KYC beim Vertrieb von E-Geld: Muss ich oder muss ich nicht? § 25i Abs. 2 KWG

Checkliste § 25i Abs. 2 KWG | PayTechLaw

Der deutsche Gesetzgeber hat zum 23.06.2017 die Vorgaben der 4. EU-Geldwäscherichtlinie (AMLD 4) in deutsches Recht umgesetzt. Damals waren viele Marktteilnehmer (und auch wir) voller Hoffnung. Die Betroffenen wünschten sich praxistaugliche Regelungen und vor allem mehr Klarheit. Ein gutes Jahr später hat sich Ernüchterung breit gemacht. Das gilt jedenfalls für die gewünschte Klarheit beim Vertrieb von E-Geld-Produkten (wie zum Beispiel Prepaid-Kreditkarten). Noch immer wissen viele Händler nicht, unter welchen Voraussetzungen sie E-Geld vertreiben dürften, ohne ihre Kunden identifizieren zu müssen. Dabei wäre Rechtssicherheit in diesem Punkt sehr wichtig, weil eine Identifizierungspflicht am Point of Sale faktisch das Ende des Vertriebs vieler E-Geld-Produkte bedeuten würde. Kaum ein Kunde wäre wohl bereit, sich zum Beispiel an der Supermarktkasse mit einem Personalausweis zu identifizieren, um eine Prepaid-Kreditkarte über 25 Euro zu kaufen. PayTechLaw hat ein Erbarmen mit den Betroffenen und schafft mit diesem Beitrag und der Interpretation des § 25i Abs. 2 KWG etwas mehr Klarheit.

Was wir wissen und was nicht

Wir wissen, dass Personen, die E-Geld vertreiben (Vertriebsstellen), grundsätzlich dazu verpflichtet sind, ihre Kunden zu identifizieren. Darüber hinaus müssen die Vertriebsstellen feststellen, ob der Kunde eine sogenannte politisch exponierte Person ist (PEP-Prüfung). Wir wissen aber auch, dass kaum eine Vertriebsstelle in der Lage wäre, diese Pflichten am Point of Sale zu erfüllen. Entweder würde das der Kunde, der gerade an der Kasse steht, nicht akzeptieren. Aber auch die Kunden, die in der Schlange dahinter stehen, würden sich das nicht bieten lassen. Daher ist es für die Vertriebsstellen von erheblicher Bedeutung, dass es von dem oben beschriebenen Grundsatz eine Ausnahme gibt.

Die Identifizierung und die PEP-Prüfung sind nicht notwendig, wenn die Voraussetzungen vorliegen, die in § 25i Abs. 2 KWG geregelt sind. Anders ausgedrückt: Eine Vertriebsstelle kann E-Geld im Prinzip wie jede andere Handelsware auch verkaufen, wenn die Voraussetzungen für die Ausnahme vorliegen. Das hört sich doch eigentlich ganz gut an, oder? Dann müsste man als Vertriebsstelle doch nur diesen § 25i Abs. 2 KWG lesen und wüsste ganz genau, in welchen Fällen man den Kunden identifizieren muss und in welchen Fällen nicht. In der Theorie ist das richtig.

In der Praxis ist es aber leider so, dass es oftmals nicht so ganz klar ist, ob die Voraussetzungen für die Ausnahme vorliegen. Das liegt zum einen daran, dass wir ein recht neues Gesetz haben, zu dem es noch keine Gerichtsurteile gibt. Zum anderen hat sich der Gesetzgeber nicht gerade viel Mühe dabei gegeben, das Gesetz in diesem Punkt klar zu formulieren. Auch die BaFin ist uns keine große Hilfe: In dem aktuellen Entwurf der BaFin für Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz wiederholt die BaFin nur die ebenfalls wenig ergiebige Gesetzesbegründung. Klärung offener Fragen? Fehlanzeige!

Wie wir die Sache sehen – der PayTechLaw-Blick auf § 25i Abs. 2 KWG

Wir wissen zwar auch nicht, wie die Gerichte einmal entscheiden werden. Wir haben aber eine Meinung, wie wir die Voraussetzungen für die Ausnahme sehen. Diese Meinung teilen wir gern mit Ihnen. Schauen wir uns dafür einmal den § 25i Abs. 2 KWG im Detail an. In der nachstehenden Tabelle haben wir in die linke Spalte den Gesetzestext geschrieben. In der rechten Spalte finden Sie eine Erläuterung, wie wir die einzelnen Textstellen interpretieren:

 

Gesetzestext Interpretation durch PayTechLaw
In den Fällen des Absatzes 1 können die Kreditinstitute unbeschadet des § 14 des Geldwäschegesetzes von den Pflichten nach § 10 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 des Geldwäschegesetzes absehen, wenn Mit dieser Formulierung sagt uns der Gesetzgeber, dass E-Geld ohne eine Identifizierung des Kunden vertrieben werden darf, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen. Diese Ausnahme gilt nicht nur für Kreditinstitute, sondern auch für Vertriebsstellen. Das folgt aus dem Verweis auf § 25i Abs. 2 KWG in § 10 Abs. 7 Satz 2 GwG.
1.   das Zahlungsinstrument nicht wieder aufgeladen werden kann oder wenn ein wiederaufladbares Zahlungsinstrument nur im Inland genutzt werden kann und die Zahlungsvorgänge, die mit ihm ausgeführt werden können, auf monatlich 100 Euro begrenzt sind, Aus dieser Formulierung resultieren nach unserer Interpretation zwei Anforderungen:

–  Wenn das E-Geld wiederaufladbar ist, dann darf es nur in Deutschland genutzt werden können. Damit fallen insbesondere Prepaid-Kreditkarten, wenn sie im Internet genutzt werden können, aus der Ausnahme heraus.

–  Pro Monat darf man mit dem E-Geld für maximal 100 Euro zahlen können. Zudem darf man nach unserer Einschätzung für maximal 100 Euro pro Monat E-Geld kaufen.

Unseres Erachtens bezieht sich das Wort „Zahlungsinstrument“ auf die jeweils von dem Kunden genutzte Produktvariante. Wenn es z. B. eine Prepaid-Kreditkarte in zwei Produktvarianten (mit und ohne Identifizierung) gibt, dann muss man sich ansehen, ob in der Produktvariante ohne Identifizierung die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt werden. Das gilt auch dann, wenn bei einem Wechsel der Produktvariante das Zahlungsmedium (z. B. eine Plastikkarte) nicht ausgetauscht wird.

2.   der elektronisch gespeicherte Betrag 100 Euro nicht übersteigt, Das bedeutet, dass zu jedem E-Geld-Produkt, das ohne Identifizierung vertrieben wird, zu jedem Zeitpunkt das Guthaben maximal 100 Euro betragen darf. Für nicht wiederaufladbare Produkte bedeutet das, dass der Nennwert des E-Geld-Produktes maximal 100 Euro betragen darf.
3.   das Zahlungsinstrument ausschließlich für den Kauf von Waren und Dienstleistungen genutzt wird, Diese Anforderung bedeutet, dass mit dem E-Geld-Produkt keine P2P-Zahlung und keine Abhebung am Geldautomaten möglich sein dürfen. Es gibt Leute, die zudem meinen, dass das E-Geld-Produkt nicht zum Kauf von Gutscheinen oder anderem E-Geld verwendet werden darf, weil Gutscheine und E-Geld keine Waren oder Dienstleistungen seien. Diese Meinung halten wir für falsch, weil der Begriff der Waren und Dienstleistungen nach der gängigen europarechtlichen Definition sehr weit gefasst ist.
4.   das Zahlungsinstrument nicht mit anonymem E-Geld erworben oder aufgeladen werden kann, Das bedeutet, dass das E-Geld, das ohne Identifizierung vertrieben wird, nicht mit anonymem E-Geld bezahlt werden darf. Das sollte, sofern es technisch möglich ist, durch eine technische Lösung (z. B. durch eine elektronische Verkaufssperre) herbeigeführt werden. Wir meinen aber, dass es auch reicht, wenn diese Voraussetzung operativ (z. B. durch eine entsprechende Schulung des Kassenpersonals und regelmäßige Stichproben) sichergestellt wird. Nur dann, wenn eine operative Lösung nicht funktioniert, halten wir eine Umstellung auf eine technische Lösung für erforderlich.
5.   das Kreditinstitut die Transaktionen oder die Geschäftsbeziehung in ausreichendem Umfang überwacht, um die Aufdeckung ungewöhnlicher oder verdächtiger Transaktionen zu ermöglichen, und Aus dieser Anforderung ergibt sich, dass ein angemessenes Monitoring erfolgen muss, durch das verdächtige Transaktionen erkannt werden können. Dieses Monitoring muss unseres Erachtens durch den Emittenten des jeweiligen E-Geld-Produktes erfolgen, da eine Vertriebsstelle nicht in die Abwicklung von Zahlungen mit dem E-Geld-Produkt eingebunden ist. Die Vertriebsstellen sollten sicherstellen, dass der Emittenten ein solches Monitoring auch tatsächlich vornimmt.
6.   ein Rücktausch des E-Geldes durch Barauszahlung, sofern es sich um mehr als 20 Euro handelt, ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzung erklärt sich von selbst. In der Praxis ist diese Anforderung zumeist unproblematisch, weil der Rücktausch gegen Barauszahlung faktisch oftmals dadurch ausgeschlossen ist, dass der Emittent nicht über Filialen verfügt, in denen der Kunde Bargeld ausgehändigt bekommen kann.
Beim Schwellenwert nach Satz 1 Nummer 1 ist es unerheblich, ob der E-Geld-Inhaber das E-Geld über einen Vorgang oder über verschiedene Vorgänge erwirbt, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass zwischen den verschiedenen Vorgängen eine Verbindung besteht. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass der Erwerb mehrerer E-Geld-Produkte für die Berechnung der 100-Euro-Grenze addiert werden muss. Kauft zum Beispiel ein Kunde ein E-Geld-Produkt über 100 Euro und entscheidet sich nach der Bezahlung an der Kasse, ein weiteres E-Geld-Produkt über 100 Euro kaufen zu wollen, wäre die 100-Euro-Grenze überschritten, so dass der Kunde wegen des Erwerbs des zweiten Produktes identifiziert werden müsste. Unseres Erachtens findet eine solche Aufaddierung nur statt, wenn sich der Kassenkraft eine Verbindung aufdrängt. Eine Überwachung (etwa, indem der Name eines jeden Kunden notiert und abgeglichen werden muss) ist aus unserer Sicht nicht notwendig.

 

Für alle Lesefaulen haben wir zu diesem Thema eine “Checkliste § 25i Abs. 2 KWG” gebastelt.

Checkliste-25i-Abs.-2-KWG

Gibt es einen Disclaimer?

Na klar. Wir sind Anwälte. 🙂 Im Ernst: Alles, was in diesem Beitrag steht, ist richtig, weil dieser Beitrag unsere Meinung wiedergibt. Und Meinungen sind nicht richtig oder falsch, sondern vertretbar oder unvertretbar. Ob Sie oder die BaFin oder Gerichte unsere Meinung ebenfalls vertreten, wissen wir nicht.

 

Cover picture: Copyright © PayTechLaw

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