliche Personen) ausgeübt werden, spricht man von einem Vier-Parteien-System. Wenn der Issuer und der Acquirer identisch sind, handelt es sich um ein Drei-Parteien-System (Beispiel: American Express). Bei einem Zwei-Parteien-System übernimmt eine Einheit die Rollen des Issuers, des Acquirers und der Akzeptanzstelle (Beispiel: Kundenkarte eines Kaufhauses).

Im Gegensatz zu Überweisungen und Lastschriften gibt es im Kartenzahlungsverkehr unterschiedliche Zahlungsverfahren (auch „Schemes“ genannt), die zueinander im Wettbewerb stehen. Neben den globalen Schemes (z. B. Mastercard und Visa) gibt es in der EU weitere europäische Schemes, deren Geschäft sich allerdings de facto (nicht de jure!) vorwiegend auf einen Mitgliedsstaat beschränkt (Beispiele: „girocard“ in Deutschland und Cartes Bancaires in Frankreich). Mit wenigen Ausnahmen sind die Schemes als Vier-Parteien-Systeme organisiert. Sie vergeben an Banken und andere Zahlungsdienstleister Lizenzen für das Issuing- und/oder Acquiring-Geschäft.

Das jeweilige Scheme spielt für den Händler eine wichtige Rolle, denn seine Kartenakzeptanz richtet sich nach dem jeweiligen Scheme und nicht nach einer generellen Kartenakzeptanz oder nach den Karten eines bestimmten Issuers. Demnach haben die Schemes auch eine unterschiedliche Reichweite hinsichtlich der Akzeptanz. Um die Kartenakzeptanz für einen Karteninhaber zu erhöhen, sind viele Karten in der EU mit den Akzeptanzmarken mehrerer Schemes ausgestattet („co-badged“ Karten. Beispiel: girocard & Maestro).

Mit Ausnahme der Zwei-Parteien-Systeme ist das Issuing- und das Acquiringgeschäft gemäß der Zahlungsdiensterichtlinie EU 2015/2366 („PSD2“) ein erlaubnispflichtiger Zahlungsdienst, der nur Kredit-, Zahlungs- und E-Geld-Instituten vorbehalten ist. Die Erlaubnispflicht entfällt, wenn das Kartenzahlungsverfahren hinsichtlich der Akzeptanz begrenzt ist (z. B. eine Tankkarte). In diesem Fall müssen die Kriterien der Bereichsausnahme gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 ZAG allerdings erfüllt sein (siehe Türchen 7).

Wirtschaftlich gesehen handelt es sich – zumindest bei den Vier-Parteien-Systemen  – um einen sog. zweiseitigen Markt: Der Issuer und der Karteninhaber auf der einen Seite, der Acquirer und der Händler auf der anderen Seite. Zwischen beiden Marktseiten existiert eine wirtschaftliche Abhängigkeit durch sogenannte externe Effekte. Der Nutzen für den Karteninhaber bzw. für den Händler ist von der jeweils anderen Marktseite abhängig. Außerdem erbringt bei einer Kartenzahlung der Issuer durch die Autorisierung eine Dienstleistung für den Acquirer oder bei einer Bargeldabhebung der Acquirer (Eigentümer eines Geldautomaten) eine Dienstleistung für den Issuer. Zum Ausgleich dieser externen Effekte bzw. der Dienstleistungen finden Zahlungen zwischen den beiden Marktseiten statt. Diese transaktionsbezogene Zahlung zwischen dem Acquirer und dem Issuer wird „Interchange Fee“ (IF) genannt.

Bei einer Kartenzahlung fließt das Entgelt von dem Acquirer zum Issuer (bei einer Geldausgabetransaktion vice versa). Die IF setzt demnach die Existenz eines sogenannten Vier-Parteien-Zahlungssystems voraus. In der EU unterliegt die IF für kartenbasierte Zahlungen gesetzlichen Auflagen mittels einer EU-Verordnung (EU-VO 2015/751). Die IF wird in der Gesetzgebung als „Interbankenentgelt“ übersetzt, obwohl neben traditionellen Kreditinstituten auch andere Zahlungsdienstleister diese Entgelte zahlen oder erhalten. Die IF kann Gegenstand einer Vereinbarung zwischen zwei (bilaterale IF) oder mehr als zwei Zahlungsdienstleistern (multilaterale IF bzw. MIF) sein. Im Kartengeschäft dominieren die MIF-Vereinbarungen. Die IF-Sätze sind für innereuropäische Zahlungen mit Verbraucher-Zahlungskarten, die innerhalb von Vier-Parteien-Kartenzahlungsverfahren (wie z. B. Mastercard und Visa) herausgegeben werden, auf 0,2% (Debitkarten inkl. Prepaid-Karten) bzw. auf 0,3% (Kreditkarten inkl. Charge Cards) gedeckelt. Die IF-Sätze der Transaktionen mit Firmenkarten sind dagegen nicht reguliert. Die Preisregulierung führte innerhalb der EU zu einer massiven Umverteilung der Systemkosten von der Acquirer- zu der Issuer-Marktseite in Höhe von mehreren Milliarden Euro.

Die IF-Verordnung enthält im Kapitel III („Geschäftsregeln“) neben den oben genannten IF-Obergrenzen eine Reihe weiterer Vorschriften, die auch für Karten der Drei-Parteien Schemes und für Firmenkarten relevant sind, wie z. B. zur:

  • Entgeltabrechnung zwischen Acquirer und Händler,
  • Wahloption zwischen den Zahlungsmarken am Terminal bei co-badged Karten,
  • Akzeptanzpflicht der Karten gleicher Art und Marke,

Adressaten der IF-Verordnung sind nicht nur die erlaubnispflichtigen Zahlungsdienstleister (Issuer und Acquirer), sondern auch die jeweiligen Schemes.

Für die Relevanz der rechtlichen Vorschriften spielt es keine Rolle, ob die Karte physisch (in der Regel als Plastikkarte) oder virtuell (z. B. als Kartennummer in einem App) genutzt wird.

 

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